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LATEINAMERIKA/2215: OAS-Generalversammlung hebt Suspendierung Kubas auf (SB)


Prestigeerfolg für die Kubaner - Schuß vor den Bug der USA


Nach fast einem halben Jahrhundert hat die Organisation Amerikanischer Staaten die Suspendierung Kubas aufgehoben und die Tür für eine Rückkehr in den Staatenverbund geöffnet. Die Generalversammlung der Gemeinschaft von 34 Staaten in Nord-, Mittel- und Südamerika fällte diesen Beschluß in Honduras ohne Vorbedingungen, wie der ecuadorianische Außenminister Fander Falconi hervorhob: Dies sei ein Augenblick der Freude für ganz Lateinamerika. "Mit dem heutigen Tag wurde ein historischer Fehler korrigiert", erklärte Falconi, der von einem Sieg für Kuba, die Länder Lateinamerikas und die Staaten der Bolivarischen Alternative für Amerika (ALBA) sprach, deren Gründungsmitglieder Venezuela und Kuba sind. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega sprach von einer "Nachricht der Hoffnung" und der honduranische Präsident José Manuel Zelaya rief als Gastgeber der Jahrestagung aus: "Heute ging in San Pedro Sula der Kalte Krieg zu Ende. Wir treten in eine neue Ära der Bruderschaft und Toleranz ein."

Das sozialistische Kuba war am 31. Januar 1962 vor allem auf Betreiben der USA aus dem Staatenverbund ausgeschlossen worden. Heute sind die Vereinigten Staaten das einzige Land in der westlichen Hemisphäre, das keine diplomatischen Beziehungen zu Havanna unterhält. Nach Amtsantritt Präsident Barack Obamas wurden unter anderem die Bedingungen für Reisen und Geldtransfers zwischen den USA und Kuba erleichtert, doch blieb diese zögerliche Geste weit hinter der Forderung sämtlicher Länder Lateinamerikas nach einem Ende der Blockade zurück. Beim Gipfel der OAS in Trinidad Mitte April hatten viele Mitglieder für eine Wiederaufnahme Kubas geworben. So hatte OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza damals seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, daß Kuba am nächsten OAS-Gipfel wieder als Mitglied teilnehmen werde.

Historisch gesehen pflegten die Vereinigten Staaten in Lateinamerika zu tun und zu lassen, was immer ihnen beliebte, wobei sie nur in Ausnahmefällen Widerstand zu erwarten hatten. Dieses Verhältnis hat sich in den letzten Jahren erheblich geändert, wie nicht zuletzt die früher undenkbare Geschlossenheit bei der Forderung nach einem Ende der Blockade Kubas dokumentiert. Durchaus symbolträchtig war auch die Amtseinführung von Präsident Mauricio Funes in El Salvador, der Anfang der Woche im Beisein Hillary Clintons die Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu Kuba ankündigte. Damit hatte auch das letzte Land Lateinamerikas diese Form der Ausgrenzung Havannas beendet und Washington allein im Regen stehenlassen.

Die Obama-Administration beschwört ein ums andere Mal ihren neuen Ansatz in der Lateinamerikapolitik und hält sich nach den Worten Clintons zugute, in vier Monaten mehr auf diesem Gebiet in Bewegung gebracht zu haben als zuvor in vielen Jahren erreicht worden sei. Sie befürwortet nun grundsätzlich eine Wiederaufnahme Kubas in die OAS, doch besteht sie darauf, daß Havanna deren Vorgaben für demokratische Reformen nachkommen muß. Somit stand die Generalversammlung im Zeichen des Ringens mit den USA, die vergeblich versuchten, Unterstützung für ihre kaschierte Blockadepolitik zu gewinnen. Hillary Clinton war bereits am Dienstag von dem OAS-Treffen in Honduras abgereist, ohne daß sich die 34 Mitgliedstaaten in dem Punkt einer Wiederaufnahme Kubas einigen konnten. Die US-Außenministerin schloß sich in Ägypten Präsident Barack Obama an, der heute seine mit Spannung erwartete Rede an die arabische Welt hielt.

Unterdessen kam am Tagungsort San Pedro Sula die Einigung der OAS-Vertreter in letzter Minute zustande, wobei dem Beschluß heftige und teilweise sehr emotionale Diskussionen vorausgegangen waren. Venezuelas Präsident Hugo Chávez, der zu den entschiedensten Fürsprechern Kubas gehört, wies die Haltung Washingtons empört zurück. Wie er in einem Telefongespräch mit seinem Außenminister Nicolás Maduro sagte, der das südamerikanische Land bei der Generalversammlung in Honduras vertrat, könne keinerlei Bedingung akzeptiert werden, die an Kuba gestellt werden soll. "Es geht um einen Übergriff, der heute noch anhält. Man muß das Gesicht mit Würde erheben, so wie wir und viele andere Regierungen Lateinamerikas und der Karibik es tun."

Auch Gastgeber José Manuel Zelaya drängte darauf, daß die Mitgliedsstaaten der OAS nicht zu "Komplizen des alten Fehlers" werden dürften, der 1962 mit dem Ausschluß Kubas begangen wurde. "Wir können nicht in diese Versammlung gehen, ohne diesen Fehler und diese Schande zu beseitigen." Zugleich würdigte er Kuba, dessen Volk dazu bereit sei "sich für seine Souveränität zu opfern und Widerstand zu leisten".

Um keinesfalls eine Niederlage einzugestehen, begrüßte Hillary Clinton später das Ergebnis mit den Worten, die Suspendierung habe sich historisch überlebt. Jetzt sei es wichtig, daß sich Kuba zu den Werten der OAS bekenne, beharrte die US-Außenministerin dabei auf eben jener Position der Vorbedingungen, welcher die Generalversammlung eine Absage erteilt hatte.

Der Beschluß der OAS ist eine Einladung zur Rückkehr, die man jedoch nicht mit einem Automatismus zur Wiederaufnahme Kubas gleichsetzen kann. Indessen hatte die kubanische Regierung unmißverständlich klargestellt, daß eine Rückkehr in die OAS für sie nicht in Frage kommt. Staatspräsident Raúl Castro favorisiert die ALBA, der inzwischen sechs linksgerichtete Staaten Lateinamerikas angehören. Bei einem ALBA-Gipfel hatte Castro im April in Venezuela betont, daß sein Land kein Interesse an einer Rückkehr in die OAS habe. Diese Organisation müsse abgeschafft werden, forderte der kubanische Staatspräsident. Daher dürfte der Beschluß von San Pedro Sula eine große Genugtuung für Havanna sein, aber nicht zu einer Rückkehr Kubas in die OAS führen. Vor wenigen Tagen hatte die Zeitung "Granma" unterstrichen, daß Kuba die OAS nicht brauche, woran auch eine Reform nichts ändern würde: "Wir werden niemals in dieses verfallene alte Haus Washingtons zurückkehren."

4. Juni 2009