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ASIEN/583: US-Drohnenangriffe sorgen für Verärgerung in Pakistan (SB)


US-Drohnenangriffe sorgen für Verärgerung in Pakistan

Umstrittene CIA-Operation geht vom pakistanischen Territorium aus


In Pakistan hat die Enthüllung, daß die US-Drohnenangriffe auf mutmaßliche Taliban und ihre Unterstützer in der Grenzregion zu Afghanistan von Basen auf pakistanischem Territorium aus geflogen werden, für eine heftige Kontroverse gesorgt. Presse und Opposition werfen den Behörden in Islamabad vor, sie jahrelang über das Ausmaß der Unterwerfung Pakistans unter die USA und die Erfordernisse ihres "globalen Antiterrorkriegs" belogen zu haben. Den meisten Pakistanern ist nicht einsichtig, warum die Streitkräfte ihres Landes auf Geheiß Washingtons gegen diejenigen paschtunischen Mitbürger, die ihre Stammesverwandten in Afghanistan im Kampf gegen die westliche Militärpräsenz unterstützen, vorgehen sollen. Die Kämpfe in der pakistanischen Grenzregion haben dort Chaos verursacht, Tausenden von Menschen - Soldaten, Milizionären und Zivilisten - das Leben gekostet und Zehntausende zu Kriegsflüchtlingen gemacht.

Das Bekanntwerden der Tatsache, daß mit Einverständnis Islamabads vom pakistanischen Boden aus diejenigen Drohnenangriffe geflogen werden, die in letzter Zeit zahlreiche Menschen getötet haben, hat der Glaubwürdigkeit der Regierung Pakistans schwer geschadet. Ihre Vertreter haben sich stets als die größten Kritiker dieser Praxis präsentiert sowie lautstark das Blutvergießen und die damit einhergehende Verletzung der pakistanischen Souveränität kritisiert. Doch wenn die Predator-Drohnen mit ihren Hellfire-Raketen von Basen in Pakistan aus starten - und das mit dem stillen Einverständnis Islamabads -, dann entpuppen sich solche Proteste als bloßes Theater. Kein Wunder, daß Pressekommentoren und einfache Bürger Pakistans, die sich bei Anrufsendungen im Radio und Fernsehen zu Wort gemeldet haben, ihrer Regierung Perfidie vorwerfen.

Entzündet hat sich die Kontroverse während des Besuches Richard Holbrookes, des Sondergesandten der neuen US-Regierung von Präsident Barack Obama, vor rund einer Woche in Pakistan. Seitens seiner Gastgeber bekam der erfahrene US-Diplomat viel Kritik an den Drohnenangriffen zu hören. Über die Proteste der Pakistaner gab sich am 12. Februar Dianne Feinstein bei einer Anhörung vor dem Geheimdienstausschuß des Senats, auf der Admiral Dennis Blair seine Eignung für den Posten des Nationalgeheimdienstdirektors (Director of National Intelligence - DNI) erläutern sollte, verwundert. Die kalifornische Politikerin, die im Ausschuß den Vorsitz innehat, wollte die Aufregung seitens der Pakistaner nicht verstehen, wo doch die Drohnenangriffe von Basen in deren eigenem Land aus geflogen würden.

Die Worte Feinsteins - ob un- oder sehr wohl überlegt, sei dahingestellt - schlugen in Pakistan wie die sprichwörtliche Bombe ein. Die Regierung in Islamabad ging - wie sollte es anders sein - in Deckung und ließ ein Dementi nach dem anderen verlauten. "Wir haben zwar Anlagen, von wo aus sie geflogen werden können, aber sie werden nicht vom pakistanischen Boden aus geflogen. Sie werden von Afghanistan aus geflogen. Ich weiß nicht, worauf sie [Feinstein] sich stützt", so die Aussage von Verteidigungsminister Ahmad Mukhtar. Die pakistanische Presse zeigte sich von den Beteuerungen wenig beeindruckt. In einem Leitartikel, der am 13. Februar in der Tageszeitung The News (Jang) erschienen ist, hieß es: "Offizielle Quellen haben jede Glaubwürdigkeit verloren. Schließlich hat man uns bei mehr als einer Gelegenheit offiziell mitgeteilt, daß keine Drohne ohne Kenntnisse des pakistanischen Militärs geflogen werde. Die Unverschämtheit, mit der die Regierung es vorgezogen hat, nicht nur das Volk, sondern auch das Parlament zu belügen, zeigt, wie sehr ihr beide gleichgültig sind."

