Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

LATEINAMERIKA/2313: Liberale Internationale mischt im Putschgeschäft mit (SB)


Friedrich-Naumann-Stiftung treibt ihr Unwesen in Mittelamerika


Mit Guido Westerwelle im Amt des deutschen Außenministers schickt sich der hiesige parteipolitische Liberalismus an, die Welt mit seiner Version westlicher Suprematie zu überziehen. Wozu interventionistische Aggression liberaler Couleur fähig ist, läßt sich derzeit am Beispiel Mittelamerikas studieren. Auf dem Kongreß der Liberalen Internationale, der vor zwei Wochen in Ägypten stattfand, wurde der honduranische Putschistenführer Roberto Micheletti zum Vizepräsidenten der Organisation gewählt. Daß es sich dabei nicht um einen Betriebsunfall, sondern im Gegenteil einen Akt demonstrativer Parteinahme für das Regime handelte, unterstrich der LI-Vorsitzende Hans van Baalen, der auch für die niederländischen Liberalen im Europaparlament sitzt. Dieser lobte den Staatsstreich vom 28. Juni als "einen enormen und mutigen Akt zugunsten der Demokratie". Mit seinem Mut habe Micheletti die demokratische Präsidentenwahl am 29. November ermöglicht, hofierte van Baalen den verschlagenen Gegenspieler des entmachteten Staatschefs Manuel Zelaya. Van Baalen verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, daß Micheletti "nach seiner Zeit als Präsident von Honduras" eine aktivere Rolle in der Liberalen Internationale übernehmen werde, da er den Liberalismus Zentralamerikas der Welt nahebringen und die Demokratie in der Region stärken könne. Auf diese Weise will man van Baalens Vorstellungen zufolge insbesondere Nicaragua und die anderen Mitgliedsstaaten der Bolivarischen Allianz ALBA heimsuchen. [1]

Vor wenigen Tagen versuchte der putschfreudige Niederländer, in Nicaragua Unruhe gegen die sandinistische Regierung zu schüren. Auf einer Pressekonferenz rief er die Bevölkerung dazu auf, auf die Straße zu gehen, wie es die Ostdeutschen 1989 getan hätten. Er sei überzeugt, daß die Sandinisten Gewalt anwenden würden, um sich an der Macht zu halten, beschwor van Baalen geradezu einen blutigen Bürgerkrieg als vermeintliches Wasser auf seine Mühlen. Mit Blick auf die Wahlen im Jahr 2011 forderte er Präsident Ortega auf, er möge "auschecken" und sich einer erneuten Kandidatur enthalten. Wer sich derart offen und skrupellos in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischt wie die aktuelle Speerspitze des internationalen Liberalismus, tut dies natürlich in unfehlbarer Mission: Die Demokratie sei "ein internationaler Wert", erhob der Niederländer sein eigenwilliges Verständnis demokratischer Gesinnung zur allumfassenden Doktrin, an der die Welt genesen müsse.

Dabei war es doch das deutsche Wesen, an dem die Welt einst genesen sollte. Daß dem längst wieder so ist, meint offenbar der Zentralamerika-Direktor der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, Christian Lüth, der gemeinsam mit der Honduras-Direktorin dieser Stiftung, Rosalinda Sabillón, und Hans van Baalen mit Roberto Micheletti zusammentraf. Der Niederländer war in Nicaragua des Landes verwiesen worden, worauf er sich nach Tegucigalpa begab, um sich mit dem Chef des honduranischen Putschistenregimes zu beraten.

Daß die deutschen Liberalen den Staatsstreich in Honduras von Anfang an unterstützt haben, ist kein Geheimnis. Als Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung hatte Christian Lüth bereits wenige Stunden nach dem Umsturz auf der Seite der Stiftung einen Kurzbericht veröffentlicht, in dem er die "Rückkehr zu Rechtsstaat und zu Verfassungsmäßigkeit" durch den Militärputsch lobte. Der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärt hingegen, er verurteile die Verhaftung und Exilierung von Präsident Zelaya. Dieses Vorgehen verletze die verfassungsmäßige Ordnung der Republik Honduras.

