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LATEINAMERIKA/2206: Cuban Five seit über zehn Jahren in US-Haft drangsaliert (SB)


Forderung nach ihrer sofortigen Freilassung aktueller denn je


Jahrzehntelang verübten exilkubanische Hardliner und von ihnen gedungene Söldner Anschläge in Kuba, bei denen Menschen starben und teilweise hohe Sachschäden entstanden. Wurden in den 1960er Jahren bestellte Felder mit Brandbomben verwüstet und Betriebe durch Luftangriffe in Mitleidenschaft gezogen, so waren es später vor allem versierte Attentäter, die mit ihren Sprengsätzen oftmals eine verheerende Wirkung erzielten. Zu keiner Zeit mußten die Täter und ihre Hintermänner in der einflußreichen exilkubanischen Gemeinde Südfloridas Sanktionen seitens der US-Regierung oder der Strafverfolgungsbehörden befürchten, da man ihre Aktivitäten stillschweigend als willkommenen Beitrag zur Schwächung Kubas duldete oder insgeheim sogar förderte.

Die Kubaner protestierten vergeblich bei der US-Regierung und den Vereinten Nationen, die sich auf diesem Ohr notorisch taub stellten. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Ende der Sowjetunion eskalierte die Gewalt gegen Kuba, die sich nun vor allem gegen die aufblühende Tourismusbranche richtete, die einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Überleben des seit den frühen 1990er Jahren totgesagten kubanischen Gesellschaftssystems leistete. Daher setzten die Attentäter verstärkt darauf, Urlauber vom Besuch der karibischen Insel abzuhalten, indem sie Bomben am Flughafen, in Hotels und in Touristenbussen legten. Zudem kamen Angreifer mit schnellen Booten von Florida übers Meer und beschossen küstennahe touristische Einrichtungen.

Um sich der Übergriffe zu erwehren, mußte Havanna zwangsläufig die Abwehr in die eigenen Hände nehmen, und so entsandte man Geheimdienstmitarbeiter in die USA, deren Aufgabe es war, Anschlagsplanungen aufzudecken und die kubanischen Behörden im Vorfeld zu warnen. Im September 1998 wurden fünf Kubaner in Miami unter dem Vorwurf der Spionage festgenommen. Man brachte nicht weniger als 26 verschiedene Anklagepunkte gegen sie vor, von denen allerdings 24 minder schwer waren wie etwa der Gebrauch falscher Namen oder die fehlende Registrierung als ausländische Agenten. Keiner der Anklagepunkte hatte die Verübung einer Gewalttat, Waffengebrauch oder angerichteten Sachschaden zum Inhalt.

Da die Mission der fünf Kubaner nicht darin bestand, militärische Geheimnisse auszuspionieren, sondern der Verhinderung von Attentaten auf ihr Land diente, unternahmen sie nichts, was Aufsehen erregt und den USA geschadet hätte. Sie wurden dennoch zu hohen Haftstrafen verurteilt und teilweise unter Bedingungen gefangengehalten, die in Widerspruch zu internationalen Standards stehen wie etwa Isolationshaft oder ein jahrelanges Besuchsverbot für Ehefrauen und Kinder.

Der Kontrast könnte nicht größer sein, wenn man das Vorgehen der US-Behörden gegen berüchtigte exilkubanische Attentäter wie Orlando Bosch und Luis Posada Carriles dagegenhält. Die beiden waren Führungsmitglieder eines Netzwerks in Miami, das Anschläge gegen Kuba verübte, darunter auch die Bombenexplosion in einer Verkehrsmaschine, bei der 1976 alle 73 Menschen an Bord des Flugzeugs starben. Keiner der beiden machte ein Geheimnis aus diesen Aktivitäten, und Posada Carriles brüstete sich sogar zweimal in Interviews mit US-amerikanischen Medien, 1997 Anschläge in Kuba verübt zu haben, bei denen ein italienischer Tourist starb und mehrere andere Menschen verletzt wurden.

