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ASIEN/882: Koreakrise am Wendepunkt zwischen Krieg und Frieden (SB)


Koreakrise am Wendepunkt zwischen Krieg und Frieden

Sicherheitsgarantie oder Überraschungsangriff - Trump hat die Wahl


In den USA nimmt das Säbelrasseln in Richtung Nordkorea zu. Jüngster Anlaß war der erfolgreiche Test einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete am 28. November. Seitdem verlangen die USA von allen Staaten mit diplomatischen Beziehungen zu Pjöngjang diese zu kappen. Gleichzeitig hat die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, von China verlangt, endlich seine Öllieferungen, die das nordkoreanische "Regime" am Leben halten, einzustellen. Gelinge es Peking nicht, eine Kapitulation Pjöngjangs im Atomstreit herbeizuführen, würden die USA die Dinge selbst in die Hand nehmen, so die frühere Gouverneurin von South Carolina.

Während sich Präsident Donald Trump gerade in den letzten Wochen in ungewöhnlicher Zurückhaltung zum Thema Nordkorea übt, spielt sich Haley als Scharfmacherin auf. Wiederholt versicherte die außenpolitische Novizin, daß aus Sicht der USA "alle Optionen" - gemeint ist natürlich der Einsatz von Atomwaffen - "auf dem Tisch" lägen. Sollte Pjöngjang nicht davon lassen, seine Atom- und Raketentechnologie zu perfektionieren, "steht fest, daß das nordkoreanische Regime völlig vernichtet" werde, so Haley am 29. November auf einer von ihr einberufenen Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Am 7. Dezember erörterte sie öffentlich die Idee, daß die US-Sportler wegen der Kriegsgefahr nicht wie geplant an der Winterolympiade Mitte Februar im südkoreanischen Pyeongchang teilnehmen sollten. Am 10. Dezember regte Haleys republikanischer Kollege Senator Lindsey Graham, ebenfalls aus South Carolina, an, Washington solle die Angehörigen der 28.500 in Südkorea stationierten US-Soldaten nach Hause beordern, während am selben Tag Trumps Nationaler Sicherheitsberater, General Herbert McMaster, vor der aktuellen Kriegsgefahr warnte, die "mit jedem Tag ansteigt".

Die Chancen, daß die von den USA orchestrierte wirtschaftliche Strangulierung Nordkoreas zum Sturz des "Regimes" führt, sind gering. Ob Washington gut beraten ist, Pjöngjang weiterhin in die Enge zu treiben, darf bezweifelt werden. Ein ähnlicher Kurs gegenüber dem kaiserlichen Japan, als man dieses von seinen wichtigsten Rohstoffquellen in Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, abschnitt, führte 1941 zum Überfall auf den US-Marinestützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii. Auch wenn mit keinem "Überraschungsangriff" oder Erstschlag der Nordkoreaner zu rechnen ist, könnte ein Zweitschlag Pjöngjangs die Form eines Atomwaffenangriffs auf eine US-Metropole wie San Diego, Los Angeles, San Francisco oder Seattle annehmen und Abertausende, wenn nicht sogar Millionen von Menschen das Leben kosten.

Ein wichtiger Aspekt der letzten drei Raketentests der Nordkoreaner ist nicht nur die Tatsache, daß die verwendete Hwasong-Rakete angeblich mit einem Nuklearsprengkopf bestückt werden kann, sondern auch, daß sie jeweils - im Gegensatz zu früheren Versuchen - nicht vom Testgelände Musudan-ri, sondern von einer fahrbaren Lafette aus gestartet ist. In der New York Times hieß es dazu am 1. Dezember unter Verweis auf südkoreanische Regierungsquellen, Nordkorea verfüge über 120 solcher Lafetten. Aufgrund diesen Umstands dürfte für die Amerikaner die Option, mit einem plötzlichen, präventiven Erstschlag das nordkoreanische Atomwaffenarsenal gänzlich zu vernichten, ins Reich des Unmöglichen geraten sein. Siegfried Hecker, der ehemalige Leiter des nationalen US-Atomlabors Los Alamos, der als bislang einziger Amerikaner die nordkoreanischen Atomanlagen betreten und inspizieren durfte, schätzt das Arsenal Pjöngjangs auf 30 bis 60 Atomsprengköpfe.

Letzte Woche hat Jeffrey Feltman, der Leiter der politischen Abteilung bei den Vereinten Nationen und Assistent von UN-Generalsekretär António Guterres, auf Einladung Nordkoreas fünf Tage in Pjöngjang verbracht. Dort hat der langjährige US-Berufsdiplomat Gespräche mit Außenminister Ri Yong-ho und dessen Stellvertreter Pak Myong-kuk geführt. Gegenüber Feltman, dem ranghöchsten Amerikaner bei den Vereinten Nationen, sollen die Nordkoreaner ihr Interesse an einer Deeskalierung der Krise bekundet, jedoch gleichzeitig die "angespannte Situation auf der koreanischen Halbinsel" auf die "feindselige Politik der USA" und deren "nukleare Erpressung" zurückgeführt haben. Dies berichtete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA. Über den Inhalt der Unterredungen äußerte sich Feltman nicht, sondern wollte erst Guterres sowie am heutigen 12. Dezember hinter verschlossenen Türen die Botschafter der derzeitigen Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat informieren.

Bereits am 7. Dezember hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow in Wien seinen amerikanischen Amtskollegen Rex Tillerson über die Bereitschaft der Nordkoreaner zu direkten Gesprächen mit Vertretern der USA in Kenntnis gesetzt. Seit 1953 weigern sich die USA, bilaterale Gespräche mit Nordkorea aufzunehmen, weil dies faktisch der diplomatischen Anerkennung des kommunistischen "Regimes" gleichkäme. Gegenüber Tillerson sagte Lawrow, die Nordkoreaner wollten Sicherheitsgarantien von den USA; erhielten sie diese, könnte die hochgefährliche Konfrontation beigelegt werden. Ähnlich äußerte sich am 11. Dezember in Peking der ehemalige Basketball-Star Dennis Rodman, der seit 2013 Nordkorea insgesamt fünfmal besucht und sich dort mit Machthaber Kim Jong-un angefreundet hat. Rodman wird an der Durchführung einer sechsten Vermittlermission durch ein Verbot, welches das State Department am 1. September verhängt hat, gehindert. Demnach dürfen US-Staatsbürger Nordkorea nicht besuchen. Nach eigenen Angaben weiß Rodman, womit Kim zufriedenzustellen wäre. Ihm zufolge sei es auch "nicht allzu viel". Gemeint ist vermutlich ein Nichtangriffspakt. Doch für die Kommunistenfresser in Washington ist das offenbar doch zu viel. Deshalb wartet Rodman bis heute vergeblich auf einen Anruf von Trump.

12. Dezember 2017


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