Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/2000: Maschinisierung Kenias - Streik auf den Teeplantagen (SB)


Kenias Teepflückerinnen und -pflücker streiken

Zunehmende Maschinisierung sorgt für hohe Arbeitslosigkeit


Die Idee des technologischen Fortschritts, Menschen von Arbeit zu entlasten, so daß sie Zeit gewinnen, um sich angenehmeren Dingen zuwenden können, wird in der Lohnarbeitsgesellschaft in ihr Gegenteil verkehrt. Maschinen erleichtern eine Arbeit nur zu dem Zweck, damit die Lohnempfänger mehr leisten. Dieses Mehr wird wiederum von den Unternehmern vom Lohn abgezogen und einbehalten. Von diesem Grundverhältnis zwischen Lohnarbeit und Abschöpfen des Mehrwerts bleiben selbstverständlich auch die Produktionsweisen in Afrika nicht verschont.

Zum Beispiel Kenia. Dort haben mehrere Teehandelsunternehmen im Jahr 2005 Erntemaschinen eingeführt, durch die in kurzer Zeit sehr viel mehr Teeblätter gepflückt werden können als bei der traditionellen Handarbeit. Mit den Gewerkschaften war damals vereinbart worden, daß alle zwei Jahre der maschinelle Nutzungsgrad neu verhandelt wird. Die letzte Abmachung ist verstrichen. [1]

Am Montag sind Tausende Plantagenarbeiter im kenianischen Rift Valley in den Streik getreten, weil die Unternehmen als Folge der Maschinisierung einen massiven Stellenabbau betreiben. Nach Angaben der Gewerkschaft KPAWU (Kenya Plantation and Agricultural Workers Union) haben Firmen wie Unilever Tea, James Finlay, George Williamson und Sotik Tea rund 10.000 Stellen eingespart, weil nun Erntemaschinen die menschliche Arbeit verrichten. [2]

Die Gewerkschaft der Plantagenarbeiter beschuldigt die Unternehmen, sie hätten ihre Zusage nicht eingehalten, die Pflückmaschinen nur auf experimenteller Basis für drei Prozent der Ernte einsetzen zu wollen. Außerdem warnen die Gewerkschafter, daß die Unternehmen keine Streikbrecher - die offenbar bereits am Dienstag angeworben worden waren - einsetzen sollten, ansonsten würde das zur Konfrontation mit 80.000 streikenden Arbeitern führen.

Die Teehandelsgesellschaften wiederum argumentieren, daß die Maschinen wirtschaftlicher sind und man endlich die Kosten wieder hereinholt, so daß Tausende von Arbeitern wieder eingestellt werden könnten. An solche Verheißungen glauben die Arbeiter nicht. Auch haben sie sich nicht von dem Urteil des Obersten Gerichts Kenias vom vergangenen Freitag beeindrucken lassen, das den Streik für illegal erklärt hatte. [3]

Dabei werden die Streikenden vom Generalsekretär der Dachgewerkschaft Central Organisation of Trade Unions (Cotu), Francis Atwoli, und seinem Stellvertreter Henry Omasire unterstützt. Die neue Verfassung gestatte Arbeiter zu demonstrieren, wenn ihre Rechte beschnitten würden, so Omasire. An dem Streik sei nichts falsch.

Tee ist nach Blumen der wichtigste Exportschlager Kenias, das weltweit am meisten schwarzen Tee produziert. Abgesehen von der Plantagenarbeit wird ein beträchtlicher Teil der Ernte - etwas 60 Prozent - von 500.000 Kleinbauern eingebracht. Im vergangenen Jahr hat Kenia 315 Millionen Kilogramm Tee produziert, in diesem Jahr wird mit einer Steigerung von 15 Prozent gerechnet. [4]

Offiziell hat Kenia eine Arbeitslosenquote von 40 bis 45 Prozent. Der Druck auf diejenigen, die bezahlter Arbeit nachgehen, ist dementsprechend hoch. Da muß sich schon einiger Zorn anstauen, bis Plantagenarbeiter in den Streik treten. Grundsätzlich haben sie nichts gegen Erntemaschinen, doch wollen sie deren Zahl begrenzt halten, weil ansonsten noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen.

Herrschte dagegen in Kenia eine Gesellschaft, in der Arbeit und Einkommen weitreichender verteilt würden, dann wäre Arbeitslosigkeit automatisch nicht mit Armut und Hunger gleichzusetzen; dann würden die Plantagenarbeiter womöglich auch nicht dafür streiken, daß die Pflückmaschinen weniger eingesetzt werden. Denn ein Arbeitsplatz, an dem den ganzen Tag über Teeblätter gepflückt werden, wirkt erst dadurch attraktiv, daß die Alternative wahrscheinlich auf Arbeitslosigkeit und damit eine existentielle Bedrohung hinausläuft.

Die Erntemaschinen sind nicht nur Ausdruck des technologischen Fortschritts, sondern eben auch des Fortschritts bei der Zurichtung der Menschen zum Zwecke ihrer Ausbeutung. Dabei geraten Kenias Teepflückerinnen und -pflücker aus zwei Richtungen unter Druck: Sie müssen mehr leisten. Durch die Maschinisierung wird nicht ihnen die Arbeit abgenommen, sondern allein dem Unternehmer, dessen Lohnkosten sinken. Zudem steht ein Heer von zuvor Entlassenen bereit, um an die Stelle der Arbeitenden zu treten, sollten diese krank oder zu alt werden oder aus anderen Gründen nicht mehr die geforderte Leistung bringen.


*


Anmerkungen:

[1] "Kenya: Union Warns Tea Firms Not to Replace Striking Workers", Business Daily (Nairobi), 20. Oktober 2010
http://allafrica.com/stories/201010200487.html

[2] "Kenya: Workers Strike Over Use of Tea Plucking Machines", Business Daily (Nairobi), 19. Oktober 2010
http://allafrica.com/stories/201010190683.html

[3] "Kenya: Tea Pickers Defy Court Order to Call Off Strike", The Nation (Nairobi), 18. Oktober 2010
http://allafrica.com/stories/201010181754.html

[4] "Kenya: Producers Set for Profits as Tea Hits Five-Year Peak", Business Daily (Nairobi), 18. Oktober 2010
http://allafrica.com/stories/201010180141.html

20. Oktober 2010