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AFRIKA/1977: Nigeria - Dürre und Desertifikation gefährden Nahrungsversorgung (SB)


Ein Drittel Nigerias ist Wüste

Auch religiöse Konflikte können Folge einer Klimaveränderung sein


Aufgrund der letztjährigen Dürre sehen sich Niger und andere westafrikanische Staaten in diesem Jahr einer schweren Hungersnot ausgesetzt. Rund zehn Millionen Westafrikaner haben nicht genügend zu essen und sind auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Die allgemeine Erderwärmung wird die Versorgungslage in Zukunft weiter anspannen und den Mangel verstärken. Forscher sagen für Westafrika einen überdurchschnittlich hohen Temperaturanstieg sowie einen deutlichen Rückgang der Niederschlagsmenge bis Ende des Jahrhunderts voraus. Das hat unmittelbar negative Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion. Zu den Staaten, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, gehört Nigeria, mit 135 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Im Süden am Golf von Guinea gelegen, erstreckt sich Nigeria nach Norden hin bis in die semiaride Sahelzone.

Kürzlich berichtete die nigerianische Ministerin für Luftfahrt, Fidelia Njeze, laut der Zeitung "This Day", daß die Bundesregierung in Abuja etwa elf Milliarden Naira - rund 57 Millionen Euro - benötige, um die Ausbreitung der Wüste im Norden des Landes einzudämmen. [1] Die landwirtschaftliche Fläche und die Wasserressourcen seien durch zwei Faktoren, Dürre und Desertifikation, ernsthaft gefährdet.

Die Wüste ist mittlerweile von den nigerianischen Bundesstaaten Kebbi und Kano bis nach New Bussa und Jos vorgedrungen und nimmt nun 35 Prozent der Landfläche Nigerias ein. Als unübersehbares Zeichen dieser Entwicklung: Der Tschadsees ist in den letzten 40 Jahren um 95 Prozent geschrumpft. Der einst größte Süßwassersee der Welt, an dem auch Nigeria einen Anteil hat, verlor zwar nicht nur aufgrund der Dürre an Volumen, sondern auch aufgrund der Wasserentnahme für die Landwirtschaft, aber daß die Landwirtschaft so viel Wasser benötigt, ist ja bereits eine Folge der Niederschlagsarmut.

Während der Dürreperiode zwischen 1968 und 1973 gingen in Nigeria die Ernteerträge um zwölf bis vierzehn Prozent zurück, was zu einem Massensterben unter Rindern und anderem Nutzvieh führte. Hinzu kam der Biafra-Krieg von 1967 bis 1970, dem mehr als zwei Millionen Menschen zum Opfer fielen. Das hat zwar nicht unmittelbar mit den klimatischen Veränderungen zu tun, die Dürre unterstützte jedoch die genozidale Politik des Aushungerns durch die Zentralregierung gegen die Provinz Biafra sowie generell den Versorgungsmangel in der Bevölkerung. Sieht so die Zukunft des Landes aus?

In Nordnigeria ist es in den letzten zehn Jahren wiederholt zu schweren Kämpfen zwischen Muslimen und Christen gekommen. Dabei verloren mehrere tausend Einwohner ihr Leben. So sehr der religiöse Unterschied auch als Erklärung dieses Konflikts ins Auge sticht - wenn die natürlichen Voraussetzungen in Nigeria anders wären und insbesondere der Norden nicht regelmäßig unter Dürre litte, würden die Menschen höchstwahrscheinlich sehr viel friedlicher leben und sich die zur Verfügung stehenden Ressourcen teilen. Daraus wäre abzuleiten, daß zukünftig vermeintlich religiöse Konflikte durch den Klimawandel verstärkt werden.


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Anmerkungen:

[1] "Nigeria: Govt Needs Billions to Fight Desert Encroachment", This Day (Lagos), 21. Juli 2010
http://allafrica.com/stories/201007210029.html

22. Juli 2010