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AFRIKA/2028: Libyen-Krieg - Neokolonialisten weisen Einspruch der Afrikanischen Union zurück (SB)


Kriegsmaschinerie westlicher Metropolen verwüstet Libyen

Sämtliche Versuche der Afrikanischen Union, eine friedliche Lösung des Bürgerkriegs herbeizuführen, in den Wind geschlagen


Europa will Afrika auf Augenhöhe begegnen, lautet eine bei hiesigen politischen Analysten beliebte Aussage. [1] Ähnliches ist auch auf den jährlichen EU-Afrika-Gipfeln zu vernehmen: Afrika müsse ernstgenommen und die Afrikanische Union (AU), jenes im Aufbau begriffene Pendant zur Europäischen Union, unterstützt werden. Wohlfeile Worte, oftmals mit einem paternalistischen Unterton vorgebracht, dessen Absichten nun offenbar werden: Die Afrikanische Union zählt nichts! Sie hat keinerlei Bedeutung, wenn es den Europäern und Amerikanern darum geht, ihre Hegemonialinteressen auf dem afrikanischen Kontinent durchzusetzen.

Aktuelles Beispiel: Der Krieg in Libyen. Vergeblich hat die AU versucht, das Heft der Entscheidungsfindung in die Hand zu bekommen, oder zumindest besänftigenden Einfluß auf die bellizistischen Ambitionen des Westens zu nehmen. Bis kurz vor Kriegsbeginn versuchte die AU, eine hochrangige Delegation nach Tripolis zu entsenden, um im Streit zwischen der Gaddafi-Regierung und den Aufständischen aus dem Osten des Landes zu vermitteln. Die Einreise wurde den AU-Gesandten nicht gestattet! Auf Augenhöhe der afrikanischen Delegierten befindet sich der Stiefelabsatz der westlichen Bellizisten, die solche Friedensbemühungen in den Dreck treten.

Bereits am 10. März hatte die Afrikanische Union auf einer Tagung ihres Friedens- und Sicherheitsrats (AU Peace and Security Council - PSC) ein "High-Level ad hoc Committee on Libya" ins Leben gerufen. Mitglieder des ad-hoc-Komitees zu Libyen sind die Staatspräsidenten der DR Kongo, Malis, Mauretaniens, Südafrikas und Ugandas. Am selben Tag verurteilte der PSC "den wahllosen Einsatz von Gewalt und tödlichen Waffen, von welcher Seite auch immer". [2] Die AU wollte den Versuch unternehmen, einen Dialog zwischen den libyschen Parteien anzustrengen, um geeignete Reformen auf die Bahn zu bringen.

Noch am Samstag, dem Beginn des Luftangriffs der westlichen Koalitionäre, traf sich der AU-Friedens- und Sicherheitsrat in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott. [3] Erneut wurde die Notwendigkeit des Dialogs betont. An jenem Tag gab das französische Militär eine in Stahl gegossene Stellungnahme zu den afrikanischen Friedensbemühungen ab, indem es die erste Angriffswelle gegen das nordafrikanische Land eröffnete.

In der Tage zuvor geführten Debatte um die Verabschiedung der UN-Resolution 1973 (2011) hatte der südafrikanische UN-Botschafter Baso Sangqu seine Sorge über den "Bürgerkrieg" (!) in Libyen zum Ausdruck gebracht. [4] Angesichts der Luftangriffe westlicher Regierungen war seine Sorge so begründet, wie seine Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts vergeblich war. Ebenfalls hat es nichts genutzt, daß Südafrika ausdrücklich die Entsendung einer AU-Mission nach Libyen unterstützte. In der Resolution selbst wird sogar das am 10. März in Nouakchott vom PSC verfaßte Kommuniqué erwähnt [5] und die Notwendigkeit zur Entsendung einer AU-Delegation nach Libyen betont. [6]

Am Tag des Angriffs verlangte der PSC den "sofortigen Stopp" der Luftangriffe und sprach sich gegen "jede Form der Intervention ausländischen Militärs" in Libyen aus. [7]

All das war in den Wind gesprochen. Alle Bemühungen vergebens. Die AU-Delegation wurde nicht mehr nach Libyen gelassen, die Kriegsmaschinerie nahm ihren Lauf. Afrika wird von den militärisch ungleich höher gerüsteten Staaten des Westens keine Stimme am Tisch der globalpolitischen Entscheidungen zugestanden. (Dem widerspricht nicht, daß auch die Sicherheitsratsmitglieder Südafrika und Nigeria ihr Ja zu der Resolution gaben. Wer weiß, ob sie sich genauso entschieden hätten, wenn man ihnen ein Veto-Recht eingeräumt hätte.)

