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ASIEN/884: Korea-Konflikt - es kann der Beste nicht im Frieden leben ... (SB)


Korea-Konflikt - es kann der Beste nicht im Frieden leben ...


Bei den 23. Olympischen Winterspielen, die am 9. Februar im südkoreanischen Pyeongchang begannen, haben sich die USA ins diplomatische Abseits manövriert. Während die Vertreter Seouls und Pjöngjangs mit beiden Händen das internationale Großereignis als Gelegenheit ergreifen, Entspannung auf der koreanischen Halbinsel zu verbreiten, verzichten die Amerikaner demonstrativ auf diplomatische Gepflogenheiten und Signale des Entgegenkommens. Um so deutlicher tritt damit die grundsätzliche Arroganz Washingtons in Erscheinung. Man darf bezweifeln, daß ein solch aggressives Gebaren dem Anspruch der USA auf eine alleinige globale Führungsrolle dienlich ist - von den möglichen negativen Auswirkungen auf den fragilen Noch-Frieden in Ostasien ganz zu schweigen.

Nach monatelanger Geheimdiplomatie konnten vor einem Monat Nord- und Südkorea sowie das Internationale Olympische Komitee (IOC) den großen Durchbruch erzielen. Am 9. Februar erklärte sich Nordkorea zur Teilnahme an den Winterspielen bereit. Seoul und Pjöngjang gaben die Entsendung eines gemeinsamen Sportler-Kaders, der Nord- und Südkorea vertreten und deren prinzipiellen Willen zur Wiedervereinigung verkörpern solle, bekannt. Insgesamt wurden 22 nordkoreanische Athleten in den weit größeren südkoreanischen Kader eingegliedert. Und beim Eishockey-Turnier der Frauen sollte eine gesamtkoreanische Mannschaft antreten.

Wegen der überraschenden Wendung hat der russische Präsident Wladimir Putin den erst 36jährigen nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un als einen "klugen und reifen Politiker" bezeichnet, der mit der Teilnahme an den Olympischen Winterspielen die passende Antwort auf die Kriegsrhetorik des US-Präsidenten Donald Trump gefunden habe. Bekanntlich hatte Trump beim Auftritt vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York im September mit der völligen Vernichtung Nordkoreas und dessen 25 Millionen Einwohnern gedroht, sollte Pjöngjang im Atomstreit nicht klein beigeben, das heißt auf seine Raketentests und Kernwaffen verzichten.

Wegen der Nicht-Einhaltung des 1994 mit der Regierung Bill Clintons vereinbarten Agreed Framework, das den Bau ziviler Leichtwasserreaktoren zwecks Stromproduktion im Gegenzug für den Verzicht auf Atomwaffen vorsah, und der provokanten Kriegsdrohungen George W. Bushs ist Nordkorea 2002 unter Berufung auf sein Recht auf Selbstverteidigung aus dem Atomwaffensperrvertrag ausgetreten. Als sich Pjöngjang 2005 im Rahmen der sogenannten Sechser-Gespräche zwischen Nord- und Südkorea, China, Rußland, Japan und den USA in Peking doch noch zum Verzicht auf Nuklearwaffen bereiterklärte, torpedierte das Finanzministerium in Washington die Einigung umgehend durch die Verhängung schwerer Sanktionen gegen Pjöngjang unter dem Vorwand, die Nordkoreaner brächten über eine Bank in der chinesischen Sonderwirtschaftszone Makau gefälschte Dollarblüten in Umlauf.

Eine spätere Untersuchung durch das renommierte Finanzprüfinstitut Ernst & Young sollte ergeben, daß die Vorwürfe gegen die Banco Delta Asia, über die Nordkorea den größten Teil seinen Außenhandels abwickelte, völlig aus der Luft gegriffen waren. Doch das wußten vermutlich auch die Amerikaner, als sie die umstrittene Maßnahme ergriffen. Nicht umsonst wurde ein Jahr später, als die Nordkoreaner ihren ersten unterirdischen Nukleartest durchführten, der Verantwortliche bei der Bush-Regierung, der Staatssekretär im Finanzministerium Stuart Levey, in kritischen Teilen der amerikanischen Presse als "Vater der nordkoreanischen Atombombe" bezeichnet.

