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AFRIKA/2197: Waldschutz - Teufelshandel ... (SB)



Gabun erhält von Norwegen Geld dafür, daß es seinen tropischen Regenwald nicht abholzt und dadurch Treibhausgasemissionen vermeidet. Vor einigen Jahren waren Menschen in diesem zentralafrikanischen Land aus den Wäldern vertrieben worden, die vom Staat zu Naturschutzgebieten erklärt worden waren. Auch im aktuellen Fall ist davon auszugehen, daß die aus Klimaschutzgründen unangetastet bleibenden Waldflächen bis dahin von der örtlichen Bevölkerung auf vielfältige Weise genutzt werden. Das heißt, in Afrika verlieren Menschen ihre Lebensgrundlage, weil Norwegen über seine Verhältnisse lebt und seine CO₂-Emissionen kompensieren muß.

Im Vorfeld des UN-Klimagipfel im September in New York sagte der gabunische Forstwirtschaftsminister Lee White gegenüber AFP, daß sein Land für jede Tonne Kohlenstoff, die es im Verhältnis zum Jahresdurchschnitt von 2005 bis 2014 nicht emittiert, zehn US-Dollar erhält. Die Obergrenze der Gesamtsumme liege bei 150 Mio. Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die Abmachung wurde nicht mit Norwegen direkt, sondern mit der Central African Forest Initiative (CAFI) abgeschlossen. Sie war 2015 von den Vereinten Nationen gegründet worden und dient als Schnittstelle zwischen europäischen Geldgebern und afrikanischen Ländern.

Als Beispiele dafür, wie eine verbesserte Forstwirtschaft aussehen könnte, sagte White, daß die forstwirtschaftlichen Schneisen nicht mehr so breit angelegt, die Bäume nur noch schonend für den übrigen Bestand gefällt und die Fällzyklen verlängert werden könnten. [1] Der langjährige örtliche Leiter der Wildlife Conservation Society und später zum Leiter der Nationalparks ernannte, britisch-gabunische Biologe war im Juni dieses Jahres zum Minister für Wald, Meer, Umwelt und Klimawandel ernannt worden, nachdem Präsident Ali Bongo seinen Vizepräsidenten Pierre Claver Maganga Moussavou und den Forst- und Umweltminister Guy Bertrand Mapangou wegen Korruptionsverdacht entlassen hatte.

Die beiden sind anscheinend in einen Skandal verwickelt, bei dem im Februar und März dieses Jahres im Hafen von Owendo auf dem Gelände chinesischer Unternehmen mehr als 350 exportfertige Container mit dem Holz des Kevazingo-Baums entdeckt worden waren. Gabun hatte 2010 ein Exportverbot unter anderem für dieses Holz verhängt. Die Bäume gelten als heilig. Sie brauchen 500 Jahre, um ihre volle Höhe von 40 Metern zu erreichen. Das wertvolle Rosenholz ist besonders in China beliebt.

Die Container waren falsch gekennzeichnet worden und trugen das Label des Forstministeriums. Zwischenzeitlich waren die bereits beschlagnahmten Container verschwunden, bis heute wurden 200 von ihnen wieder aufgespürt, berichtete die Organisation REDD-Monitor. [2]

Gabun zählt zu den reicheren Ländern des Kontinents. Es exportiert vor allem Erdöl, Palmöl, Tropenholz und Mangan. Seit 1967 hat das Land nur zwei Präsidenten erlebt, Omar Bongo und seit 2009 dessen Sohn Ali Bongo. Gabun ist 26,7 Millionen Hektar groß und zu 88 Prozent bewaldet. Seine Entwaldungsrate liegt laut White bei 0,001 Prozent. Seit 2002 hat es dreizehn Nationalparks (von zusammen ca. 3 Mio. Hektar) ausgewiesen. Auf Gabun entfallen zwölf Prozent der Waldfläche des gesamten Kongobeckens. Darin leben allerdings fast 60 Prozent der gefährdeten Waldelefanten. Darin sieht die CAFI ein Indiz für gelungenen Naturschutz und nachhaltige Waldbewirtschaftung. [3]

Wenn aber in einem Land, das zu den reichsten des Kontinents gehört, mehr als 80 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben und ein Drittel sogar als extrem arm gilt, die Hoffnung verbreitet wird, daß die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zum Nutzen der gabunischen Bevölkerung ist, weil dadurch der Lebensstandard angehoben und neue Jobs geschaffen werden, dann ist das entweder naiv oder zynisch. Die Gabunesen haben keinen Anlaß zu glauben, daß sich ihre Lebensverhältnisse automatisch verbessern, nur weil die Forstwirtschaft Nachhaltigkeitskriterien erfüllt und kaum mehr Bäume abgeholzt werden als nachwachsen. Im Gegenteil, Gabun wäre eher ein Beispiel dafür, wie Naturschutz die Armut sogar noch verschärft. Die Organisation "Fern" schreibt in einem Bericht für das Europaparlament:

