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HISTORIE/318: Verbreitete Benazir Bhutto Atomwaffentechnologie? (SB)


Verbreitete Benazir Bhutto Atomwaffentechnologie?

A. Q. Khan lüftet brisante Details des pakistanischen Atomprogramms



Als eines des gängigsten Bedrohungszenarien, die dank zahlreicher Hollywood-Actionfilme und unverantwortlicher Äußerungen ranghoher US-Politiker aufgrund halbgarer Gedankenspiele durch den öffentlichen Diskurs um "Terrorismus" geistern, gilt die Zündung einer Atombombe in einer westlichen Metropole durch fanatisierte Moslems. Das Mißtrauen des Westens gegenüber den Korangläubigen an sich und das Vorurteil, sie wären der Vernunft nicht zugänglich, erklärt, warum Scharfmacher in Israel seit Jahren eine große Hysterie um das iranische Kernenergieprogramm betreiben und in den USA Ängste um die Sicherheit des pakistanischen Nukleararsenals schüren. Daß Pakistan nur mit Hilfe der USA in den Besitz von Kernwaffen gelangen konnte, wird dabei beflissentlich übersehen. Als der Metallurge Abdul Qadeer Khan Ende der siebziger Jahre unerlaubt Blaupausen und ähnliches für den Bau von Uranzentrifugen von seinem Arbeitsplatz im halbstaatlichen europäischen Forschungsunternehmen Urenco nach Pakistan mitnahm, tat er dies bekanntlich mit Wissen und unter dem Schutz der CIA.

In Pakistan gilt Khan als Held der Nation. Als Indien 1974 seinen ersten Atomtest durchführte, sahen die Pakistaner ihren Staat in seiner Existenz bedroht. Nach der Überlieferung erklärte der damalige pakistanische Premierminister Zulfikar Ali Bhutto, der arme Dritte-Welt-Staat Pakistan würde sich ein eigenes nukleares Abschreckungsmittel verschaffen, "selbst wenn wir Gras fressen müssen". Am Gelingen dieses ehrgeizigen Vorhabens war Khan an führender Stelle beteiligt. Doch der "Vater der pakistanischen Atombombe" wird von den USA seit langem bezichtigt, im Laufe seiner ruhmreichen Karriere als Wissenschaftler auch Nukleartechnologie an die "Schurkenstaaten" Iran und Nordkorea weitergegeben zu haben. Wegen des massiven Drucks aus Washingtons hat Khan im Februar 2004 ein entsprechendes Geständnis im pakistanischen Fernsehen abgegeben und die alleinige Schuld auf sich genommen. Danach stand er mehrere Jahre lang unter Hausarrest. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Krise in der pakistanischen Innen- und Außenpolitik hat Khan vor kurzem eine eigene Partei gegründet, die Tehrik Tahaffuz-e-Pakistan, die an den Parlamentswahlen im kommenden Jahr teilnehmen soll. Aus diesem Anlaß gab er der pakistanischen Zeitung The News International (Jang) ein Interview, das am 15. September erschien und viele interessante Details der jüngsten Geschichte Pakistans enthält.

Was die Verbreitung von Atomwaffentechnologie betrifft, so hat Khan die Verantwortung dafür bei Benazir Bhutto angesiedelt, die 1988 die ersten Wahlen nach dem Ende der Diktatur von General Zia ul Haq gewonnen hatte und bis 1990 sowie später von 1993 bis 1996 Regierungschefin Pakistans war. Dazu Khan:

Mindestens 800 Leute haben den Prozeß beaufsichtigt. Die damalige Premierministerin Mohtarma Benazir Bhutto hat mich zu sich gerufen und die beiden Länder benannt, denen geholfen werden sollte, und mir in diesem Zusammenhang klare Anweisungen erteilt. Ich war kein eigenständiger Akteur, sondern an den Befehlen der Premierministerin gebunden, folglich habe ich diesen Schritt gemäß ihren Anweisungen durchgeführt. Die Premierministerin dürfte sich mit Sicherheit über die Rolle und die Zusammenarbeit der von ihr genannten Länder, bezüglich unserer nationalen Sicherheit, im Klaren gewesen sein.

