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LATEINAMERIKA/2281: Regime verhängt Ausnahmezustand über Honduras (SB)


Machtkampf um den künftigen Kurs des Landes spitzt sich zu


Die Rückkehr Präsident Manuel Zelayas nach Honduras und sein Aufenthalt im Schutz der brasilianischen Botschaft in der Hauptstadt Tegucigalpa haben den Machtkampf um den künftigen Kurs des mittelamerikanischen Landes zugespitzt. Die Strategie der Putschisten, Zelaya gewaltsam aus seinem Amt zu entfernen und ihn dauerhaft von seinen Anhängern zu trennen, ist nicht aufgegangen. Daher wird der Handlungsspielraum des Regimes immer enger, dessen repressiver Charakter offen zutage tritt und kaum noch mit fingierten Verhandlungsangeboten kaschiert wird.

Präsident Zelaya rief die Bewegung des Widerstands zu massenhaftem Protest und einer "finalen Offensive" gegen die sogenannte Übergangsregierung auf. Heute vor drei Monaten war er gestürzt und außer Landes gebracht worden. Nun forderte er die Wiedereinsetzung in sein Amt und erklärte, die illegitime Regierung Roberto Michelettis müsse gestürzt werden. [1]

Diese sprach umgehend von einem Aufruf zur Revolte und verkündete im Rundfunk ein Dekret zur Sicherstellung von "Frieden und öffentlicher Ordnung", das die Bürgerrechte für 45 Tage außer Kraft setzte. Polizei und Streitkräfte wurden ermächtigt, nicht genehmigte öffentliche Versammlungen aufzulösen und Personen, die "eine Gefahr für das Leben anderer" darstellen, ohne Haftbefehl festzunehmen. Um einen Unterschied zur Verhängung des Kriegsrechts zu konstruieren, müssen Festgenommene einem Staatsanwalt übergeben werden. Zudem verfügten die Putschisten eine Einschränkung der Berichterstattung in den Medien, die sich gegen jene Radio- und Fernsehstationen richtet, die auf der Seite Zelayas stehen.

Die illegitime Übergangsregierung stellte der brasilianischen Regierung das Ultimatum, Zelaya binnen zehn Tagen den Schutz der diplomatischen Vertretung zu entziehen und ihm entweder politisches Asyl in Brasilien zu gewähren oder ihn der honduranischen Justiz zu überantworten. Andernfalls werde man der Vertretung in Tegucigalpa den diplomatischen Status entziehen, erklärte der Außenminister der Putschregierung, Carlos López Contreras, auf einer Pressekonferenz. Man verhalte sich sehr entgegenkommend, indem man auf die Erstürmung der Botschaft verzichte. Zugleich forderte er Brasilien dazu auf, Zelaya zur Aufgabe seiner "Aufrufe zur Gewalt" zu bewegen. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wies dieses Ansinnen entschieden zurück und erklärte, sein Land erkenne die Regierung unter Micheletti nicht an. [2] Brasilien lasse sich von Putschisten kein Ultimatum stellen. Der brasilianische Staatschef hatte bereits zuvor erklärt, Zelaya könne in der Botschaft bleiben, solange dies notwendig sei. [3]

Präsident Zelaya hält sich seit seiner heimlichen Rückkehr derzeit mit etwa 65 Familienmitgliedern, Unterstützern und Journalisten in der brasilianischen Botschaft auf. Die Putschisten ließen die friedlich versammelte Menge der Anhänger Zelayas gewaltsam zurückdrängen, kesselten das Gebäude ein und stellten zeitweise dessen gesamte Versorgung ab. Auch beschallte man die belagerten Menschen mit ohrenbetäubender Musik und leitete ein übelriechendes Gas ins Innere. Als die Lebensmittel der Eingeschlossenen zur Neige gingen, ließ es das Regime angesichts internationaler Warnungen zu, daß Nahrung ins Gebäude gebracht wurde. Diese Vorgehensweise entspricht dem schon zuvor an den Tag gelegten Kalkül der Putschisten, ihre Repression bis hart an die Schwelle einer unumkehrbaren Eskalation wie in diesem Fall die bislang vermiedene Stürmung der Botschaft heranzutreiben.

Das honduranische Regime verweigerte einem Team der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Einreise. Die fünf Mitglieder der Gruppe, die neue Vermittlungsbemühungen vorbereiten sollten, wurden eigenen Angaben zufolge bei ihrer Ankunft in Tegucigalpa abgefangen, stundenlang festgehalten und schließlich angewiesen, das Land wieder zu verlassen. Ein Kanadier, zwei US-Bürger und ein Kolumbianer wurden teils nach Costa Rica, teils in die USA zurückgeschickt.

Lediglich dem Leiter des Teams, John Biehl aus Chile, boten die Behörden schließlich an, in Honduras zu bleiben, wo er einen Besuch von OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza vorbereiten will. Wie der Außenminister der Übergangsregierung, Carlos López Contreras, als fadenscheinige Begründung anführte, seien die OAS-Mitarbeiter zurückgewiesen worden, weil sie trotz vorheriger Warnungen ihren Besuch nicht angekündigt hätten und überraschend eingetroffen seien.

Welch engen Schlingerkurs die Putschisten inzwischen fahren, läßt sich daran ablesen, daß die Delegation zuerst eingeladen, dann wieder ausgeladen, schließlich erneut eingeladen und zuletzt bei ihrem Eintreffen abgewiesen wurde. OAS-Generalsekretär Insulza bezeichnete es als unfaßbar, daß ein und dieselbe De-facto-Regierung dem Besuch zuerst zustimme und ihn kurz darauf wieder ablehne.

Die Micheletti-Regierung hat die Diplomaten Spaniens, Mexikos, Argentiniens und Venezuelas, die sich in Honduras befinden, aufgefordert, ihre Akkreditierung zurückzugeben und ihre Botschaften zu verlassen. Botschafter dieser Länder seien nicht länger willkommen, solange diese die Vertreter der Übergangsregierung nicht anerkennen. Dieser Schritt der Putschisten leitet den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den vier genannten Ländern ein.

Unterdessen wurde beim lateinamerikanisch-afrikanischen Gipfel auf der venezolanischen Insel Margarita eine Resolution angenommen, die den Putsch verurteilt und die Wiedereinsetzung Zelayas fordert. Luiz Inácio Lula da Silva verlas den Text, worauf dieser einstimmig gebilligt wurde. Wie der brasilianische Staatschef sagte, habe man zu hart dafür gekämpft, die Militärdiktaturen in den Mülleimer der Geschichte zu befördern, als daß man jetzt ihre Rückkehr auf diesem Kontinent zulassen könne.

Anmerkungen:

[1] Situation in Honduras bleibt verworren. Regierung setzt grundlegende Bürgerrechte ausser Kraft (28.09.09)
NZZ Online

[2] Honduras: Putschregierung verschärft Vorgehen gegen Proteste (28.09.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5j90nZF5k2EQz2qRP- oqFDKAgBkXQ

[3] Honduras Bars Diplomats as Political Crisis Grows (28.09.09)
New York Times

[4] Eine belagerte Botschaft (28.09.09)
http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=28092009ArtikelPolitikWeiss1

28. September 2009