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AFRIKA/1816: Ohrfeige für Ruandas Justiz - Auslieferungsgesuch abgelehnt (SB)


Londoner High Court stoppt Auslieferung von Genozidverdächtigen


Großbritannien wird nun doch nicht vier mutmaßliche Völkermörder an Ruanda ausliefern. Am heutigen Mittwoch entschied der High Court von London, daß die bereits von Innenministerin Jacqui Smith abgesegnete Auslieferung gestoppt wird, weil damit gerechnet werden müsse, daß den vier Personen kein faires Verfahren zuteil wird. Sie sitzen seit 2006 in Haft.

Smith hatte die Auslieferung des Arztes Vincent Bajinya, der einen britischen Paß hat und sich Brown nannte, Celestin Ugirashebuja, Emmanuel Nteziryayo und Charles Munyaneza an Ruanda stattgegeben, da Großbritannien zugesagt worden war, daß die vier, falls sie verurteilt werden, nicht die Todesstrafe erhalten. Den britischen Gesetzen zufolge darf niemand an ein Land ausgeliefert werden, in dem ihm die Todesstrafe droht. Dem Hohen Gerichtshof genügte diese Zusage nicht, da anzunehmen sei, so hieß es, daß die Zeugen der Verteidigung eingeschüchtert werden.

Großbritannien kann man nicht nachsagen, daß es der ruandischen Regierung gegenüber nicht wohlgesonnen sei. War es doch der britische Vertreter im UN-Sicherheitsrat, der 1994 während des hunderttägigen Völkermords, der am 6. April von dem Abschuß der Präsidenten von Ruanda und Burundi sowie des ruandischen Generalstabschefs ausgelöst wurde, ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft zur Beendigung der Massaker aus geostrategischen Gründen verhinderte.

Auch die USA unternahmen nichts bzw. umgekehrt alles, um das Wort Genozid nicht in den Mund zu nehmen, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Auch wenn es zynisch klingt: die Sache lief gut für die angloamerikanischen Kräfte. Vertreter der Volksgruppe der Hutu massakrierten systematisch Angehörige der Tutsi und alle, die diesen beistanden, nachdem die militanten Hutu mit einiger Berechtigung angenommen hatten, daß der Abschuß ihres Präsidenten Juvenal Habyarimana von den verhaßten, aber wie sie zum Friedensabkommen gezwungenen Milizen der RPF (Ruandische Patriotische Front) begangen wurde. Die RPF wurde und wird vom heutigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame angeführt.

Mit Kagames Herrschaft, ab 1994 zunächst Vizepräsident und Verteidigungsminister, ab 2000 Präsident des Landes der tausend Hügel, wurde Frankreichs zuvor großer Einfluß in Ruanda weitgehend zurückgedrängt. Die Lücke wurde vom angloamerikanischen Kultur- und Sprachraum sowie nicht zuletzt US-amerikanischen und britischen Unternehmen gefüllt.

Die britische Regierung ist Ruanda durchaus wohlgesonnen. Das bedeutet zwar nicht zwangsläufig, daß sich der High Court von politischen Vorgaben leiten läßt, aber es kann sehr wohl angenommen werden, daß die Bedenken des Londoner Gerichts hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit der ruandischen Justiz berechtigt sind.

Zumal auch das International Criminal Tribunal for Rwanda (ICTR) der Vereinten Nationen es ablehnt, die von ihm behandelten Fälle an Ruanda abzutreten. Und im Februar hat Finnland ein Auslieferungsgesuch der ruandischen Behörden abgewiesen und einen ehemaligen ruandischen Pastor nicht ausgeliefert, da befürchtet wurde, er erhielte in Ruanda kein faires Verfahren. Darüber hinaus haben ruandische Behörden Zeugen unter Druck gesetzt, damit sie vor dem ICTR Aussagen machen, durch die die Angeklagten belastet werden. Darüber ist es auch zu Verurteilungen gekommen, die nicht wieder rückgängig gemacht wurden.

Die Entscheidung des High Court von London ist eine schallende Ohrfeige für die ruandische Justiz, die sich rühmt, politisch unbeeinflußt zu sein und allein nach rechtsstaatlichen Prinzipien zu urteilen.

8. April 2009