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LATEINAMERIKA/2174: Clinton und Obama nehmen Mexiko an die Kandare (SB)


Die Drohkulisse des "gescheiterten Staats" gibt den Rahmen vor


US-Außenministerin Hillary Clinton ist derzeit zwei Tage in Mexiko zu Gast, in Kürze folgen Heimatschutzministerin Janet Napolitano und Justizminister Eric Holder, worauf im April Präsident Barack Obama auf dem Weg zum Amerikagipfel, der in Trinidad und Tobago stattfindet, im Nachbarland Station machen will. Rosige Zeiten sind es nicht, in denen führende Repräsentanten der Vereinigten Staaten mit Staatschef Felipe Calderón und anderen hochrangigen Vertretern der konservativen mexikanischen Regierung zusammentreffen. Fast könnte man von einem ausgedehnten Krisengipfel sprechen, wobei man sich durchaus darüber streiten mag, welche der diversen Krisen die vordringlichste sei - der Krieg der Kartelle, die Misere der Weltwirtschaft oder die jüngste Kontroverse der NAFTA-Partner.

Im Dezember 2008 hatte das Oberkommando der US-Streitkräfte in einer Studie jene berüchtigte Einschätzung vorgenommen, daß für zwei große und wichtige Staaten die Gefahr eines plötzlichen und schnellen Zusammenbruchs bestehe, nämlich Mexiko und Pakistan. Wie es weiter in dem Dokument hieß, erscheine die mexikanische Möglichkeit zwar weniger wahrscheinlich, doch befänden sich die Regierung, seine Politiker und die Justiz unter permanentem Druck der kriminellen Banden und Drogenkartelle. Kürzlich hat das US-Außenministerium seine Reisewarnung für Mexiko erneuert und damit deutlich zu verstehen gegeben, was man von der Sicherheitslage südlich des Rio Grande hält. Präsident Felipe Calderón erwiderte jüngst in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Associated Press trotzig, es sei absolut falsch zu behaupten, Mexiko sei ein gescheiterter Staat. Er habe nicht einen einzigen Teil des mexikanischen Territoriums verloren.

Mit der Debatte um die Frage, ob Mexiko Gefahr läuft, als gescheiterter Staat klassifiziert zu werden, hat die US-Führung ein Szenario der Bedrohung und Zugriffsentwicklung auf hohem Niveau eröffnet. Wo in der jüngeren Vergangenheit staatliche Ordnung zusammengebrochen ist, war dies so gut wie immer eine gezielt herbeigeführte Folge strategischer Intervention in Gestalt von Angriffskriegen, Besatzungsregimes und territorialer Zerschlagung oder massiver äußerer Unterstützung von Bürgerkriegsparteien und Fraktionen. Mexiko als ein Land zu bezeichnen, das vor dem Zerfall steht, ist daher die größtmögliche Drohkulisse, welche die USA derzeit gegen ihren Nachbarn in Stellung bringen können. Sie beinhaltet sowohl die Option, dem Zusammenbruch nachzuhelfen, als auch die Begründung einer Intervention.

Mit einem Umsatz von geschätzten 14 Milliarden Dollar im Jahr sind die USA der weitaus größte Absatzmarkt des internationalen Drogengeschäfts. Zudem dürften 90 Prozent aller Waffen, die im Krieg der Kartelle zum Einsatz kommen, US-amerikanischer Herkunft sein. Demzufolge müßte man die Quelle dieser Problematik zuallererst in den Vereinigten Staaten verorten. Statt dessen tobt die Schlacht, die im vergangenen Jahr 6.000 Todesopfer gefordert hat, jedoch in Mexiko.

Daß die Metropolen zu Lasten einer Mehrheit der Menschheit ihr Überleben auf hohem Konsumniveau sichern, ist ja hinlänglich bekannt und in unterschiedlichen Aspekten untersucht worden. Das gilt gleichermaßen für das Drogengeschäft, dessen Kriegsschauplätze militärisch und ideologisch ausgelagert werden, indem man das Blutvergießen nach Kolumbien nun auch Mexiko zulastet. Von internen Konflikten dieser Länder zu sprechen und dabei den Kontext ihrer Abhängigkeit und Zurichtung in einem übergreifenden Gefüge auszublenden, kann daher nur der fortgesetzten Verschleierung dienen.

