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LATEINAMERIKA/2422: US-Interventionismus - Großmanöver in Panama (SB)


Militärübung "Panamax 2010" im Kontext hegemonialer Suprematie


Im Kontext hegemonialer Suprematie der Vereinigten Staaten in Lateinamerika war Panama mit der Kanalzone stets eine zentrale Komponente, die Washington mit Argusaugen unter Beobachtung hielt. Als General Omar Torrijos am 11. Oktober 1968 mit Hilfe der Nationalgarde den US-hörigen Präsidenten Arnulfo Arias stürzte, mußten die nationalen Eliten um ihre Privilegien und die USA um ihre Kontrolle des Panamakanals fürchten. Obgleich Torrijos einer Junta vorstand, wäre es irreführend, ihn ohne weitere Erklärung als Diktator zu bezeichnen, da er nicht dem klassischen Profil lateinamerikanischer Putschoffiziere entsprach, die als Statthalter US-amerikanischer Interessen fungierten. Inspiriert von Gamal Abdel Nassers Nationalisierung des Suezkanals strebte Omar Torrijos eine Neuorientierung des Landes an, die sozialökonomische Reformen und Ansätze nationaler Souveränität umfaßte. Er bot Washington die Stirn und handelte mit dem damaligen US-Präsidenten James Carter erfolgreich die später vollzogene Rückgabe des Panamakanals aus. Mindestens ebenso wichtig wie die Rückgewinnung der Kanalzone waren sozialpolitische Reformen und ein Demokratisierungsprozeß, die dem Land ein passables Sozialsystem und Einkommensniveau bescherten.

Auch die damalige Wende in der Außenpolitik Panamas stieß in Washington auf heftige Ablehnung, hegte General Torrijos doch unverhohlene Sympathie für die Sandinisten in Nicaragua. Im Jahr 1981 war er einer von vier fortschrittlichen Präsidenten lateinamerikanischer Staaten, die unter dubiosen Umständen ums Leben kamen. Wenngleich dies nie bewiesen werden konnte, dürfte der von der CIA aufgebaute General Manuel Antonio Noriega für den tödlichen Hubschrauberabsturz verantwortlich gewesen sein.

In Panama war lange das Südkommando der US-Streitkräfte stationiert, die mit der Howard Air Force Base über einen großen Luftwaffenstützpunkt im Land verfügten. Die Rückgabe der Kanalzone Ende 1999 und die Schließung des Stützpunkts im folgenden Jahr machten eine Verlegung der Kommandozentrale und eine stärkere Inanspruchnahme anderer Militärbasen erforderlich. Im Rahmen der nach Ende des Kalten Krieges weiterentwickelten Militärdoktrin lösten die USA die meisten riesigen Außenposten mit zehntausenden Soldaten in der Nähe des potentielles Feindes auf und ersetzten sie durch das Konzept, die Streitkräfte im eigenen Land vorzuhalten und bei Bedarf an ihre jeweiligen Einsatzorte zu entsenden. Um diese hohe Mobilität zu gewährleisten, bedarf es einer großräumigen Infrastruktur von Stützpunkten, die mit einer kleinen Besatzung auskommen und dennoch im Krisenfall kurzfristig große Kontingente aufnehmen können. Um diese Einrichtungen zu unterhalten, müssen entsprechende Abkommen mit den Gastländern geschlossen werden, die damit die Militärpräsenz einer fremden Macht auf ihrem Territorium dulden.

Unter dem Vorwand des "Antidrogenkriegs" wurden in Lateinamerika vorgelagerte Operationsstützpunkte (Forward Operating Locations) bezogen und betrieben, die der Überwachung und Durchdringung der gesamten Region dienen. Die US-Streitkräfte unterhalten Stützpunkte in Aruba, Costa Rica (Liberia), El Salvador (Comalapa), Honduras (Soto Cano), Kolumbien (sieben Basen), Kuba (Guantánamo Bay), den Niederländischen Antillen (Curaçao), Paraguay (Mariscal Estigarribia), Peru (Iquitos und Nanay) sowie Puerto Rico (Roosevelt Roads).

Unter die Kategorie FOL fallen insbesondere Comalapa in El Salvador sowie die Basen auf den niederländischen Karibikinseln Aruba und Curaçao, die zusammen mit dem Großstützpunkt Mariscal Estigarribia in Paraguay einen riesigen Ring um das Amazonasbecken bilden und neben dieser zentralen Region ganz Süd- und Mittelamerika samt der Karibik bedrohen. So liegen beispielsweise die Niederländischen Antillen und Aruba nur 40 Seemeilen nördlich von Venezuela und damit nur einen militärischen Katzensprung von einer möglichen Invasion entfernt.

Als der Präsident Ecuadors, Rafael Correa, sein Wahlversprechen, den 2009 auslaufenden Pachtvertrag für den Stützpunkt Manta nicht zu verlängern, umsetzte und das Parlament dieser wegweisenden Entscheidung seinen Segen gab, verloren die US-Militärs ihre damals wichtigste vorgelagerte Basis. Die dort eingesetzte Hochtechnologie und die AWACS-Aufklärer, deren Radarsystem eine Reichweite von 320 Kilometern hat, hatten diesen Stützpunkt zum bedeutendsten Lauschposten der US-Streitkräfte in Südamerika gemacht. Hinzu kamen Hercules-Transporter und P3-Orion-Maschinen, welche die Spionagetätigkeit und mobilen Kapazitäten komplettieren. Tägliche Patrouillenflüge auf der Suche nach Drogenschmugglern woben ein Netzwerk nahezu lückenloser Überwachung, das von Satelliten im Orbit, weitreichenden Radarstationen am Boden und großräumig verteilten Sensoren vervollständigt wurde.

Nach der Schließung des US-Stützpunkts in Manta gewann der Militärflugplatz Mariscal Estigarribia in Paraguay zusätzlich an Bedeutung, dessen strategische Vorteile sich aus der Nähe zum Dreiländereck Paraguay, Brasilien und Argentinien, Bolivien mit seinen Erdgas- und Erdölreserven sowie zu den Acuifero Guarani, einem der drei größten Trinkwasserreservoire der Welt, ergibt. Ein im Jahr 2005 geschlossener Vertrag der USA mit Paraguay wurde mit finanziellen Zuwendungen erkauft und sichert den amerikanischen Soldaten für begangene Straftaten völlige Straffreiheit vor paraguayischen Gerichten zu. Die Basis ist für die Unterbringung von bis zu 16.000 Soldaten ausgelegt, hat ein weitreichendes Radarsystem, große Flugzeughallen und eine Landebahn von 3,8 km Länge und 80 m Breite, auf der große Flugzeuge vom Typ C-5-Galaxy und B-52-Bomber starten und landen können.

Verträge zwischen den Regierungen der USA und der Niederlande regeln die Nutzung des Queen Beatrix International Airport auf Aruba und des Hato International Airport im nahegelegenen Curaçao als Stützpunkte der US-Streitkräfte. Ausgewiesener Zweck der Basen ist die Überwachung und der Einsatz gegen Drogenschmuggler in der Karibik. Insbesondere der Stützpunkt Hato auf Curaçao ist Gegenstand einer Kontroverse zwischen Caracas und Washington, da die Insel immer häufiger von US-Kriegsschiffen angelaufen wird und sich die Überwachungsflüge von der kleinen Basis häufen, die am Ende des internationalen Flughafens liegt. An klaren Tagen kann man von den Hügeln der Hauptstadt Willemstad die Küste Venezuelas erkennen, was das Unbehagen jenseits der Meerenge nur allzu verständlich macht. Natürlich versichern US-Militärs unerschütterlich, der Stützpunkt diene keinem andern Zweck, als der Suche nach Drogenschmugglern und allenfalls noch einem kurzen Landgang der Seeleute. Hingegen spricht die venezolanische Regierung von der Gefahr einer Invasion, bei der Hato eine zentrale Rolle spielen könnte.