"Es ist schwer zu behaupten, daß die heutigen Gesetze für Landfragen und verwandte Bereiche in Gabun solide, fair und nachhaltig sind. Für die Mehrheit der Bevölkerung existiert einfach keine Sicherheit des Besitzstands oder auch nur die Hoffnung auf die Sicherheit echten Besitzstands anstatt des Gewohnheitsrechts." [4]

Das hat gravierende Konsequenzen. Das meiste Land ist im staatlichen Besitz, und der Staat kann entscheiden, was damit geschieht - ungeachtet dessen, daß die Verfassung ihm gewisse Schranken auferlegt. So wurden im März dieses Jahres die Bewohnerinnen und Bewohner der Ekurhuleni-Siedlung ohne Vorwarnung von der Polizei vertrieben, anschließend wurden ihre Häuser zerstört. Eigentlich gestatte die gabunische Verfassung solche Vertreibungen nicht; niemand dürfe ohne Gerichtsbeschluß oder ohne die gesamten Umstände abzuwägen, vertrieben werden, schreibt "Fern'' unter Berufung auf ein Verfassungsgerichtsurteil von 2010, den sogenannten Modderklip-Fall. Die Polizei behauptet, sie habe die Menschen vorher informiert, was diese jedoch bestreiten. [5]

Daniel Brockington und James Igoe haben 2006 einen "globalen Überblick" über die "Vertreibung für Naturschutz" veröffentlicht. Darin gehen sie nicht nur auf die verbreitete staatliche Ignoranz gegenüber den Gewohnheitsrechten der lokalen Bevölkerung ein, sondern erwähnen auch die Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen. Diese spielten eine "aktive Rolle" bei der Ausweisung großer Schutzgebiete, aus denen im Anschluß die örtliche Bevölkerung vertrieben werde. Namentlich erwähnt wird in diesem Zusammenhang unter anderem die Wildlife Conservation Society, deren Leiter heute Forstwirtschaftsminister Gabuns ist. Die britische Naturschutzorganisation behaupte, daß die ausgewiesenen Naturschutzgebiete von Gabun "Wildnis" sind, unterschlage aber, daß diese Heimat von "Tausenden" ist, schrieben die beiden Autoren unter Berufung auf mehrere Quellen. [6]

"Fern" berichtet von rund 15.000 Menschen, die im Jahr 2005 in Gabun von der Ausweisung von Nationalparks betroffen waren. Indem Norwegen ein afrikanisches Land dafür bezahlt, daß es seinen Wald nachhaltig bewirtschaftet, verschafft sich der europäische Erdölexporteur ein grünes Mäntelchen. Die Regierung Gabuns wiederum, die die CO₂-Abgase der Norweger aus dem Endlager namens Atmosphäre herausholt, kann sich als Vorbild in Sachen Klimaschutz aufspielen. Man hat es hier also mit einer echten Win-win-Situation zu tun ... und vielen, vielen Verlierern, über die schon gar nicht mehr berichtet wird. So begrüßenswert es auch erscheinen mag, wenn tropischer Regenwald nicht abgeholzt wird, solange beim Klimaschutz Fragen des sozialen Unterschieds und des Eigentums ausgespart werden, unterscheidet sich der grüne Kapitalismus nicht von seinem Vorgänger, dem fossilen Kapitalismus.


Fußnoten:

[1] http://www.terradaily.com/reports/Gabon_minister_hails_countrys_responsiblity_after_historic_forest_deal_999.html

[2] https://redd-monitor.org/2019/09/24/gabon-signs-us150-million-redd-deal-with-norway-shhh-dont-mention-corruption/

[3] https://www.cafi.org/content/cafi/en/home/all-news/gabon--first-in-africa-to-receiving-payments-for-preserved-rainf.html

[4] https://europa.eu/capacity4dev/file/11280/download?token=_mXcLQxd

[5] https://www.newframe.com/no-respite-shack-dwellers-gabon/

[6] https://www.researchgate.net/publication/42763474_Eviction_for_Conservation_A_Global_Overview/link/5750e23c08ae1c34b39ca0d7/download

1. Oktober 2019


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