Hillary Clinton trug dem nur scheinbar Rechnung, als sie bei ihrer Ankunft in zumindest für US-amerikanische Regierungskreise beispiellosen Unverblümtheit erklärte, die unstillbare Nachfrage nach illegalen Drogen in den USA sei der Treibstoff des Drogenhandels und die Unfähigkeit, den illegalen Waffenschmuggel über die mexikanische Grenze zu unterbinden, für den Tod von Polizisten, Soldaten und Zivilisten im Nachbarland verantwortlich. Wenngleich das erstaunlich aus dem Munde einer US-Außenministerin anmutet, ist es doch nicht mehr als eine Aufzählung zweier Gemeinplätze, wie man sie noch in jeder diesbezüglichen Debatte über den Krieg der Kartelle findet.

Welche Taten werden diesen Worten folgen? Da war zum einen die Zusage, die US-Regierung wolle beim Kongreß 80 Millionen Dollar für den Kauf dreier Black-Hawk-Hubschrauber beantragen, mit deren Hilfe die mexikanische Regierung die Polizei bei der Jagd auf Drogenschmuggler unterstützen kann. Zudem sollen die Sicherheitskräfte des Nachbarlands mit Nachtsichtgeräten, Körperpanzern und anderen Hilfsmitteln für den Kampf gegen die schwerbewaffneten Kartelle ausgerüstet werden. Zuvor hatte das Weiße Haus bereits die Entsendung von insgesamt 450 Bundesagenten verschiedener Dienststellen an die Grenze und verstärkte Kontrollen des Verkehrs in südlicher Richtung angekündigt.

Mexikos Außenministerin Patricia Espinosa, die im Dezember mit anhören mußte, wie ihre Amtskollegin Condoleezza Rice jeden Zusammenhang zwischen einem Ende des Verkaufsverbots für Sturmgewehre und der Gewalt im Drogenkrieg rundweg abstritt, reagierte erfreut auf Clintons Eingeständnis, das auf der Linie der Zusammenarbeit liege, die man auf mexikanischer Seite zu etablieren versuche. Allerdings sei in den USA noch reichlich Platz für weitere Fortschritte, fügte sie hinzu. Möglicherweise spielte Espinosa darauf an, daß die von Präsident Obama favorisierte strengere Kontrolle des Verkaufs von Sturmgewehren im US-Kongreß heftig umstritten ist. Vielleicht bezog sie sich aber auch auf die Kürzungen bei der Merida-Initiative, die von Clinton mit den Worten verteidigt wurden, das Parlament verfolge zunächst aufmerksam, ob die bereits bewilligten 700 Millionen Dollar vernünftig verwendet werden.

Alles in allem zeichnet sich die neue US-Administration insbesondere durch die Strategie aus, vieles offen auszusprechen, was ohnehin jeder weiß, und einen Bruchteil dessen zu unternehmen, was Mexiko von ihr erhofft und fordert. Das ist weit mehr, als man von der Vorgängerregierung gewohnt war, und mag naive Gemüter zu der Annahme verleiten, mit Obama im Weißen Haus werde tatsächliches manches besser. De facto geht der "Plan Mexiko" seinen Gang, und dies um so mehr, als die Verweise auf Parallelen zu Kolumbien langsam aber sicher verstummen. Die Mehrzahl pseudokritischer Gemüter findet eben sehr viel mehr Gefallen daran, sich als Westentaschenstrategen zu betätigen und Schlachtpläne zu schmieden, wie man die Kartelle am schnellsten besiegen kann, als sich zu vergegenwärtigen, welchen gesellschaftlichen Kräften die Aufrüstung der kolumbianischen Sicherheitskräfte durch die USA tatsächlich gilt und was daraus für Mexiko abgeleitet werden kann.

Neben dem Aspekt des Konsums von Drogen, der wie bei allen anderen Produkten in Metropolenregionen ungleich größer als an der überproportional ausgebeuteten Peripherie ausfällt, spielt ihre Illegalisierung eine maßgebliche Rolle. Ein zentrales Moment ist dabei die weltpolizeiliche Ausweitung eines Sicherheitsapparats, der sich stets in der Defensive gegenüber international operierenden Syndikaten definiert und damit die eigene Expansion mit dem Schutz der Bürger bis hin zu nationalem Interesse rechtfertigt.

Hillary Clinton und Barack Obama werden ihren Gesprächspartnern zu verstehen geben, daß man sich fortan wieder stärker um sie kümmert, als dies unter der Vorgängerregierung der Fall war. Erfreulich ist das für die Mexikaner zumindest in ihrer Mehrheit sicher nicht, die nach den verheerenden Folgen ihrer Mitgliedschaft in der NAFTA und dem Krieg der Kartelle nun auch noch unter der Wirtschaftskrise zu leiden haben. Sie zahlen einen hohen Preis für ihre Teilhaberschaft an einem System, dessen Früchte die USA ernten, während ihnen selbst Mühsal und Not zufallen.

26. März 2009