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MILITÄR/861: Kaufen die Saudis Atombomben aus Pakistan? (SB)


Kaufen die Saudis Atombomben aus Pakistan?

Konfrontation am Persischen Golf birgt ungeahnte nukleare Gefahren



Am Persischen Golf stehen sich die Streitkräfte der USA und des Irans unversöhnlich gegenüber. Das Ölimportverbot der EU und die Wirtschaftssanktionen der USA, gepaart mit den Drohungen Teherans, im Gegenzug die Straße von Hormus für den Tankerverkehr zu sperren, haben die Spannungen deutlich ansteigen lassen. Viele Beobachter befürchten, daß der Streit um das iranische Atomprogramm demnächst in einen regelrechten Krieg umschlagen wird. An der militärischen Auseinandersetzung wären auf Seiten der USA eventuell auch Israel und die sunnitische Führungsmacht Saudi-Arabien beteiligt, die ihre eigenen Hegemonialbestrebungen in der Region durch diejenige des schiitischen Irans in Frage gestellt sehen.

Im Falle eines solchen Regionalkonfliktes besteht die Möglichkeit, daß eine der Parteien Atomwaffen einsetzt. Die USA drohen jedesmal indirekt damit, wenn Präsident Barack Obama, Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Leon Panetta erklären, daß "alle Optionen auf dem Tisch" seien. Israel, das angeblich über mehr als 200 Atomsprengköpfe verfügt, könnte sich dazu genötigt fühlen, davon teilweise Gebrauch zu machen, um die eine oder andere unterirdische Atomanlage des Irans restlos zu vernichten. Bisher gibt es keine Erkenntnisse, daß der Iran eine funktionsfähige Atomwaffe besitzt, mit der Teheran im Notfall das Geschehen zu seinen Gunsten zu drehen versuchen könnte. Doch ausschließen kann man eine solche Möglichkeit trotzdem nicht.

Die USA begründen ihre Position im sogenannten "Atomstreit" mit dem Iran unter anderem mit der Sorge um die Verbreitung von Nuklearwaffen in der ohnehin politisch instabilen Region zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean. Bekämen die "Mullahs" in Teheran die Atombombe, wären die Saudis, die Beschützer der heiligen Städte Mekka und Medina, praktisch gezwungen gleichzuziehen, so die nachvollziehbare Logik Washingtons. Wie Akut jene Gefahr ist, zeigen die jüngsten Spekulationen über den Kauf pakistanischer Atomwaffen durch Saudi-Arabien. Über das Thema berichtete am 25. Juli die Nachrichtenagentur United Press International unter der Überschrift "Saudis 'mull buying nukes from Pakistan'", wobei hier "mull" "überlegen" heißt.

Das ölreiche und finanzkräftige Saudi-Arabien steht ohnehin seit langem unter Verdacht, den Bau der pakistanischen Atombombe heimlich subventioniert zu haben. Sollte das stimmen, hätte Riad eventuell einen gewissen Mitbestimmungsanspruch, was den Einsatz der einzigen islamischen Atombombe der Welt betrifft. Der Einfluß Saudi-Arabiens in Pakistan ist ohnehin groß. Beide Staaten gelten als sunnitisch-dominiert. Seit Jahren finanzieren die Saudis in Pakistan zahlreiche Schulen, deren Besucher ein fundamentalistisches, salafistisches Weltbild eingetrichtert bekommen. Als letztes Jahr die Truppen Saudi-Arabiens halfen, die Demokratiebewegung der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in Bahrain niederzuschlagen, sollen sie die Unterstützung pakistanischer Ex-Soldaten bekommen haben.

Vor wenigen Tagen traf sich in Dschiddah der saudische König Abdullah mit dem neuen pakistanischen Premierminister Raja Pervez Ashraf. Bei den Gesprächen am Roten Meer ging es unter anderem um die Entsendung saudischer Spezialstreitkräfte zu Ausbildungzwecken nach Pakistan. Im vorhin erwähnten UPI-Bericht wurde spekuliert, Abdullah und Ashraf könnten auch über pakistanische Atomwaffen für Saudi-Arabien im Falle eines Krieges gegen den Iran gesprochen haben. Man verwies auf eine vor kurzem in der Zeitschrift American Interest erschienene Analyse, in der Christopher Clary und Mara E. Karlin, beide ehemalige Berater des Pentagons und Experten für den Nahen Osten und Südasien, vor einer entstehenden Nuklearpartnerschaft zwischen Riad und Islamabad warnten.

Wie weit diese Partnerschaft bereits gediehen sein könnte, geht aus einer Meldung des mossad-nahen, israelischen Internetportals Debkafile vom Dezember 2010, auf die im UPI-Bericht Bezug genommen wurde, hervor. Demnach halten die Pakistaner zwei Atomwaffen für die ausschließliche Nutzung durch Saudi-Arabien rund um die Uhr bereit. Sie sollen auf dem nordpakistanischen Luftwaffenstützpunkt Kamra gelagert sein. Zwei riesige saudische Transportmaschinen sollen ebenfalls dort stationiert sein, deren Besatzung in Dauerbereitschaft stehen. In der Debka-Meldung wird wie folgt beschrieben, wie der Einsatz dieser Mannschaft im Ernstfall aussehen könnte: "Nach Erhalt eines doppelt kodierten Signals von König Abdullah und dem Director of General Intelligence [dem saudischen Geheimdienstchef - Anm. d. SB- Red.] werden sie die Nuklearwaffen nach Hause fliegen".

Am 19. Juli hat Abdullah seinen bisherigen Nationalen Sicherheitsberater, Prinz Bandar bin Sultan bin Abdul Asis, zusätzlich zum Geheimdienstchef ernannt. Bandar, der von 1983 bis 2005 Botschafter in Washington war, gilt als Verbündeter der US-Neokonservativen und aggressiver Macher. Die Beförderung des ehemaligen Luftwaffenpilots zum zweitmächtigsten Mann Saudi-Arabiens wird in amerikanischen und israelischen Expertenkreisen als unzweideutige Antwort Riads auf den sich verschärfenden Bürgerkrieg in Syrien und die Konfrontation mit dem Iran gewertet.

27. Juli 2012