Die Linkspartei ließ diesen eklatanten Widerspruch zwischen der offiziellen Haltung der Bundesregierung und der Stellungnahme der FDP-nahen Stiftung nicht auf sich beruhen und brachte die Lage in Honduras auf die Tagesordnung des Bundestags. Auf Anfrage der Abgeordneten Heike Hänsel verwies der SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, auf die Erklärung von Außenminister Steinmeier und anderen Regierungen sowie von internationalen Organisationen. Sie alle hätten den Putsch einhellig abgelehnt und die Rückkehr zur Demokratie gefordert. Den Bericht der Naumann-Stiftung kannte Erler eigenen Angaben zufolge nicht. Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, sprach von einem Skandal und forderte die FDP auf, sich "klar und unmißverständlich" von der Rechtfertigung eines Militärputsches zu distanzieren.

Die FDP hatte jedoch offenbar ebensowenig Probleme mit der Positionierung der Friedrich-Naumann-Stiftung wie die Bundesregierung, die keinerlei Veranlassung sah, die aus Steuergeldern finanzierte Tätigkeit der Stiftung in Honduras einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Das ging aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor.

In seinem Länderbericht vom 2. Juli führte Lüth die Verurteilung des Staatsstreichs durch die UNO und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) auf eine "gute Lobbyarbeit" Zelayas und der Mitgliedsstaaten der Bolivarischen Allianz der Amerikas (ALBA) zurück: "Obwohl die Absetzung des Präsidenten Zelaya in Honduras auf der Grundlage der Verfassung abgewickelt wurde, will der entmachtete Präsident mit Hilfe seiner Verbündeten Chávez und Ortega notfalls auch mit militärischer Gewalt zurück an die Macht", behauptete Lüth. [2]

Wie die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung zieht auch die Friedrich-Naumann-Stiftung in Lateinamerika ihre Fäden, um ihrem Entwurf angemessener Herrschaft zur Durchsetzung zu verhelfen. Offenbar schreckt diese Einflußnahme selbst vor handgreiflichen Auseinandersetzungen nicht zurück: Medienberichten zufolge gingen Mitglieder der von der Stiftung geförderten Jugendorganisation "Generation für den Wandel" gewaltsam gegen Anhänger des gewählten Präsidenten Zelaya vor. [3]

Als die Abgeordnete der Linksfraktion Sevim Dagdelen eine weitere Anfrage zu diesem Thema auf die parlamentarische Tagesordnung brachte, antwortete Peter Ammon, Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Wie dieser erklärte, seien die umstrittenen Berichte der Naumann-Stiftung in deren eigenem Namen publiziert worden. Sie würden weder vom Gastland noch von der internationalen Gemeinschaft als Haltung der Bundesregierung verstanden. [4]

Diese verhaltene Distanzierung der Bundesregierung signalisierte zugleich, daß die Stiftung tun und lassen kann, was sie will, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Am 5. August führte die FDP-nahe Stiftung in Deutschland eine geschlossene Veranstaltung durch, an der mehrere Vertreter der Putschregierung teilnahmen. Dabei wußte der liberale Ableger nur zu gut, daß er mit seiner Ablehnung Zelayas keineswegs allein steht. "Die Welt" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" prügelten bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf den entmachteten honduranischen Präsidenten ein und gaben ihm die Schuld für den Staatsstreich. Weder der breite Strom der deutschen Medien, noch das Gros der politischen Parteien wünschen sich einen einflußreichen Präsidenten Zelaya zurück, der sein begonnenes Werk fortsetzt.

Obgleich der Putsch in Honduras weithin verurteilt wurde, geschah dies keineswegs aus übereinstimmenden Motiven. Unmittelbar nach der Entmachtung Zelayas übten die EU, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon harsche Kritik an der Festnahme und Verschleppung des honduranischen Präsidenten, dessen Wiedereinsetzung ins Amt sie forderten. US-Präsident Obama rief alle Seiten auf, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu respektieren, wobei sich Washington nur nach offizieller Lesart bemühte, eine Rückkehr Zelayas zu erwirken. Die Vereinten Nationen verurteilten den Putsch, die Weltbank fror Kredite an Honduras ein und insbesondere die meisten Länder Lateinamerikas machten Front gegen die Putschisten. Die Bolivarische Alternative ALBA, deren Mitglied Honduras seit 2008 ist, die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), die Rio-Gruppe und das Zentralamerikanische Integrationssystem (SICA) forderten die sofortige Wiedereinsetzung Zelayas. Auch die OAS, die früher ein bloßes Werkzeug der USA gewesen war, zeigte entschieden Profil und verurteilte den Staatsstreich. In Anwesenheit Zelayas sprach sich die UNO-Vollversammlung in New York für die umgehende und bedingungslose Wiedereinsetzung des Staatschefs aus.

