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ASIEN/903: Australien - US-freundlich und fremdenfeindlich ... (SB)


Australien - US-freundlich und fremdenfeindlich ...


Am 24. August hat Australien zum vierten Mal innerhalb von nur acht Jahren mit Malcolm Turnbull einen Premierminister nicht durch eine demokratische Parlamentswahl, sondern auch durch eine partei- bzw. regierungsinterne Intrige verloren. Hauptursache der Entwicklung Canberras zur "Weltputschhauptstadt", so die Bezeichnung der BBC, ist die Frontstellung Australiens im zunehmenden Titanenkampf zwischen der Noch-Supermacht USA und dem wiedererwachten Riesenreich China. Dazu kommen gesellschaftliche Spannungen infolge jahrelanger Ressourcenumverteilungen zuungunsten der Arbeiter- und Mittelschicht und zugunsten der Schwerreichen - ein Phänomen, das leider nicht auf Australien beschränkt ist. Damit sich diese Spannungen in Australien nicht in Richtung sozialen Kämpfertums entwickeln, schüren die herrschenden Kräfte dort Ressentiments gegen Flüchtlinge, ausländische Migranten, "Asoziale" und mutmaßliche "Terroristen", letztere vornehmlich aus dem "islamistischen" Spektrum, aber nicht nur.

Die Politik Australiens wird seit Jahrzehnten von zwei Lagern beherrscht: auf der einen Seite die sozialdemokratische Labor Party als Vertreterin der Arbeiterschaft und auf der anderen eine Koalition aus der Liberalen und Nationalen Partei, die ihre Wählerschaft jeweils beim städtischen Großbürgertum bzw. bei der ländlichen Bevölkerung haben. 2007 ging nach elf Jahren in Australien die Ära der relativen politischen Stabilität zu Ende. Damals verlor die Lib-Nat-Regierung John Howards die Wahl an die von Kevin Rudd angeführte Labor-Partei.

Höhe- bzw. Tiefpunkte der Amtszeit Howards als Premierminister waren die Teilnahme der australischen Streitkräfte an der illegalen Irakinvasion 2003 an der Seite der USA und Großbritanniens sowie die rassistische Abwehrhaltung Canberras in der Flüchtlingspolitik. Unvergessen bleibt die "Child-Overboard-Affäre", mit der Howard im Wahlkampf 2001 die australische Öffentlichkeit mit der Behauptung, Bootsflüchtlinge aus Afghanistan würden damit drohen, ihre Kinder über Bord zu werfen und ertrinken zu lassen, um die Rettung durch die australische Küstenmarine zu erpressen, belog und die Parlamentswahlen gewann. Ungeachtet der Tatsache, daß sich die Behauptung später als gezielte Irreführung der öffentlichen Meinung entpuppte, leitete sie dennoch die Wende ein hin zu einer absolut menschenfeindlichen Einwanderungspolitik, für die Australien inzwischen berüchtigt ist und dafür die Bewunderung von Rassisten aller Couleur in Nordamerika und Europa, sei es Donald Trump, Björn Höcke, Marine le Pen oder Matteo Salvini, genießt.

Seit Howard Ende 2001 die "Pacific Solution" gesetzlich verankert hat, werden in Australien prinzipiell keine Bootsflüchtlinge mehr ins Land gelassen, sondern sie werden in Lagern auf der pazifischen Insel wie Nauru oder auf Papua Neu-Guinea untergebracht. Dort werden die Asylanträge bearbeitet, was Jahre dauern kann. In den australischen "Ankerzentren" sind die Zustände so schlimm, die Aussichten für die Menschen so desolat, daß sich dort die Kinder reihenweise durch Hungerstreiks oder Dramatischeres wie Selbstverbrennungen umzubringen versuchen. Über die grausamen Zustände auf Nauru und in PNG berichtete am 24. August die britische Tageszeitung Guardian in ihrer Online-Ausgabe sowie drei Tage später die Sendung "7.30" des staatlichen australischen Fernsehsenders ABC. In beiden Berichten sprachen Ärzte vom "Resignationssyndrom"; die Flüchtlingskinder hätten aufgrund der Art ihrer Behandlung durch die australischen Einwanderungsbehörden den Lebenswillen verloren und wollten nur noch sterben.

