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AFRIKA/2047: Verstärkt Klimawandel die Ausbreitung des Kassawa-Virus CBSD? (SB)


FAO warnt vor drohender Epidemie eines Pflanzenpathogens

Grundnahrungsmittel Kassawa für viele Millionen Einwohner Ostafrikas gefährdet


In Ostafrika breitet sich unter den Kassawa-Pflanzen eine Viruskrankheit aus, die beträchtliche Ernteverluste auslöst und sich zu einer Epidemie weiterentwickeln könnte. Davor warnte diese Woche Mittwoch die FAO (Food and Agriculture Organization) der Vereinten Nationen. [1]

Durch den Befall mit der von Viren übertragenen Cassava Brown Streak Disease (CBSD) ist insbesondere das Gebiet der Großen Seen mit den Ländern Ruanda, Uganda, Burundi sowie DR Kongo und Tansania betroffen. Die FAO hat einen dringenden Appell ausgesprochen, mehr Geld in die Erforschung des Virus, die Überwachung der Anbaufläche und Ausbildung der Bauern, damit sie Schutzmaßnahmen gegen die Virusverbreitung einhalten, zu investieren. Die Pflanzenkrankheit CBSD tritt zusätzlich zum weit verbreiteten Befall von Kassawa mit dem Mosaikvirus Cassava Mosaic Disease (CMD) auf und hat ihn hinsichtlich des angerichteten Schadens abgelöst.

Die ostafrikanische Bevölkerung bestreitet rund 30 Prozent ihrer täglichen Kalorienzufuhr über Kassawa, in Uganda ist die Knolle sogar für 80 Prozent der Bevölkerung das Hauptnahrungsmittel. Bei einer Infektionsrate von 85 Prozent im Jahr 2008 läßt sich ahnen, wie folgenschwer die Verluste in diesem Land wiegen. [2] In ganz Ostafrika ist sowohl die Ernährungs- als auch ökonomische Grundlage von 200 Millionen Menschen in Ostafrika durch das Virus gefährdet. [3]

Die Forschungsorganisation Consultative Group in International Agricultural Research schätzt, daß CBSD einen Schaden in Höhe von über 100 Millionen US-Dollar im Jahr 2003 verursacht hat. In Ostafrika werden pro Jahr über 30 Millionen Tonnen Kassawa produziert. Die Knolle ist vergleichsweise genügsam, sie wächst auch in nährstoffarmen und wenig feuchten Böden. Sie kann zwei Jahre im Boden bleiben und ist aus diesen Gründen besonders für Subsistenzbauern gut geeignet. Kassawa wird aber auch industriell angebaut, beispielsweise für die Stärkeproduktion.

Wissenschaftler vermuten, daß der Klimawandel generell die Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten verstärken wird. Das könnte bereits in diesem speziellen Fall für CBSD zutreffen, wenngleich die Experten dazu noch keine gesicherten Erkenntnisse haben. Sie forschen daran. Trat die Viruskrankheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts hauptsächlich in ostafrikanischen Küstenregionen endemisch auf, was dort keine größeren Verluste nach sich zog, wanderte sie vor einigen Jahren nach Zentral- und Südwestuganda, Westkenia und in den Nordwesten sowohl Tansanias als auch der DR Kongo. Außerdem wird das Pflanzenpathogen in immer größere Höhen angetroffen. Die tendenzielle Erwärmung Ostafrikas in den zurückliegenden Jahren könnte also die Ausbreitung des Virus beschleunigt haben.

Doch das Virus selbst wandert nicht, sondern der Träger, die Weiße Fliege. Bemisia tabaci, eine Variante dieser Mottenschildlaus, die sich von Pflanzensaft ernährt, gedeiht optimal bei Temperaturen zwischen 27 und 30 Grad Celsius. Eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur, wie sie tatsächlich für Teile Ostafrikas in den letzten Jahren registriert wurde, könnte also die Vermehrung und Verbreitung dieses Pflanzenschädlings begünstigen.

