Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


AFRIKA/2201: Wasserstreit - jeder ist Partei ... (SB)



Im Streit um das Wasser des Nils haben sich Ägypten, Äthiopien und Sudan trotz längerer Verhandlungen bislang nicht einigen können. Äthiopien errichtet einen riesigen Damm und will den Stausee innerhalb weniger Jahre füllen; Ägypten argumentiert, daß ihm dadurch das Wasser abgegraben würde, und verlangt eine langsamere Füllgeschwindigkeit.

Nach neun Jahren Verhandlungen und jüngst zwei technischen Sitzungsrunden in Khartum und Addis Abeba wollen die Streitparteien von heute an bis zum 15. Januar in Washington unter Beteiligung des US-Finanzministeriums und der Weltbank eine Abschlußvereinbarung unterzeichnen. Obgleich der US-Regierung nur die Rolle als Beobachterin zukommt, steht für sie durchaus einiges auf dem Spiel, denn sie will sich als diplomatische Vermittlerin positionieren und den Einfluß insbesondere Chinas in Afrika zurückdrängen.

Bei einem Scheitern der Gespräche würde allerdings die Schuld nicht den USA zugeschoben, liegen doch die Positionen zwischen den Staaten, hier insbesondere zwischen Äthiopien und Ägypten, so weit auseinander, daß kein Konsens möglich erscheint - es sei denn, die Weltbank oder die US-Regierung machen finanzielle Zusagen zur Besänftigung jener Seite, die sich durch den "Deal" besonders benachteiligt fühlen könnte.

Der Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) am Blauen Nil wird der größte Staudamm Afrikas. 2022, nach elf Jahren Bauzeit, soll die 1,8 Kilometer lange und 145 Meter hohe Talsperre fertiggestellt sein. Die 16 Turbinen haben eine installierte Leistung von zusammen 6000 MW, was sechs mittleren Kernkraftwerken entspricht. Ob die Turbinen jemals voll ausgelastet sein werden, hängt davon ab, ob die Monsunregenfälle in Zukunft anhalten oder sogar noch zunehmen werden.

Äthiopien will mit GERD den Strombedarf seiner schnell wachsenden Bevölkerung und Wirtschaft decken. Ägypten hingegen beruft sich mit seinen Ansprüchen einerseits auf Verträge, die auf die britische Kolonialzeit zurückgehen, als das Land am Unterlauf des Nils für das British Empire von größerem Interesse war als die Länder am Oberlauf. Andererseits ist der Nil die einzige Lebensader Ägyptens. Ein zu stark sinkender Wasserstand des Stroms könnte sich auf die Landwirtschaft, Trinkwassergewinnung, Energieversorgung und den Schiffsverkehr verheerend auswirken. Auch wächst die Gefahr und die Geschwindigkeit der Salzwasserintrusion vom Mittelmeer in das Mündungsgebiet des Nils, sobald dessen Wasserdruck nachläßt. Der Blaue Nil liefert 60 bis 85 Prozent des Nilwassers, der Rest trägt unter anderem der Weiße Nil ein.

Es gibt eine Reihe von Punkten, in denen sich die Streitparteien nicht einigen können. Die größte Diskrepanz besteht darin, daß Äthiopien das Staubecken innerhalb von fünf bis sieben Jahren auffüllen will, wohingegen Ägypten einen Zeitraum von zwölf bis 21 Jahren vorschlägt. Außerdem will Ägypten einen Mechanismus einrichten, wonach in Trockenzeiten mehr Wasser durch den Damm gelassen wird, damit der Pegelstand am südägyptischen Assuan-Staudamm nicht zu stark sinkt. Das wiederum lehnt Äthiopien ab.

Der Wasserstreit am Nil zählt vielleicht nicht zu den herausragenden Konfliktfeldern auf afrikanischem Boden, auf denen die US-Regierung auftritt, aber das Gewaltpotential der Auseinandersetzung ist groß. Sudan als dritte Partei einmal außen vorgelassen streiten hier die Nachfahren zwei der ältesten einstigen Hochkulturen Afrikas, die jeweils rund 100 Mio. Einwohner zählen, um das Lebenselexier Wasser. Weil die Verhandlungen zuletzt festgefahren waren, hat Äthiopien den designierten Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union, Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa, als Mediator vorgeschlagen. Sollte es am Mittwoch zu keiner Einigung kommen, ist geplant, daß die Verhandlungen auf höchster Staatsebene fortgesetzt werden.

Für Washington stellt sich die Lage so dar, daß es diplomatische Erfolge unter seiner Mitwirkung in Afrika gut gebrauchen könnte, geben doch die USA mit ihrem Kampf gegen Dschihadismus in der Sahelzone und in Somalia keine gute Figur ab. Auch ist die Lage in Libyen, das 2011 von der NATO bombardiert wurde, ein einziges Desaster, nachdem das Land unter Muammar al-Gaddafi mit die höchsten Sozialstandards des Kontinents hatte. Und Südsudan, der jüngste Staat Afrikas, der sich 2011 unter wesentlicher diplomatischer Einflußnahme der USA von Sudan abgespalten hat, war und ist bis heute ein Konfliktgebiet, in dem widerstreitende Interessen zum gewaltsamen Tod von Tausenden und der Flucht von 1,5 Millionen Menschen geführt haben.

Insofern wäre für die USA von Interesse, sollten die Verhandlungspartner am Mittwoch gemeinsam vor die Presse treten und eine Einigung in diesem schwer lösbaren Konflikt verkünden. Zugleich würden die USA damit unterstreichen, daß sie den Schwenk der äthiopischen Außenpolitik von China in Richtung USA unter dem 2018 gewählten Premierminister Abiy Ahmed Ali wirksam unterstützen.

13. Januar 2020


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang