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MILITÄR/874: Vernichtung von Syriens Chemiewaffen erfolgt auf See (SB)


Vernichtung von Syriens Chemiewaffen erfolgt auf See

Sicherheit der Transportwege in Syrien bisher das größte Problem



Durch die Entscheidung, auf sein komplettes Chemiewaffenarsenal zu verzichten, hat Syrien Anfang September angedrohte Raketenangriffe der USA verhindern können. Besiegelt wurde der Verzicht durch den formellen Beitritt Syriens zur internationalen Chemiewaffenkonvention am 12. September. Seitdem sind Experten der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (englisch: Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, OPCW) in Syrien unterwegs, um die entsprechenden Produktionsstätten betriebsunfähig zu machen und das Zusammentragen sämtlicher Bestände an chemischen Kampfstoffen und ihren Vorläuferprodukten zu überwachen. Zum Teil als Reaktion auf die überraschende Deeskalation des Syrienkonflikts wurde im November die OPCW mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Anfang des Jahres soll die physische Vernichtung der syrischen Chemiewaffen erfolgen - auf hoher See, wie am 4. Dezember in New York Sigrid Kaag, Koordinatorin der OPCW-Mission in Syrien, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und anschließend die Presse informierte.

Insgesamt hat Syrien 1300 Tonnen Chemiewaffen deklariert. Unter den Augen von OPCW-Experten werden derzeit diese Chemikalien, darunter rund 500 Tonnen hochgefährlicher Nervengifte wie Sarin, an zwei Sammelpunkten bei Damaskus und Homs in spezielle Behälter gefüllt und für den Straßentransport in regulären Schiffscontainern vorbereitet. Von Homs und Damaskus sollen die Container in den kommenden Wochen zur Hafenstadt Latakia gefahren werden. Dort werden sie auf ein dänisches Transportschiff geladen, das sie wiederum in internationalen Gewässern des Mittelmeers zu einem Spezialschiff der US-Marine, der Cape Ray, bringt, die derzeit in Norfolk mit einem Hydrolyse-System ausgerüstet wird, mit dem man die hochtoxischen chemischen Verbindungen in weniger gefährliche Stoffe zurückbauen kann.

Bis Ende Januar 2014 sollen alle syrischen Chemiewaffen an Bord der Cape Ray gebracht worden sein. Für das Unschädlichmachen der chemischen Kampfstoffe hat man 45 bis 60 Tage veranschlagt. Bis Ende März soll der Vorgang abgeschlossen sein. Während des ganzen Prozesses wird sich ein Krankenhausschiff der US-Marine in der Nähe der Cape Ray für den Fall aufhalten, daß etwas schiefgeht und jemand von der 25köpfigen Crew oder den 36 Technikern mit den Giftstoffen in Kontakt kommt. Anschließend sollen die relativ unschädlich gemachten Chemikalien in die USA transportiert und dort in entsprechenden Verbrennungsanlagen des Pentagons vernichtet werden. Auf See soll nichts von dem Material ins Meer verklappt oder in die Luft freigesetzt werden.

Das größte Kopfzerbrechen bereitet der OPCW derzeit nach Angaben ihrer niederländischen Vertreterin Kaag der geplante Transport der Container mit den Chemiewaffen von Homs und Damaskus nach Latakia. Wegen anhaltender Kämpfe ist die Fahrt auf der Strecke zwischen Homs und Latakia besonders gefährlich. Für die Sicherheit der Konvois sollen die syrischen Streitkräfte sorgen. Man darf annehmen, daß die oppositionelle Freie Syrische Armee (FSA), die hauptsächlich aus abtrünnigen Soldaten und Offizieren der staatlichen Streitkräfte besteht, die Lastwagen mit der gefährlichen Fracht durch Gegenden, die sie kontrolliert, durchlassen wird. Wie sich die sunnitischen Gotteskrieger von der Islamischen Front oder der Al Nusra verhalten werden, weiß derzeit niemand. Jedenfalls scheint der bisher reibungslose Ablauf der OPCW-Mission in Syrien den beschädigten Ruf von Präsident Baschar Al Assad in den USA aufgebessert zu haben. Nicht umsonst erklärte vor wenigen Tagen in der New York Times Ryan Crocker, einer der erfahrensten Nahost-Diplomaten Amerikas, die Regierung Barack Obama sollte wieder mit dem Assad-"Regime" zusammenarbeiten, um eine Machtübernahme in Damaskus durch die Anhänger der Al Kaida zu verhindern.

7. Dezember 2013