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ASIEN/741: China über Japans neue Verteidigungsrichtlinie erzürnt (SB)


China über Japans neue Verteidigungsrichtlinie erzürnt

Sprengt die chinesische Marine die Containment-Strategie der USA?


Mehr als sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind die durch die japanische Besatzung weiter Teile Chinas aufgerissenen Wunden immer noch nicht geheilt. Japan und die Volksrepublik beäugen sich gegenseitig weiterhin mit Mißtrauen. Der rasante Aufstieg Chinas zum Supermachtstatus löst in Tokio Ängste vor einem Hegemonialstreben Pekings im asiatischen Raum aus. Die Chinesen fürchten sich ihrerseits vor den japanischen Rechten, welche die Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans unterstützen und mit Hilfe der USA die Volksrepublik militärisch einzudämmen versuchen. Dazu kommen Streitereien um die Aufteilung der unter dem Ostchinesischen Meer vermuteten Öl- und Gasreserven.

Das schwierige Verhältnis beider Staaten erklärt, warum in den letzten Tagen die Veröffentlichung des neuen Weißbuchs des japanischen Verteidigungsministeriums für Spannungen und diplomatisches Geplänkel zwischen Peking und Tokio gesorgt hat. In dem Weißbuch wird vor zunehmender Aktivität der chinesischen Marine in den Gewässern rund um Japan gewarnt. Die Warnung deckt sich mit den Ängsten der außenpolitischen Elite in Washington, mit dem Ausbau seiner Marine wolle China die USA aus Asien drängen oder zumindest der amerikanischen Marine ihre militärische Führungsrolle im westpazifischen Raum streitig machen. Demnächst soll der erste chinesische Flugzeugträger - ein umgerüstetes Schiff aus russischen Beständen - in Dienst gestellt werden.

In einer offiziellen Stellungnahme kritisierte Ma Zhaoxu, der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, das neue japanische Weißbuch wegen der "verantwortungslosen Bemerkungen", die es angeblich enthält. Unter Verweis auf den Zweiten Weltkrieg ermahnte Ma die Japaner dazu, keine Änderung an ihrer traditionell ausschließlich auf Selbstverteidigung gerichtete Militärdoktrin vorzunehmen und "mehr zum Ausbau des gegenseitigen Vertrauens" mit den Nachbarn zu unternehmen. Gang Yansheng, der Sprecher des Pekinger Verteidigungsministeriums, ging noch weiter und warf der derzeitigen japanischen Regierung von Premierminister Naoto Kan vor, die "chinesische Bedrohung" bewußt aufzubauschen, um an der Seite Washingtons eine aggressivere Außen- und Sicherheitspolitik betreiben zu können. In Tokio hat man sich die Vorwürfe aus Peking verbeten. In einer Stellungnahme des japanischen Verteidigungsministeriums hieß es schlicht: "Mit der Behauptung, das Weißbuch enthalte verantwortungslose Bemerkungen, liegt China falsch".

Mit einer Deeskalation der Spannungen zwischen China und Japan ist in nächster Zeit nicht zu rechnen. Zwar gibt es starke ökonomische Kräfte in Japan, die für eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Volksrepublik plädieren, doch die Militärs, die Rüstungslobby und die mächtige Yakuza halten an der Allianz mit den USA fest, die ihrerseits in China die größte Bedrohung der amerikanischen Führungsrolle in der internationalen Politik sehen. Für Washington ist der Ausbau der chinesischen Marine eine Herausforderung, vor der man zurückzuschrecken nicht gewillt ist. Bei den immer wieder auftretenden Streitereien zwischen Peking und Taipeh zum Beispiel lassen die USA regelmäßig alle Seiten wissen, wo der Hammer hängt, indem sie ihre Kriegsschiffe demonstrativ durch die nur 100 Seemeilen breite Taiwanstraße fahren lassen. An einem Verzicht auf solchen provokanten Aktionen denkt in Washington niemand. Aus Sicht der USA tragen sie zu "Frieden" und "Stabilität" bei. So sind blutige Konflikte im Gelben Meer, im Ostchinesischen Meer und im Südchinesischen Meer praktisch vorprogrammiert.

6. August 2011