Wie sehr die innenpolitische Lage der Regierung in Islamabad und die Befindlichkeiten der Pakistaner den USA gleichgültig sind, zeigt die Tatsache, daß die Kontroverse um Feinsteins Enthüllung in Bezug auf die Drohnenangriffe diesen in keiner Weise Abbruch tat. Das Gegenteil ist der Fall. Man setzte sogar nach. Waren bis dahin in diesem Jahr vier solche Operationen - zwei davon seit der Amtseinführung Obamas am 20. Januar - erfolgt, so kam es am 14. und am 16. Februar in den an Afghanistan angrenzenden Federally Administered Tribal Areas (FATA) zu den Angriffen fünf und sechs. Bei beiden - im ersten Fall auf drei Gehöfte in Südwasiristan und im zweiten auf ein mutmaßliches Ausbildungslager der Taliban in Kurram - kamen jeweils rund 30 Menschen ums Leben. Wie viele davon Militante und wie viele Zivilisten waren, ist unklar. Bisherigen Erfahrungswerten zufolge dürfte die Opferzahl bei letzteren überwiegen.

Seit diesen Angriffen hat die Presse die Richtigkeit der Aussage von Feinstein bestätigt und die Dementis aus Islamabad als Humbug entlarvt. Am 17. Februar berichtete die Times of London, die CIA benutze seit mindestens einem Jahr den Fliegerhorst Shamsi, der in der südwestpakistanischen Provinz Beluchistan rund 50 Kilometer von der afghanischen Grenze entfernt liegt, für Drohnenangriffe. Zum Beleg dieser Angabe führte die Times die "unerklärte" Lieferung von rund 3 Millionen Liter des Flugbenzins F34 von einer Raffinerie in Karatschi an. Ebenfalls am 17. Februar veröffentliche The News (Jang) ein Satellitenbild von Shamsi aus dem Jahr 2006, das man über Google Earth bekommen hat und auf dem laut Militärexperten drei Drohnen auf dem Flugplatz zu sehen sind.

Am 19. Februar berichtete die Nachrichtenredaktion des US-Fernsehsenders CBS aus Islamabad, NATO-Informanten dort hätten die Verwendung pakistanischer Flugbasen für die Drohnenangriffe bestätigt. In dem Bericht zitierte Farhan Bokhari, des Islamabad-Korrespondent von CBS News, einen in der pakistanischen Hauptstadt stationierten, nicht namentlich genannten NATO-Militär wie folgt: "Es gibt kein einziges Areal, das man benennen kann. Wir haben es mit verschiedenen Standorten sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan zu tun. Auch wenn der Stützpunkt Shamsi als Stationierungsplatz der Drohnen identifiziert wurde, ist es nicht der einzige Standort." Ergänzt wurde diese Aussage von der eines in Islamabad stationierten Diplomaten aus einem weiteren NATO-Mitgliedsland. Gegenüber dem CBS-Reporter Bokhari erklärte dieser ebenfalls anonym: "Es gibt nicht den einen Standort. Die Standorte wechseln ständig zwischen beiden Ländern. Aber ja, es werden von Standorten in beiden Ländern aus Drohnen geflogen."

Auch wenn alle diese Enthüllungen die Regierung Pakistans in Schwierigkeiten bringen, meint man in Islamabad offenbar wenig gegen die Drohnenangriffe der USA tun zu können. Während es in einem am 18. Februar erschienen Artikel des Wall Street Journal hieß, Islamabad unterstütze heimlich die Angriffe und protestiere dagegen, nur um die eigene Bevölkerung zu besänftigen, wurde im bereits erwähnten Bericht von CBS News ein pakistanischer Politiker, der seinen Namen nicht preisgeben wollte, dahingehend zitiert, daß man, weil das Land dermaßen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke, auf die finanzielle Hilfe der USA angewiesen sei und deshalb die umstrittene CIA-Praxis dulden müsse. An der Richtigkeit dieser Aussage müßte man seinen Zweifel haben, denn wie Shaukat Tarin, der Finanzberater von Premierminister Yousuf Raza Gilani, am 18. Februar auf einer Pressekonferenz in Islamabad beklagte, hat Pakistan seit Mai 2008 von den ihm für die Militäroperationen im Grenzgebiet von den USA zustehenden 1,35 Milliarden Dollar keinen einzigen Cent erhalten.

20. Februar 2009