Ein Befall der Kassawa ist nicht immer an den vergilbten Blättern zu erkennen. Je nach Region kann die ganze Knolle Schaden erleiden oder nur die Knollenspitze. Es gibt zwar Kassawa-Arten, die tolerant gegenüber CBSD sind, aber regelrecht resistente Arten wurden bislang noch nicht entdeckt. Auch an der Resistenzentwicklung wird noch geforscht. Bis dahin wird versucht, anfällige Arten zumindest durch tolerante Arten zu ersetzen. Durch bestimmte Handhabungen der landwirtschaftlichen Werkzeuge - insbesondere gründliches Reinigen - und im hygienischen Umgang mit der Knolle, dem Stengel und den Blättern kann zumindest eine allzu rasche Verbreitung des Virus verhindert werden, aber vollständig aufhalten läßt es sich dadurch nicht.

In vergangenen Jahr hat das National Agricultural Research Institute Ruandas eine Untersuchung durchgeführt und dabei festgestellt, daß 15,7 Prozent der lokalen Kassawa-Arten und sogar 36,9 Prozent der verbesserten Arten von der Infektion befallen sind. [4]

Keine der Kassawa-Varianten, die zur Zeit an die Bauern ausgegeben werden, scheint tolerant gegenüber CBSD zu sein, berichtete Jan Helsen, Leiter der von der Europäischen Union finanzierten Regional Cassava Initiative in Eastern and Central Africa der FAO. Es sei dringend erforderlich, mehr über die Ausbreitung und Schwere des Ausbruchs zu erfahren, tolerante Pflanzenarten zu identifizieren und landwirtschaftliche Strategien im Umgang mit der Pflanze zu entwickeln. Dazu habe das International Institute of Tropical Agriculture (IITA) schon gute Vorarbeit geleistet.

Das Hauptproblem bei der Identifizierung der Krankheit hat damit zu tun, daß zwar die Blätter normal aussehen, aber dennoch die Knollenspitze befallen sein kann und die Bauern das natürlich erst sehen, wenn sie die Kassawa ausgegraben haben. Das aber ist bereits der Zeitpunkt, an dem die Knolle verbraucht oder verkauft werden soll. Also kommt es vor, daß ein Bauer erst zum Zeitpunkt der Ernte mitbekommt, daß er und seine Familie eine geringere oder gar keine Ernte einfahren und vor dem Ruin stehen.

Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte rechnen Klimaforscher damit, daß sich Afrika weiter erwärmt und sich die Klimazonen verschieben. In manchen Studien wird sogar von der Entstehung gänzlich neuer Klimazonen ausgegangen. In dem Zusammenhang wird von zwei Trends gesprochen. Erstens: Eine Reihe von Pflanzenarten wird das Tempo, mit dem sich das Klima ändert, nicht mitmachen und verschwinden. Zweitens: Pflanzenpathogene nehmen zu. Beide Entwicklungen verschärfen den sowieso schon schwerwiegenden Nahrungsmangel unter den Menschen Afrikas.

Der Alarmruf der FAO wegen des Befalls von Kassawa mit der Viruskrankheit CBSD und der Warnung, daß die Ausbreitung an der Schwelle zur Epidemie steht, erfolgt durchaus passend zur UN-Klimakonferenz Ende November, Anfang Dezember in Durban, Südafrika. Dort treffen sich führende Vertreter der UN-Mitgliedsstaaten, um über eine Nachfolgeprogramm zum Kyoto-Protokoll, das am 31. Dezember 2012 ausläuft, zu beraten. Die Gefährdung der Ernährungsgrundlage von Hunderten Millionen Bewohnern der Erde als Folge des Klimawandels wird zwar eines der Schwerpunktthemen der Verhandlungen, aber zurückliegende Konferenzen dieser Art haben gezeigt, daß auf ihnen nicht nur viel über heiße Luft diskutiert, sondern selbige auch produziert wird ...



Anmerkungen:

[1] "Cassava virus on verge of epidemic in East Africa", FAO, 16, November 2011
http://www.fao.org/news/story/en/item/94313/icode/

[2] "East Africa: New Cassava Disease Threatens East Africa", Daily Trust, 16. November 2011
http://allafrica.com/stories/201111170130.html

[3] "Rescue Cassava from being destroyed by a 'new disease'", Association for Strengthening Agricultural Research in East and Central Africa (ASARECA), aus dem Internet abgerufen am 17. November 2011
http://www.asareca.org/resources/reports/ASAR_articleCBSD.pdf

[4] "East Africa: Urgent Action Needed to Stem Cassava Virus Threatening Region - UN Agency", 16. November 2011
http://allafrica.com/stories/201111161079.html

17. November 2010