Inzwischen hat Nordkorea sechs Atomtests - darunter soll eine Wasserstoffbombe gewesen sein - durchgeführt und sich im Bereich der ballistischen Raketen angeblich soweit nach vorne gebracht, daß sich sogar die Großstädte an der Westküste der USA wie San Diego, Los Angeles und San Francisco in Reichweite seiner Abschreckungswaffen befinden. Ihrerseits wollen die Amerikaner, die Nordkorea seit Jahrzehnten offen mit dem Einsatz von Atomwaffen bedrohen, partout nicht akzeptieren, daß im Kriegsfall auch ihre Metropolen von dem kommunistischen "Regime" in Pjöngjang in Schutt und Asche gelegt werden können. Seit Monaten bringt das Pentagon die verschiedenen Waffensysteme und Truppenkontingente in Stellung - B2-Bomber auf Guam, Flugzeugträger vor der Küste Japans und Atom-U-Boote im nordwestlichen Pazifik -, während die Trump-Administration über die Konzernmedien die Möglichkeit eines "präventiven Angriffs", um Kim und der nordkoreanischen Führung eine "blutige Nase" zu verpassen, ventiliert. Ende Januar bezeichnete der Grandseigneur der amerikanischen Diplomatie Henry Kissinger beim Auftritt vor dem Verteidigungsausschuß des Senats den Drang Washingtons nach einem Überraschungsangriff gegen Nordkorea als "stark" und die Argumente dafür als "rational".

Wenig überraschend, dafür um so beängstigender, waren daher die Posen, die der höchste Vertreter der USA bei der Eröffnung der Winterspiele, Vizepräsident Mike Pence, an den Tag legte. Auf der Reise nach Südkorea machte Pence eine Stippvisite in Japan, um dort Patriot-Raketenabwehrbatterien zu besichtigen und eine baldige massive Verschärfung der Handelssanktionen gegen Nordkorea anzukündigen, die Pjöngjang in die Knie zwingen sollen. Bei der Eröffnung der Winterspiele am 9. Februar fielen Pence und seine Gattin sehr unangenehm auf, da sie sich als einzige im ganzen Stadium nicht an den stehenden Ovationen beteiligten, als die koreanischen Sportler unter einer gemeinsamen Friedensfahne das Areal betraten, sondern mit steinernen Mienen einfach sitzenblieben.

Später stand ein Abendessen an, das der südkoreanische Präsident Moon Jae-in mit der Absicht organisiert hatte, das Eis zwischen Nordkorea und den USA zu brechen. Der US-Vizepräsident erschien verspätet und wollte sich nach dem obligatorischen Foto mit Moon gleich wieder davonmachen, ließ sich jedoch von diesem dazu überreden, die anderen Teilnehmer des Abends zu begrüßen. Pence ging um dem großen runden Tisch herum und schüttelte allen anderen Gästen die Hand - bis auf Kim Yo Jong - der Schwester von Kim Jong-un, welche dieser sozusagen als Friedensbotschafterin nach Pyeongchang entsandt hatte. Pence blieb nicht zum Essen und verpaßte damit leider die kulinarische Krönung, nämlich ein Eisdessert in Form der koreanischen Halbinsel, durchkreuzt von einem Stacheldraht aus Schokolade, der mit einem heißen weißen Pudding zum Schmelzen gebracht wurde.

Inzwischen erhalten die Nordkoreaner aus aller Welt für ihre aktuelle Charme-Offensive Lob und Anerkennung. Wegen Moons herzlichem Empfang seiner Schwester hat Kim Jong-un am 13. Februar den südkoreanischen Präsidenten zu einem Gipfeltreffen in Pjöngjang, sobald es ihm möglich und passend sei, eingeladen. Wenn es nach Kim geht, sollen im Mittelpunkt der Gespräche nicht nur der Atomstreit, sondern auch die Wiedervereinigung Koreas stehen. Über die geschickte Diplomatie Pjöngjangs ärgern sich die Japaner. In Pyeongchang hat der japanische Premierminister Shinzo Abe bei Moon darauf gedrängt, daß nach der Winterolympiade das geplante Frühjahrsmanöver der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte in vollem Umfang stattfinden solle. Moon soll den Vorstoß Abes brüsk abgewiesen und sich die unerwünschte Einmischung Tokios in die bilateralen Beziehungen zwischen Seoul und Washington verbeten haben. Bis auf die christlichen Konservativen in Südkorea und die Stahlhelmfraktion in den USA hat der evangelikale Fundamentalist Mike Pence mit seinem polternden, menschenverachtenden Auftreten niemanden beeindruckt.

13. Februar 2018


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