Diese breite Front erweckte den Eindruck, die "internationale Gemeinschaft" handle endlich einmal in erstaunlicher und erfreulicher Einmütigkeit, um dem gewaltsamen Sturz einer demokratisch gewählten Regierung einen Riegel vorzuschieben. Auch wenn man hinsichtlich Zelayas keineswegs einig sei, habe man doch endlich einen allgemeinverbindlichen Standard für legitim erachteten politischen Handelns erreicht, mochten viele gehofft haben. So gesehen schien sich die Friedrich-Naumann-Stiftung allzu weit aus dem Fenster gelehnt und selbst ins Abseits manövriert zu haben.

Sich über den vermeintlichen Sonderweg der Stiftung zu empören und den angeblichen Konsens gegen sie ins Feld zu führen, wäre jedoch ein kolossales Eigentor. Weder fanden ihre Umtriebe nennenswerte negative Resonanz in der hiesigen Medienlandschaft, noch hatte sie Einbußen gleich welcher Art zu befürchten. Schließlich wurde Jugoslawien zerschlagen, Afghanistan überfallen, der Irak angegriffen und vieles mehr im Dienst weltweiter Herrschaftssicherung eben jener Mächte bewerkstelligt, die beim Umsturz in Honduras plötzlich Anstand und Moral wiederentdecken und demonstrativ auf den Tisch hauen.

Wenn Honduras jemandem gehört, dann gewiß nicht den Honduranern, sondern einigen wenigen einflußreichen Familien und nicht zuletzt den USA, die das Land als ihren Brückenkopf in Mittelamerika betrachten. Daran soll weder Zelaya, noch dessen wachsende Anhängerschaft rütteln. Allerdings hat sich Lateinamerika in den letzten Jahren zu einer Weltregion gemausert, die auf imperialistische Angriffe und hegemoniale Brachialgewalt außerordentlich empfindlich reagiert und George W. Bush bereits öffentlich zum Teufel gewünscht hat, als man ihn anderswo noch mit offenen Armen empfing. Das war nicht zuletzt das Verdienst des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und seiner Verbündeten, deren Einfluß eine gewaltige Gegnerschaft auf den Plan gerufen hat.

So wenig Angriffskriege, Besatzungsregimes und Massaker auch in Lateinamerika ausgeschlossen sind, setzt man dort inzwischen auf die modifizierte Doktrin des kaschierten Staatsstreichs, der als Erhebung der Bevölkerung gegen ein angeblich autokratisches Regime ausgewiesen wird. Der Putschversuch in Venezuela, der Umsturz in Haiti und die Entmachtung Zelayas in Honduras liegen trotz ihrer jeweils unterschiedlichen Spezifika und Verläufe auf einer Linie: In allen drei Fällen führte Washington Regie und wusch sich doch die Hände in Unschuld. Wenn der interventionistische Impetus einer Liberalen Internationale daher seine Intrigen spinnt und von Teilhabe an der Regulation des Weltgeschehens träumt, hat sein Wahnwitz nicht nur System, sondern auch gute Aussichten, sich in diesem Hauen und Stechen für den Fronteinsatz zu melden und rekrutiert zu werden.

Anmerkungen:

[1] Liberale Putschisten. Umsturz in Nicaragua gefordert, Regime in Honduras hofiert (17.11.09)
junge Welt

[2] Neoliberale Putschunterstützung. Die deutsche Friedrich-Naumann- Stiftung hilft bei Destabilisierung zentralamerikanischer Regierungen (04.07.09)
junge Welt

[3] Putschisten als Schützer des Rechts? (11.07.09)

Neues Deutschland

[4] Auf der Seite der Putschisten. Positionierung der Naumann-Stiftung in Honduras sorgt für Empörung (29.07.09)
Neues Deutschland

17. November 2009