Als Orlando Bosch 1990 legalen Aufenthalt in den USA beantragte, attestierten ihm Ermittlungen des Justizministeriums zwar eine lange Geschichte von Anschlägen im Ausland wie auch die Vorbereitung von Attentaten und Sabotage, doch hielt dies die Behörden nicht davon ab, seinem Gesuch stattzugeben. Posada Carriles wurde in Venezuela verurteilt, flüchtete aber 1985 vermutlich mit Hilfe der CIA aus dem Gefängnis. Ein Gericht in Panama verurteilte ihn 2000 wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, was eine maßlose Untertreibung war, da man ihn bei der Vorbereitung eines Bombenanschlags auf Fidel Castro verhaftet hatte und eine größere Menge Sprengstoff bei ihm fand. Wäre das Attentat durchgeführt worden, hätten möglicherweise Hunderte Studenten den Tod gefunden, vor denen der kubanische Staatschef sprechen wollte.

Die scheidende konservative Präsidentin Panamas, Mireya Moscoso, der man enge Verbindungen zu exilkubanischen Kreisen in Südflorida nachsagte, sprach als eine ihrer letzten Amtshandlungen im Jahr 2004 rasch noch eine Begnadigung aus, worauf Posada Carriles illegal in die USA einreiste, ohne deswegen behelligt zu werden. Erst als er auch noch Pressekonferenzen in Miami gab, griff die Einwanderungsbehörde zu. Danach befand er sich nicht etwa in regulärer Haft, sondern unter einer Art Hausarrest auf dem Gelände einer Strafanstalt, während die Bush-Administration darüber brütete, wie sie mit ihm verfahren sollte. Da der Fall immer wieder durch die Medien ging, konnte die Regierung nicht ungestört Gras über die Sache wachsen lassen. Posada Carriles drohte allenfalls Abschiebung, jedoch nicht nach Venezuela, da man das Auslieferungsersuchen der Regierung in Caracas bereits abschlägig beschieden hatte.

Anfang April 2009 wurde vor einem Bundesgericht in El Paso ein neues Verfahren gegen Posada Carriles eröffnet. Dem mittlerweile 81jährigen werden elf Anklagepunkte zur Last gelegt, darunter Meineid und Behinderung der Justiz. Während in früheren Verfahren lediglich seine illegale Einreise verhandelt wurde, kommt nun erstmals in den USA auch seine Beteiligung an den Bombenanschlägen in Kuba zur Sprache.

Unterdessen saßen die fünf Kubaner voneinander getrennt in Hochsicherheitsgefängnissen ein, wo sie 17 Monate auf ihren Prozeß in Miami warten mußten. Dort wurden mehr als 70 Zeugen gehört und über 800 Beweismittel zugelassen. Die zwölf Geschworenen, deren Vorsitzender sich öffentlich gegen Fidel Castro aussprach, richtete keine einzige Frage an die Angeklagten, was äußerst ungewöhnlich für ein derart umfangreiches Verfahren war. Die beiden zentralen Vorwürfe gegen die Anklagten waren charakteristisch für einen politischen Prozeß, da sie auf Verschwörung lauteten. Geht das Gericht erst einmal von einer Verabredung zu einem Verbrechen aus, braucht es nicht mehr zur Straftat also solcher zu kommen, um diese dennoch bei der Urteilsfindung in Rechnung zu stellen.

So wurden drei der fünf Kubaner beschuldigt, sich zum Zweck der Spionage verschworen zu haben, die sie irgendwann in der Zukunft vollziehen würden. Medien und Öffentlichkeit in Miami hatten längst dafür gesorgt, daß die Angeklagten durchweg als "kubanische Spione" bezeichnet wurden. Obwohl es gelungen war, 20.000 Seiten Korrespondenz zwischen den Fünfen und Kuba abzufangen, mußte die Anklage einräumen, daß man in ihrem Besitz kein einziges als geheim eingestuftes US-Dokument gefunden hatte. Von Gesetzes wegen muß jedoch solches Material präsentiert werden, wenn eine Anklage wegen Spionage erhoben werden soll.

