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ASIEN/920: Koreakonflikt - der Rückschritt ... (SB)


Koreakonflikt - der Rückschritt ...


Vorzeitig und ohne Ergebnis ist heute das zweitägige Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un in Hanoi zu Ende gegangen. Alle Hoffnungen auf nennenswerte Fortschritte bei den Verhandlungen zur Beilegung des Streits um das nordkoreanische Atomprogramm haben sich zerschlagen. Vor allem in Südkorea, dessen linksliberaler Präsident Moon Jae-in sich seit zwei Jahren unermüdlich für ein Ende der hochgefährlichen Dauerkonfrontation am 38. Breitengrad einsetzt, ist die Enttäuschung über den Ausgang der zweiten Begegnung zwischen dem amtierenden US-Präsidenten und dem nordkoreanischen Staatsratsvorsitzenden riesengroß.

Große Erleichterung, wenn nicht sogar Freude, herrscht dagegen bei den neokonservativen Imperialisten in Washington, die seit Monaten entweder in der amerikanischen Presse am vermeintlich "blauäugigen" Friedenskurs Trumps gegenüber Nordkorea herumnörgeln oder ihn hinter den Kulissen zu torpedieren versuchen. Höhepunkt der bellizistischen Medienkampagne gegen mögliche Zugeständnisse Washingtons gegenüber Pjöngjang war der Gastbeitrag von Susan Rice am 27. Februar in der New York Times, in dem die einstige Nationale Sicherheitsberaterin Barack Obamas in schrillen Tönen vor der vermeintlichen Gefahr warnte, Nordkorea den Status einer Atommacht zuzubilligen. Zu den Kräften, die sich mit nichts anderem als der völligen Unterwerfung Pjöngjangs zufriedengeben wollen und für die wegen der chinesischen und russischen "Gefahr" nicht die miminalste Reduzierung des militärischen Fußabdrucks der US-Streitkräfte in Ostasien in Betracht kommt, gehören Trumps Außenminister Mike Pompeo und sein Nationaler Sicherheitsberater John Bolton. Letzerer hat bekanntlich bereits unter George W. Bush immer wieder die Rolle des außenpolitischen Radaumachers gespielt.

Bereits bei der ersten Begegnung Kims und Trumps in Singapur im vergangenen Juni hatten sich die Nordkoreaner zur "Denuklearisierung" und die Amerikaner zur Aufhebung der schweren Wirtschaftssanktionen gegen das kommunistische Land bereiterklärt. Seitdem diskutierten die Chefunterhändler Stephen Biegun und Kim Yong-chol die Frage der "Sequenzierung", will heißen: wieviel Abrüstung gegen wieviel Sanktionsabbau? Die Kriegsfalken in den USA beharren auf den Standpunkt, nur nach der Trennung Nordkoreas von seinem gesamten Atomarsenal könne mit der Sanktionserleichterung begonnen werden. Pjöngjang lehnt eine solche einseitige Lösung kategorisch ab und hat Pompeo im vergangenen Herbst wegen der hartnäckigen Forderung nach Erfüllung der amerikanischen Bedingungen "Mafiamethoden" vorgeworfen.

Im Vorfeld des Treffens in der vietnamesischen Hauptstadt hatten die Südkoreaner die Möglichkeit in Aussicht gestellt, daß Trump und Kim, selbst wenn es zu keinem Durchbruch in der Frage Abrüstung gegen Sanktionsabbau kommen sollte, immerhin den Koreakrieg formell für beendet erklären und die Einrichtung erster diplomatischer Verbindungsbüros in Pjöngjang und Washington beschließen könnten. Am ersten Abend des Gipfels, als die beiden Staatsmänner samt Delegationen zusammen dinierten und sich im Rahmen dessen den Medien präsentierten, war die Stimmung positiv. In seiner ersten Antwort, die Kim jemals auf die Frage eines Journalisten gegeben hat, erklärte er, daß er nicht nach Hanoi gekommen wäre, wenn er nicht zur nuklearen Abrüstung bereit sei. Trump lobte den Friedenswillen des jüngeren Gesprächspartners und verwies auf den von diesem verfügten, seit Monaten herrschenden Stopp aller nordkoreanischen Atom- und Raketentests.