2010 war Kevin Rudd nach nur drei Jahren als Premierminister von der Laborparteikollegin Julia Gillard geschaßt worden. Hinter den Kulissen hatte das US-Außenministerium unter der Leitung von Hillary Clinton die Fäden gezogen. Der Regierung Barack Obama war Rudds skeptische Haltung gegenüber Amerikas Eindämmungsstrategie gegenüber China suspekt, der Eintritt des Mandarin-Sprechers für eine Schaukelpolitik Canberras zwischen Washington und Peking ungenügend. Acht Jahre später ist es wieder die fehlende Nibelungentreue, die diesmal Turnbull den Posten als Premierminister und Vorsitzender der Liberal Party of Australia gekostet hat.

Bereits beim Amtsantritt Trumps als US-Präsident im Januar 2017 war die Absetzung Turnbulls absehbar. Beim ersten Telefonat zwischen beiden Männern legte Trump einfach auf, als Turnbull ihn auf die Einhaltung einer von Obama gemachten Zusage über die Aufnahme mehrerer hundert Bootsflüchtlinge in den USA ansprach. Seitdem erlebt die australische Politik eine hysterische Debatte um die mögliche Einflußnahme durch "fremdländische Einmischung". Gemeint sind in erster Linie chinesische Hochschulstudenten und Geschäftsleute, die als potentielle Agenten Pekings unter Verdacht stehen. Einzelne Parlamentarier haben zurücktreten müssen, weil sie ohne es zu wissen - die Eltern stammten aus England und sie hätten damit ein Recht auf einen britischen Paß - gegen das neue Gesetz, das Australiern mit doppelter Staatsbürgerschaft ein Abgeordnetenmandat verbietet, verstoßen hatten.

Australien und die USA sind schon lange Militärverbündete. Dennoch ist China in den letzten Jahren zu dem mit Abstand wichtigsten Abnehmer australischer Exporte geworden. Australiens Landwirtschaft, seine Bergbauindustrie und seine Universitäten mit ihren Hunderttausenden chinesischen Studenten sind auf gute Beziehungen zur Volksrepublik angewiesen. Vermutlich deshalb hat es Turnbull vor kurzem abgelehnt, australische Kriegsschiffe an der provokanten "Navigationsfreiheitsoperationen" der US-Marine im Südchinesischen Meer, wo die Chinesen mehrere Riffe zu wahren Festungen ausgebaut haben, teilnehmen zu lassen. Dies und eine Rede, in der er die "sehr tiefen" Beziehungen Australiens zur Volksrepublik betonte, haben sein politisches Aus besiegelt.

Vor zwei Wochen hat der alternde Medienzar Rupert Murdoch, der seit mehr als vierzig Jahren die Politik in seinem Heimatland Australien, in Großbritannien und den USA maßgeblich beeinflußt und in reaktionäre Richtung treibt, Sydney besucht und seinen Gewährsmännern die Marschroute vorgegeben. Kurz darauf kam es zu einer erzwungenen Kampfabstimmung um die Führung bei Australiens Liberalen. Turnbull, der Repräsentant der liberalen Großstadtelite von Sydney und Melbourne, mußte seinen Platz für den Evangelikalen Scott Morrison räumen, der von rechtsextremen Kreisen um Ex-Premierminister Tony Abbott und Innenminister Peter Dutton unterstützt worden war. Über die Umwälzungen der letzten Tage sind viele Australier geschockt. Kevin Rudd hat am 25. August in der Saturday Paper Murdoch als "Krebsgeschwür der australischen Demokratie" bezeichnet und die Einsetzung einer Untersuchungskommission gefordert, welche die zersetzerische Einflußnahme von Newscorp unter die Lupe nehmen sollte. Turnbull, Außenministerin Julie Bishop und die liberaldemokratische Abgeordnete Julia Banks haben ihre Rücktritte als Abgeordnete bekanntgegeben und das Mobbing der letzten Tage durch den Abbott-Dutton-Parteiflügel als Grund angegeben.

Nur wenige Stunden nach dem Sturz Turnbulls haben Trump und Harrison miteinander telefoniert und gemeinsam die Bedeutung der Militärallianz zwischen den USA und Australien für den Pazifischen Raum unterstrichen. Der neue Macher in Canberra hat bei diesem Anlaß den im Ausland wegen seiner Macho-Sprüche unbeliebten US-Präsidenten gleich zum Staatsbesuch nach Australien eingeladen. Harrisons Außenministerin, die ehemalige Verteidigungsministerin Marise Payne, hat gleich bei ihrer ersten Pressekonferenz bestätigt, daß die chinesischen Telekomunternehmen Huawei und ZTE vom bevorstehenden Ausbau des australischen 5G-Funknetzes ausgeschlossen werden - aus Gründen der "nationalen Sicherheit" versteht sich.

29. August 2018


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