Letztlich stützte sich der erste Vorwurf der Verschwörung auf den Umstand, daß einer der fünf Kubaner auf einem Militärstützpunkt gearbeitet hatte. Dieser war jedoch für die Öffentlichkeit zugänglich, und der Angeklagte hatte weder Zugang zum Sicherheitsbereich, noch solchen je beantragt. Überdies hatte ihn das FBI routinemäßig zwei Jahre überwacht, ohne die geringste Unregelmäßigkeit zu entdecken. Dennoch hämmerte die Staatsanwaltschaft der Jury immer wieder ein. daß die fünf Kubaner ins Land gekommen seien, "um die USA zu zerstören", was die Geschworenen im kubafeindlichen Südflorida nur zu gerne glaubten.

Der zweite Vorwurf der Verschwörung wurde sieben Monate nach dem ersten erhoben. Gerardo Hernandez habe gemeinsam mit kubanischen Regierungsmitgliedern den Abschuß zweier Kleinflugzeuge im Luftraum Kubas geplant, bei dem die vier Insassen den Tod fanden. Allerdings konnte die Anklagevertretung keinerlei stichhaltige Beweise vorlegen, die ihre Behauptung gestützt hätten. Daher mußte die Regierung im Verfahren "unüberwindliche Hindernisse" hinsichtlich des zweiten Vorwurfs der Verschwörung einräumen.

Nach siebenmonatiger Verhandlung wurden Gerardo Hernandez zu zweimal lebenslänglich sowie Antonio Guerrero und Ramon Labañino zu lebenslanger Haft verurteilt. Fernando Gonzalez und René Gonzalez erhielten 19 bzw. 15 Jahre Haft. Zwei von ihnen haben seit Jahren keinen Besuch ihrer Ehefrauen erhalten, was gegen US-Recht und internationale Normen verstößt. Der Protest von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen wurde stets zurückgewiesen.

Am 9. August 2005 gelangte eine Berufungsinstanz in Atlanta zu der Auffassung, daß die fünf Angeklagten in Miami keinen fairen Prozeß erhalten hätten, worauf sie die ergangenen Urteile aufhob. Dabei wurde erstmals in der US-amerikanischen Rechtsgeschichte eingeräumt, daß ausgehend von Florida Anschläge gegen Kuba verübt worden sind. Die befürchtete Antwort der Bush-Administration ließ nicht lange auf sich warten. Justizminister Albert Gonzalez ordnete an, daß alle zwölf Richter der Berufungsinstanz das Urteil des dreiköpfigen Gremiums vom August zu überprüfen hätten. Dieses Verfahren wird selten angewendet und ist normalerweise so gut wie aussichtslos, wenn wie im vorliegenden Fall das Urteil einstimmig gefällt worden war. Erstaunt nahm die interessierte Fachwelt zur Kenntnis, daß sich das Gericht am 31. Oktober 2005 dennoch bereiterklärte, die Entscheidung noch einmal zu überprüfen.

Am 1. April 2009 bekam Saul Landau vom Institute for Policy Studies, der zusammen mit Jack Willis eine Filmdokumentation über die fünf Kubaner dreht, Gelegenheit, im Gefängnis mit Gerardo Hernandez zu sprechen. In diesem Interview berichtet der Kubaner über ihre Mission in den USA, die Festnahme, den Prozeß und die Haftbedingungen. Charakteristisch für die Gefangenschaft sind deren offenbar von höchster Stelle verfügten Umstände, die darauf abzielen, die fünf Kubaner zu brechen und als Überläufer zu präsentieren. Einzelhaft, Isolation, Kontaktsperren und Besuchsverbote erfüllen den Tatbestand der Folter, doch haben sie ihren Zweck verfehlt. Wie Hernandez berichtet, habe er diese Tortur dank der Solidarität nicht nur in Kuba, sondern auch weltweit und in den USA überstanden, die man nicht vor ihm verbergen konnte. (Counterpunch 11.05.09)

Unter fortgesetzter Drangsalierung, gepaart mit Versprechen auf Freilassung und eine neue Existenz haben die US-Behörden kaum ein Mittel unversucht gelassen, um die fünf Gefangenen in Kronzeugen gegen das kubanische Gesellschaftssystem und die Regierung in Havanna zu verwandeln. Daß ihnen das nicht gelungen ist, sollte um so größerer Ansporn sein, den Widerstand der Cuban Five nie zu vergessen und sich für ihre sofortige Freilassung einzusetzen.

19. Mai 2009