Am Vormittag des 28. Februar wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Gegen Mittag ließ man verlauten, am Nachmittag würden die Gespräche nicht fortgesetzt, auch die geplante Pressekonferenz am Abend samt Abschlußkommuniqué sei gestrichen. Was war geschehen? Laut State Department haben die Nordkoreaner die komplette Demontage ihrer wichtigsten Nuklearanlage Yongbyon, wo seit Jahren sowohl Uran angereichert als auch Plutonium gewonnen wird, angeboten, dafür im Gegenzug die Aufhebung erster Wirtschaftssanktionen von den USA verlangt. Dazu war Trump nach eigenen Angaben nicht bereit. Das Angebot Kims ging ihm nicht weit genug (bzw. hätte die Militaristen in Washington nicht zufriedengestellt). Während der US-Präsident ein weiteres Treffen nach gründlicherer Vorbereitung nicht ausschließen wollte, hüllten sich Kim und die nordkoreanische Delegation in Schweigen, auch was den Grund für den Abbruch der Gespräche betrifft.

Aus Südkorea kommt eine erste schlüssige Erklärung für das Scheitern des Gipfels von Hanoi. Nach Aussage des ehemaligen südkoreanischen Ministers für Vereinigung, Chong Se-hyun, hat John Bolton den Eklat produziert. Wie man weiß, stand seitens der Amerikaner seit längerem die Forderung nach einer vollständigen Auflistung der Bestände Nordkoreas an spaltbarem Material sowie aller zum Atomprogramm gehörenden Labors samt Werk- und Lagerstätten im Raum. Die Forderung ist extrem heikel, denn die Preisgabe solcher zum Teil hochgeheimen Informationen wäre für diejenigen im Pentagon, die Pläne für einen eventuellen Krieg gegen Nordkorea oder sogenannte chirurgische Angriffe auf die wichtigsten Nuklearanlagen schmieden, ein ungeheurer Erkenntnisgewinn. Vor diesem Hintergrund verschlägt einem die Information Chongs die Sprache, Bolton habe gleich bei der ersten Verhandlungsrunde nicht nur besagte Forderung erhoben, sondern auch noch von den Nordkoreanern die Auflistung all ihrer Bio- und Chemiewaffenbestände samt den dazugehörigen Produktionsstätten verlangt.

Südkoreas Präsident Moon, der am 1. März den 100. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Koreas dazu nutzen wollte, um weitere Maßnahmen der wirtschaftlichen Annäherung zwischen Nord und Süd bekanntzugeben, darunter die Wiedereröffnung des gemeinsamen Industrieparks Kaesong nahe der innerkoreanischen Grenze, fühlt sich bestimmt düpiert. Er dürfte vorerst alle Hände voll zu tun haben, sich gegen die zu erwartenden Angriffe der Konservativen Südkoreas, denen die Militärallianz mit den USA über alles geht, zu verteidigen. Ob es Moon gelingt, den koreanischen Friedensprozeß doch wieder in Schwung zu bringen, muß sich erst zeigen. Jedenfalls erinnert das destruktive Verhalten Boltons in Hanoi fatal an das perfide Agieren Richard Perles 1985 in Reykjavik. Auf Island hatte der neokonservative Strippenzieher und damalige Vizeverteidigungsminister der USA den eigenen Präsidenten Ronald Reagan daran gehindert, mit Michail Gorbatschow, dem Generalsekretär des Zentralkomitees der kommunistischen Partei der Sowjetunion, die Beseitigung aller Atomwaffen zu beschließen, weil Moskau daran auch den Verzicht Amerikas auf das geplante Raketenabwehrsystem koppeln wollte.

28. Februar 2019


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