International umstritten ist auch ein Abkommen, das die Einrichtung von sieben US-Militärbasen in Kolumbien gestattet. Venezuela sieht sich unmittelbar bedroht, weil US-Truppen von dort aus innerhalb von zwanzig Minuten venezolanisches Gebiet erreichen können. Auch Brasilien, Argentinien und andere Länder kritisieren die Stützpunkte als Gefahr für Frieden und Stabilität in der Region. Vor wenigen Tagen hat das Verfassungsgericht in Bogotá das im vergangenen Jahr unterzeichnete Abkommen für verfassungswidrig erklärt. Die Vereinbarung müsse vom Parlament ratifiziert werden, wobei der Vertrag auch "neue Verpflichtungen für den kolumbianischen Staat" beinhalte. So werde ausländischen Staatsangehörigen das Tragen und Benutzen von Waffen auf kolumbianischem Staatsgebiet gestattet. Der Anfang August aus dem Amt geschiedene Staatschef Alvaro Uribe hatte "Gründe der nationalen Sicherheit" ins Feld geführt, um eine Debatte im Kongreß zu verhindern. Die neue Regierung von Präsident Juan Manuel Santos hat nun ein Jahr Zeit, das Abkommen dem Parlament vorzulegen.

In einem ähnlichen Fall ist auch beim Verfassungsgericht in Costa Rica eine Klage anhängig, die sich gegen die Stationierung von 46 US-Kriegsschiffen, darunter zwei Flugzeugträgern, an der Küste des Landes richtet. Bis zu einem Urteil liegt die am 1. Juli vom Parlament verabschiedete Genehmigung der Truppenstationierung auf Eis. [1]

Neben den Militärstützpunkten an Land stellt auch die von der Bush-Regierung reaktivierte Vierte US-Flotte eine permanente Bedrohung dar. Sie verfügt über Trägereinheiten, Landungsschiffe sowie kleinere Boote zum Befahren von Flüssen, die sie allen gegenteiligen Beteuerungen der US-Streitkräfte zum Trotz als schlagkräftige Interventionsstreitmacht ausweist. Auch Brasilien hat Einwände gegen diese Militärpräsenz erhoben, die sie als Gefahr für die Ölvorkommen vor der eigenen Küste wie auch des Amazonasgebiets auffaßt.

In dieser Woche hat vor der Küste Panamas und Kolumbiens sowie in den US-Bundesstaaten Florida und Virginia das internationale Militärmanöver "Panamax 2010" begonnen. Unter dem Kommando von Luftwaffengeneral Douglas Fraser, der auch das US-Südkommando befehligt, simulieren mehr als 2.000 Soldaten aus drei Waffengattungen zwölf Tage lang die Abwehr einer möglichen Bedrohung des Panamakanals. Beteiligt sind Luft-, See- und Landstreitkräfte, darunter auch die Zweite und Vierte Flotte der US-Marine. Neben dem Truppenaufmarsch vor Ort werden die Übungen von Kommandozentralen des US-Militärs in Miami und Mayport sowie Northfolk in Virginia überwacht. [1]

Im Jahr 2009 beinhaltete ein ähnliches Manöver "antiterroristische Aktionen". Die aktuelle Übung "Panamax" diene der "Verbesserung der Einsatzplanung der teilnehmenden Nationen, um auf mögliche Bedrohungen rund um den Panamakanal effizient zu reagieren und auf humanitäre Katastrophen in der Region vorbereitet zu sein", erklärte ein Sprecher der US-Marine nun. [2] An dem Manöver nehmen nach Auskunft der US-Armee insgesamt 18 Staaten des amerikanischen Kontinents teil, wobei den USA und Kanada eine führende Rolle zukommt. Aktiv beteiligt sind Belize, Brasilien, Kanada, Chile, Kolumbien, die Dominikanische Republik, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru und Uruguay, während Argentinien, Ecuador und Mexiko als Beobachter fungieren. Nicht einbezogen sind hingegen Bolivien, Costa Rica, Haiti, Kuba und Venezuela. [3]

Da das Großmanöver in unmittelbarer Nähe Venezuelas zu einem Zeitpunkt stattfindet, in dem die Spannungen zwischen Washington und Caracas zugenommen haben und der Konflikt zwischen Venezuela und Kolumbien gerade erst beigelegt ist, drängt sich ein Zusammenhang zwangsläufig auf. Bedeutsam ist die Militärübung zugleich im innenpolitischen Kontext Panamas, wo vor gut einem Monat ein Generalstreik gegen neoliberale Maßnahmen der Regierung unter dem rechtsgerichteten Unternehmer und amtierenden Präsidenten Ricardo Martinelli stattgefunden hat. Da die Regierung die Akteure des Protests, an dem sich auch Arbeiter der Kanalgesellschaft beteiligten, als "Terroristen" diskreditiert hat, muß man das Manöver nicht zuletzt als Drohung gegen soziale Bewegungen im Land einstufen.

