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ASIEN/778: Skandal um Festnahme Imran Khans in Toronto (SB)


Skandal um Festnahme Imran Khans in Toronto

Pakistans populärster Politiker aus Sicht der USA ein "Terrorhelfer"



Nach den Flugzeuganschlägen von 11. September 2001 haben die USA eine gigantische Sicherheitsarchitektur installiert, die das Land vor weiteren "Terroranschlägen" schützen soll, und deren Übernahme den meisten anderen Staaten mehr oder weniger aufgezwungen wurde. Zu den auffälligsten Komponenten jener Architektur gehört die Militarisierung des zivilen Luftverkehrs durch schwerbewaffnete Polizisten sowie umfangreichen, von ihrer Effektivität her zweifelhaften Sicherheitsprozeduren an allen Flughäfen. Darum müssen Millionen Fluggäste tagaus, tagein auf dem Weg zum Boarding ihre Schuhe ausziehen, weil in den Absätzen Plastiksprengstoff versteckt sein könnte, und ihre Laptops aus dem Handgepäck herausnehmen, die extra per Röntgen-Scanner durchleuchtet werden. Auch dürfen sie keine Flüssigkeiten bei sich tragen, weil angeblich nach dem Start eine Bombe im Flugzeug konstruiert werden könnte.

Seit Jahren beschweren sich Flugreisende in den USA sowohl über das überzogene Abtasten ihres Körpers durch die Mitarbeiter der Transport Security Agency (TSA) als auch über die sogenannte undurchsichtige No-Fly-Liste, aufgrund derer zahlreiche Personen beim Einchecken am Flughafen leider feststellen mußten, daß sie von den amerikanischen Bundesbehörden als "Sicherheitsrisiko" eingestuft wurden und deshalb nicht fliegen dürfen. Auf der sogenannten No-Fly-Liste der TSA stehen nicht nur die Namen einschlägig bekannter Personen nahöstlicher Herkunft aus dem sunnitisch-dschihadisten Milieu, sondern auch die von Kriegsgegnern, kritischen Journalisten, "radikalen" Umweltschützern und Tierrechtsaktivisten.

Die frühen Warnungen seitens amerikanischer Bürgerrechtler, daß der ganze "Antiterrorkrieg" von Washington dazu benutzt werde, um politische Gegner zu drangsalieren, haben sich als richtig erwiesen. Nichts demonstriert dies besser, als die vorübergehende Festnahme des pakistanischen Politikers Imran Khan am 26. Oktober auf dem Flughafen von Toronto durch Angehörige der US-Einwanderungsbehörde. Die Cricket-Legende, der in seiner Eigenschaft als Kapitän die Mannschaft Pakistans 1992 zum Sieg bei der ersten Weltmeisterschaft dieser Sportart führte, gilt in seiner Heimat als politischer Hoffnungsträger. Der Gründer der Pakistan Tehrik-e-Insaf (PTI) - Pakistanischer Bewegung für Gerechtigkeit - geißelt seit Jahren die Korruption der bisher dominierenden Pakistan People's Party von Präsident Ali Asif Zardari und der Pakistanischen Moslem-Liga (PML-N) um Ex-Premierminister Nawaz Sharif und will das Land von Grund auf reformieren. Mit seiner offenen Ablehnung des NATO-Krieges in Afghanistan und der CIA-Drohnenangriffe im pakistanischen Grenzgebiet spricht Khan seinen Landsleuten aus der Seele. Nicht umsonst werden dem 59jährigen Politiker gute Chancen eingeräumt, mit seiner Partei als stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen im kommenden Jahr hervorzugehen.

Khan war mit einer PTI-Delegation auf dem Weg in die USA, um dort Medieninterviews zu geben und sich mit Vertretern der pakistanischen Diaspora zu treffen, als ihm und seinen Begleitern am Flughafen von Toronto der Umstieg in die Maschine, die sie nach New York bringen sollte, von Beamten der US-Einwanderungsbehörde verwehrt wurde. Nach Angaben der pakistanischen Presse wurde die Gruppe vorübergehend festgenommen und rund 40 Minuten lang vernommen. Dadurch verpaßte sie ihren Flug und mußte eine spätere Maschine nehmen. Inwieweit Khan in der Folge irgendwelche Termine in New York nicht hat wahrnehmen können, ist unklar. Ebenfalls unklar ist, womit die US- Einwanderungsbehörde die Reiseunterbrechung des prominenten pakistanischen Politikers begründete. Laut dem pakistanischen Sender Geo TV haben die US-Staatsbeamten angeblich mit ihm über seine Haltung bezüglich der CIA-Drohnenangriffe sprechen wollen. Doch Khans Position in dieser Frage ist kein Geheimnis. Er tut sie bei fast jedem öffentlichen Auftritt kund. Folglich muß man sich fragen, was das Ganze sollte.

Bei so einem Politikum muß man davon ausgehen, daß die Entscheidung, Khan in Toronto festzusetzen, nicht von den US-Einwanderungsbeamten dort, sondern im Washingtoner Außenministerium, vielleicht sogar von Amtschefin Hillary Clinton, gefällt wurde. Die Angabe, wonach die US- Behördenvertreter bei der Vernehmung Khan als "Taliban-Unterstützer" beschimpft haben, ist ein eindeutiges Signal, daß die politische Elite in den USA nicht bereit ist, Kritik am ihrem "Kreuzzug" gegen den "weltweiten Terrorismus" hinzunehmen. Unter dem Ex-Harvard- Juraprofessor Barack Obama herrscht offenbar die gleiche Schwarz-Weiß- Mentalität vor wie einst unter dem Texas Cowboy George W. Bush.

Imran Khan, der in England zur Schule ging und sich zu demokratischen Freiheitswerten bekennt, betrachtet sich als Freund des Westens und der USA, weshalb er auch den ruinösen Krieg am Hindukusch beenden will. In einer am 27. Oktober ausgestrahlten Sendung "Power & Politics" des staatlichen kanadischen Rundfunks CBC wehrte sich Khan vehement gegen den Vorwurf, er sei ein Anhänger oder Apologet der Taliban. Unter Verweis auf den seit 11 Jahre dauernden Afghanistankrieg sagte er: "Billionen von Dollar sind bereits dafür ausgegeben worden. Und Gott weiß wie viele Menschen in diesem Krieg getötet worden sind. Ist dadurch die Welt sicherer geworden?" Khan erklärte den Ansatz, die Taliban militärisch in die Knie zwingen zu wollen, für gescheitert und gab sich darüber verwundert, daß Leute wie er, die darauf aufmerksam machten, als Nestbeschmutzer diffamiert werden. Das frühere Cricket-Idol warnte vor einem "niemals endenden Krieg" und stellte klar, daß die militärische Antwort auf das Problem des "Terrorismus" "eine Katastrophe für die USA und eine Katastrophe für Pakistan" sei. Doch offenbar wollen die mächtigen Kreise in den USA die Botschaft Khans nicht hören und haben ihm dies durch die Festnahme in Toronto wissen lassen.

29. Oktober 2012