Bereits im Juni 2008 hatte die Washington Post unter Verweis auf Angaben der pakistanischen Journalistin Shyam Bhatia, einer guten Freundin der ein Jahr zuvor ermordeten Bhutto, von der aktiven Beteiligung der ehemaligen Premierministerin an der Verbreitung von Nukleartechnologie berichtet. Laut Bhatia erzählte Bhutto ihr 2003 davon, verpflichtete sie jedoch zur Verschwiegenheit. Nach dem Attentat auf Bhutto bei einer Wahlkampfveranstaltung in der pakistanischen Garnisonsstadt Rawalpindi am 27. Dezember 2007 sah sich Bhatia von jener Verpflichtung entbunden, und lüftete das Geheimnis in dem Buch "Goodbye, Shahzadi", das im Mai 2008 in Indien erschien. Darin wird Bhutto, die nach der Entmachtung und Hinrichtung ihres Vaters 1978 durch Zia auf die pakistanische Generalität nicht gut zu sprechen war, zitiert, sie hätte für ihr Land "mehr als alle Militärchefs Pakistans zusammen getan".

Konkret soll Bhutto den Nordkoreanern 1993, also zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit als Premierministerin, bei einem Staatsbesuch in Pjöngjang mehrere CDs mit "kritischen Nukleardaten" überbracht haben. Im Gegenzug sollen die Nordkoreaner den pakistanischen Streitkräften bei der Modernisierung ihrer ballistischen Raketen geholfen haben. Die Teilnahme Bhuttos am "Atomschmuggel" steht genau wie ihre Rolle beim Aufbau der Taliban in Afghanistan jedenfalls in gewissem Widerspruch zur herkömmlichen Legende von ihr als demokratische Lichtgestalt und zuverlässige Partnerin des Westens.

Während Khan in seinen Äußerungen während des News-Interviews der ermordeten Chefin der Pakistan People's Party (PPP) viel Respekt entgegenbringt, gilt dies nicht für deren langjährigen politischen Rivalen, Nawaz Sharif von der Pakistanischen Moslemliga. General Zias Protégé folgte Bhutto zweimal als Premierminister und hatte in Islamabad das Sagen, als Pakistan 1998 seine ersten Atomtests durchführte. Dessen rühmt er sich seitdem. Dafür gäbe es jedoch laut Khan, keinen Grund. Aus Angst vor der zu erwartenden, negativen Reaktion der USA zögerte Sharif nach Angaben Khans nach den damaligen Atomtests Indiens zu lange mit der pakistanischen Antwort und habe regelrecht dazu gedrängt werden müssen, den entsprechenden Befehl zu geben. Khan hält Sharif für einen Zauderer und meinte, der Oppositionschef hätte sich seit 2008 vor lauter Taktiererei von Bhuttos Witwer, dem heutigen Präsidenten Asif Ali Zardari, ausmanövrieren lassen.

Auch von Musharraf, der Sharif 1999 mit einem Militärputsch absetzte, hat Khan keine hohe Meinung. Er meinte, der frühere Diktator hätte ihn, Khan, 2004 mehr oder weniger gezwungen, die Verantwortung für die Verbreitung von Atomtechnologie durch pakistanische Stellen zu übernehmen, um zu verhindern, daß die USA das Land als "Terrorsponsor" international an den Pranger stellen. Später hätte sich herausgestellt, daß es Musharraf dabei vielmehr um den Erhalt der eigenen Macht und weniger um das Abwenden von Schaden für den pakistanischen Staat gegangen sei, so Khan.

In dem Interview erfährt man nicht viel über das politische Programm, mit dem Khans Tehrik Tahaffuz-e-Pakistan bei den Wahlen 2013 auftreten will. Ein Grund für Khan, eine eigene Partei aus der Taufe zu heben, soll seine Enttäuschung über das frühere Cricket-Idol Imran Khan sein, der derzeit in allen Medien als kommender Mann und großer Reformer der pakistanischen Politik gehandelt wird. Nach Ansicht von Khan betreibt sein Namensvetter "kosmetische Politik" und hat nicht wirklich die geeigneten Antworten auf die sozialen und wirtschaftlichen Probleme Pakistans parat. Wie der frühere Kapitän der pakistanischen Cricket-Nationalmannschaft lehnt auch Khan die Drohnenangriffe der USA auf Ziele auf Pakistans Seite der Grenze zu Afghanistan strikt ab.

Er hat auch einen gewagten Vorschlag wie sie zu beenden wäre. Demnach müßten man die Menschen in der betroffenen Region lediglich mit Flugabwehrraketen ausstatten. Wie viele seiner Landsleute glaubt A. Q. Khan das die USA Pakistan gezielt destabilisieren, um es in Einzelteile zu zerlegen und sich der Atomsprengköpfe des Landes bemächtigen zu können.

17. September 2011