Wie vorausschauend doch vor einigen Jahren selbst treue Verbündete der USA waren, als sie dem Drängen und Werben der US-Führung nicht nachgaben und ihr Land nicht als Territorium für African Command - kurz: Africom -, dem für ganz Afrika mit Ausnahme Ägyptens zuständigen Kommando des Pentagons, zur Verfügung stellten. Das Mißtrauen gegenüber der US-Regierung unter Präsident George W. Bush jr. war allzu berechtigt, denn bislang wird der Angriff auf Libyen ausgerechnet von jenem, bislang in Stuttgart ansässigen Africom geleitet ... soviel zur Aufrichtigkeit der kreidefressenden US-Militärs, die auf der Suche nach einem Standort für Africom unermüdlich von Land zu Land tourten und ihren jeweiligen Gastgebern die Wahl durch Behauptungen schmackhaft zu machen versuchte, das Kommando sei nur dazu da, Brunnen zu bohren und Dorfschulen einzurichten.

Die Zurückweisung der Afrikanischen Union und der Angriff auf Libyen erhält durch den wenig verbreiteten Umstand eine besondere Note, daß es ausgerechnet Col. Muamar al-Gaddafi war, der die Gründung der AU voranbrachte und dafür beträchtliche Finanzmittel einsetzte. Allerdings "dankten" es ihm die afrikanischen Länder, indem sie im Jahr 2002 auf Druck des Westens nicht ihn, sondern den neoliberalen Südafrikaner Thabo Mbeki zum ersten Präsidenten der Afrikanischen Union wählten.

Trotz der Vorbehalte hat Gaddafi durchaus viele Anhänger innerhalb der afrikanischen Länder. Aber was interessieren den Westen solche Zusammenhänge? Mit der Ablösung der OAU (Organisation für Afrikanische Einheit) durch die AU hat Gaddafi dem transatlantischen Neokolonialismus sogar einen Gefallen getan, denn die OAU hielt die Fahne des Nichteinmischungsgebots noch höher als die AU, die sogar eine eigene Eingreiftruppe aufbaut.

Die Zurückweisung der Afrikanischen Union durch die westliche Koalition, die jetzt Angriffe auf Libyen fliegt, könnte zur Folge haben, daß sich die Afrikaner noch mehr einem Land zuwenden, das bislang nicht durch militärische Interventionen auf anderen Kontinenten auffällig geworden ist: China.


*


Anmerkungen:

[1] http://www.das-parlament.de/2011/10-11/Themenausgabe/33656335.html

[2] "'Alle Optionen' - Intervention einbegriffen", unsere zeit, 18. März 2011, S. 10.

[3] http://au.int/en/dp/ps/sites/default/files/COMMUNIQUE_EN_19_MARCH_2011_PSD_MEETING_AU_HIGH_LEVEL_AD_HOC_COMMITTEE_LIBYA_NOUAKCHOTT_ISLAMIC_REPUBLIC_MAURITANIA.pdf

[4] "Security Council Approves 'No-Fly Zone' over Libya, Authorizing 'All Necessary Measures' to Protect Civilians", Security Council SC/10200 Department of Public Information, News and Media Division, New York, 17. März 2011
http://www.un.org/News/Press/docs/2011/sc10200.doc.htm

[5] "Taking note of the final communiqué of the Organization of the Islamic Conference of 8 March 2011, and the communiqué of the Peace and Security Council of the African Union of 10 March 2011 which established an ad hoc High-Level Committee on Libya". http://www.un.org/News/Press/docs/2011/sc10200.doc.htm

[6] "Acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations.

"1. Demands the immediate establishment of a ceasefire and a complete end to violence and all attacks against, and abuses of, civilians;

"2. Stresses the need to intensify efforts to find a solution to the crisis which responds to the legitimate demands of the Libyan people and notes the decisions of the Secretary-General to send his Special Envoy to Libya and of the Peace and Security Council of the African Union to send its ad hoc High-Level Committee to Libya with the aim of facilitating dialogue to lead to the political reforms necessary to find a peaceful and sustainable solution;" http://www.un.org/News/Press/docs/2011/sc10200.doc.htm

[7] "African Union Demands End to Military Strikes On Libya, Skips Paris Meeting", Sudan Tribune (Paris), 19. März 2011
http://allafrica.com/stories/201103200009.html

22. März 2011