Panama ist von extremen sozialen Unterschieden geprägt, da eine prosperierende Elite und die gehobene Mittelschicht ein beachtliches Wirtschaftswachstum auf dem Rücken einer in Armut lebenden Mehrheit realisiert, die in den Städten als Subproletariat und insbesondere in der zu einem erheblichen Teil indígenen Landbevölkerung überproportional hoch von Armut betroffen ist. Am 1. Juli 2009 trat der konservative Unternehmer und Multimillionär Ricardo Martinelli das Präsidentenamt an, der in diesem Sommer versuchte, das als "Reform des Arbeitsmarkts" ausgewiesene novellierte "Gesetz 30" in Stellung zu bringen. Diese Initiative soll durch Aushebelung arbeitsrechtlicher Garantien die Kräfteverhältnisse deutlich zugunsten der Wirtschaftsunternehmen verschieben. Die Gesetzesreform erlaubt es Unternehmen, streikende Arbeiter durch neue Arbeitskräfte zu ersetzen, sie schafft Unternehmeranteile für Sozialleistungen ab und entbindet Betriebe von der Pflicht, Gewerkschaftsbeiträge für ihre Beschäftigten direkt an die Gewerkschaften abzuführen, was zweifellos auf deren Schwächung abzielt. Zudem sollen Umweltgutachten für private Investitionen künftig nicht mehr zwingend notwendig sein, und nicht zuletzt erhält die Polizei weitreichenden Kompetenzen, gegen sozialen Protest vorzugehen.

Im Verlauf der Auseinandersetzungen um das "Gesetz 30" kam es zu Landarbeiterprotesten in der nordöstlichen Provinz Bocas del Toro, wo die Bananenpflücker der Bocas Fruit Company mit Streiks und Straßenblockaden für höhere Löhne und gegen das neue Gesetz zu Felde zogen. Ihr Protest wurde von schwer bewaffneten Polizeieinheiten niedergeschlagen, wobei mehrere Demonstranten durch Schüsse getötet und viele weitere schwer verletzt wurden. Zudem wurden weit über hundert Menschen festgenommen und Journalisten gezielter Repression ausgesetzt.

Der Präsident gab sich zunächst unversöhnlich, verhängte eine mehrtägige Ausgangssperre und ließ Haftbefehle gegen Gewerkschaftschefs ausstellen. Daraufhin breitete sich der Protest auf das ganze Land aus. In Panama-Stadt wurden Verkehrsverbindungen blockiert, die Universität stellte den Lehrbetrieb ein und die Arbeiter auf der Großbaustelle am Panamakanal schlossen sich den Kämpfen an. Um den drohenden Flächenbrand eines um sich greifenden sozialen Konflikts einzudämmen, handelte die Regierung mit Arbeiterverbänden aus, binnen 90 Tagen über eine geplante Änderung der Arbeitsgesetzgebung zu verhandeln und die im Zuge des Protests Verhafteten freizulassen. Die Vorgehensweise der Regierung Martinelli zeugte indessen von der Entschlossenheit dieser Administration, sozialen Protest gegen Hungerlöhne und reaktionäre Gesetze gewaltsam niederzuschlagen.

Anmerkungen:

[1] Richter stoppen Militärs (19.08.10)

junge Welt

[2] USA starten Großmanöver vor Panama. Über 2000 Soldaten an Übung "Panamax 2010" beteiligt. Abwehr von Bedrohung des Panamakanals wird simuliert. Kritik aus dem Land (20.08.10)
http://amerika21.de/nachrichten/2010/08/10476/usa-grossmanoever-panama

[3] USA planen Manöver in Lateinamerika. Übung Panamax dient der Verbesserung der Einsatzplanung (14.08.10)
http://latina-press.com/news/40114-usa-plant-manoever-in-lateinamerika/

[4] Panamax: USA starten gemeinsames Manöver mit 19 Staaten. Militärische Übung kurz vor Beginn (17.08.10)
http://latina-press.com/news/40558-panamax-usa-starten-gemeinsames-manoever-mit-19-staaten/

20. August 2010