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HISTORIE/299: Auch für Nixon waren Israels Atomwaffen ein Problem (SB)


Auch für Nixon waren Israels Atomwaffen ein Problem

Veröffentlichung von US-Archivdokumenten zu Israels "nuklearer Option"


In Israel stehen die regierenden Hardliner um Premierminister Benjamin Netanjahu und Außenminister Avidgor Lieberman der Politik der neuen US-Administration um den Demokraten Barack Obama skeptisch bis mißtrauend gegenüber und das nicht nur, weil Amerikas neuer Hoffnungsträger versucht Tel Aviv zu Zugeständnissen gegenüber den Palästinensern - Stichwort Stopp des Ausbaus jüdischer Siedlungen auf der besetzten Westbank - zu zwingen, das es partout nicht machen will. Obama hat sich zudem Anfang April in einer flammenden Rede zum Ziel einer atomwaffenfreien Welt bekannt und will in diesem Zusammenhang offenbar die Israelis dazu bringen, dem Nicht-Verbreitungsvertrag beizutreten, wogegen sie sich seit Jahrzehnten sträuben.

Diese Anregung brachte Obamas Stellvertretende Außenministerin Rose Gottemoeller bei einer Konferenz aller Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrages am 5. Mai in Wien in die Diskussion und sorgte damit weltweit für Schlagzeilen und beim israelischen Sicherheitsapparat für Konsternierung. Schließlich hat sich Washington mit dem bemerkenswerten Auftritt Gottemoellers zum erstenmal seit mehr als 40 Jahren explizit von der Politik der schweigenden Duldung des israelischen Atomwaffenprogramms distanziert. Wie man weiß, war John F. Kennedy der letzte und bisher einzige US-Präsident, der sich öffentlich dafür einsetzte, daß Israel seine streng abgeschirmte Atomanlage in Dimona für ausländische Inspektionen zugänglich macht.

Auch wenn sich seitdem die Vertreter Washingtons weigern, sich zum Thema der israelischen Nuklearwaffen offiziell zu äußern, dürften sie sich sehr wohl schwere Sorgen um die möglichen Auswirkungen von Tel Avivs Atombombenmonopol auf die zwischenstaatlichen Beziehungen im Nahen Osten gemacht haben. Bestätigung für diese naheliegende Annahme liefern jüngst freigegebene US-Regierungsdokumente von Ende der sechziger Jahren, die nach Ablauf der entsprechenden Geheimhaltungsfrist von den Archivaren der Richard Nixon Presidential Libary am 23. Juni veröffentlicht wurden.

Zu den Dokumenten, deren Veröffentlichung die Nachrichtenagentur Associated Press am 25. Juni meldete, gehört eine Mitteilung des National Security Council, die irgendwann zwischen April 1969 und März 1970 und damit während der ersten 14 Monate Nixons im Weißen Haus verfaßt wurde. In der Mitteilung werden Gedanken gemacht, wie und ob die USA Israel dazu bringen könnten, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Die Autoren des NSC-Dokumentes kommen zu dem Schluß, daß es keinen Zweck hätte, die Verantwortlichen in Tel Aviv in dieser Frage unter Druck zu setzen, denn diese hätten angesichts der instabilen Lage im Nahen Osten "wahrscheinlich beschlossen, daß es sich Israel nicht leisten" könne, "auf die nukleare Option zu verzichten".

Welchen genauen Umfang die "nukleare Option" Israels zu jenem Zeitpunkt hatte, geht aus dem Dokument nicht hervor. Die Autoren stellen lediglich fest, daß Israel den Besitz der Atombombe als "integralen Teil seiner nationalen Sicherheit" betrachte und "aktiv daran" arbeite, "seine Fähigkeit zur Herstellung von Nuklearwaffen binnen kurzer Frist zu verbessern".

In dem Dokument zeigt man Verständnis für den Wunsch der Israelis nach einem glaubhaften Abschreckungsmittel, äußert jedoch gleichzeitig die Befürchtung, daß Tel Avivs Besitz einer Monopolstellung in Bezug auf Atomwaffen in Nahen Osten das Erzielen einer gerechten Friedenslösung mit den benachbarten arabischen Staaten schwer bis unmöglich machen würde. In diesem Zusammenhang identifizierten bereits damals die Autoren der NSC-Mitteilung Tel Avivs Festhalten an der "nuklearen Option" als langfristige Bedrohung für den Staat Israel. Nicht unähnlich denkt dieser Tage Barack Obama. Man darf gespannt sein, ob der neue US-Präsident bei dem Versuch, Israel zur Transparenz und internationalen Zusammenarbeit auf dem Feld der nuklearen Abrüstung zu bewegen, mehr Erfolg als seine Vorgänger haben wird.

26. Juni 2009