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MILITÄR/928: Biowaffen - Feldversuche an den Grenzen Europas ... (SB)


Biowaffen - Feldversuche an den Grenzen Europas ...


Seit Wochen grassieren vornehmlich in der osteuropäischen Presse Berichte über die Durchführung von Experimenten mit biologischen Waffen durch das US-Militär an lebenden Menschen in Georgien. Die Hinweise auf derart scheußliche Aktivitäten erscheinen inzwischen als derart plausibel, daß Rußland inzwischen Aufklärung verlangt. Auf einer Pressekonferenz am 5. Oktober erklärte Generalmajor Igor Kirilov, der Leiter der russischen atomaren, biologischen und chemischen Schutztruppen, das Verteidigungsministerium in Moskau erwarte von den Regierungen der USA und Georgiens Antworten auf die Frage, warum giftige Kampfstoffe und biologische Waffen am Richard Lugar Public Health Research Center bei Tiflis gelagert werden. Der Namensgeber des Labors, Richard Lugar, vertrat lange Jahre den Bundesstaat Indiana im Washingtoner Senat, wo er sich unter anderem als republikanischer Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses für die internationale Abrüstung im Bereich der Massenvernichtungswaffen besonders stark machte.

Bereits am 11. September hatte in Moskau der ehemalige georgische Sicherheitsminister Igor Giorgadze anhand Tausender Dokumentenseiten, die ihm Freunde in seiner kaukasischen Heimat geschickt hatten, von sonderbaren Vorgängen an der amerikanischen Forschungsstation berichtet. Gioradze unterstellte den Biologen des Pentagons und Mitarbeitern privater US-Sicherheitsdienstleistungsunternehmen dort, geheime Menschenversuche zu unternehmen. Aus den Unterlagen geht hervor, daß im Verlauf der Erforschung von Mitteln gegen Hepatitis C im Dezember 2015 30 Menschen starben - 24 von ihnen an einem Tag. Im April 2016 starben weitere 30 Patienten und im darauffolgenden August 13. "Das sonderbare an der Geschichte ist die Eintragung Todesursache 'unbekannt'. Es hat keine Untersuchung bezüglich des Grundes für den Tod dieser Individuen gegeben", empörte sich Gioradze.

In einer aufsehenerregenden Reportage, die am 20. Oktober bei dem im libanesischen Beirut ansässigen, west-kritischen Nachrichtensender Al Mayadeen ausgestrahlt wurde, hat die bulgarische Investigativjournalistin Dilyana Gaytandzhieva weitere Einzelheiten über das gefährliche Treiben der US-Biowaffenforscher im Tifliser Stadtteil Alexeevka publik gemacht. Nachbarn der Anlage berichteten von üblen Gerüchen aufgrund irgendwelcher Gas- und Rauchabsonderungen rund um die Uhr. Die Einheimischen vermuten, daß im Labor gefährliche Chemikalien verbrannt und nachts einfach durch vier große Schornsteine gejagt werden. Zudem beklagen sie die illegale Verklappung von Giftstoffen in das kommunale Abwassersystem, was ebenfalls eine erhebliche Belastung für Mensch und Umwelt darstellt. Vier philippinische Mitarbeiter des Labors, die in einem Wohnblock in Alexeevka lebten, sollen sich bei der Arbeit dermaßen schwer vergiftet oder mit einem Krankheitserreger angesteckt haben, daß zwei von ihnen noch in den Händen der staatlichen georgischen Rettungssanitäter starben.

Die Einrichtung des Richard-Lugar-Forschungslabors in Tiflis wurde 2012 aufgrund eines Abkommens zwischen der pro-westlichen Regierung Micheil Saakaschwilli und der Administration Barack Obamas beschlossen. Finanziert wurde das Labor aus den Mittel des Defense Threat Reduction Agency (DTRA) des Pentagons; Kostenpunkt bisher 161 Millionen Dollar. Die Mitarbeiter der Anlage genießen aufgrund des Abkommens Schutz vor der georgischen Justiz. Sie können in Georgien nicht vor Gericht gestellt werden. Darüber hinaus genießen die leitenden Mitarbeiter der Anlage Diplomatenstatus. Nach Recherche von Dilyana Gaytandzhieva nutzen das die amerikanischen Beschäftigten der Station, um gefährliche Pathogene und Viren im Diplomatenkoffer nach Georgien hinein- und wieder aus dem Richard-Lugar-Labor herauszuschmuggeln.

Im besagten Labor werden unter anderem Medikamente des US-Pharmaunternehmens Gilead getestet. Die georgischen Behörden haben auch dieser Firma rechtlichen Schutz vor möglichen negativen Folgen schriftlich zugesichert. Dies geht aus einer schriftlichen Vereinbarung hervor, die der georgische Gesundheitsminister David Sergeenko mit dem U. S. Center for Disease Control (CDC) geschlossen hat. Es sollen die Gilead-Medikamente Sovaldi und Harvoni gewesen sein, die im Einsatz waren, als es 2015 und 2016 zu den vielen Toten unter den Probanden kam. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß erstens Gilead zu den größten finanziellen Partnern der Center for Disease Control Foundation (CDCF) gehört, und zweitens, daß Donald Rumsfeld zu den führenden Aktieninhabern des Pharmakonzerns gehört. Als Pentagonchef George W. Bushs spielte Rumsfeld 2002 und 2003 bekanntlich eine führende Rolle, als es darum ging, die angeblich vom Irak ausgehende ABC-Waffengefahr aufzubauschen, um den illegalen Anti-Saddam-Hussein-Feldzug zu begründen.

Im Richard-Lugar-Labor in Tiflis wird angeblich auch Forschung an Insekten als Überträger von Pflanzenkrankheiten betrieben. In diesem Zusammenhang haben jüngst eine Reihe von Wissenschaftlern und Einrichtungen, darunter das Max-Planck-Institut in Deutschland, in einem Artikel bei der renommierten Fachzeitschrift Science ein Projekt des Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) scharf kritisiert. Über den Vorfall berichtete am 5. Oktober zum Beispiel der Londoner Guardian unter der Überschrift "US plan to genetically alter crops via insects feared to be biological war plan".

Bei dem hochumstrittenen 45 Millionen Dollar teuren Forschungsvorhaben namens "Insect Allies" werden genetische Veränderungen an den Insekten vorgenommen, damit sich diese später zum Transport bestimmter Pflanzenkrankheiten, um Feldfrüchte und Ernten verfeindeter Staaten zu vernichten, eignen. Die USA behaupten, das Forschungsprojekt sei rein defensiv, doch allein der Titel "Insektenalliierte" verrät die offensive Absicht - womit ein Verstoß der USA gegen die Biowaffenkonvention klar gegeben wäre. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung Rußlands nach Aufklärung der sonderbaren Vorgänge im Nachbarland Georgien mehr als berechtigt.

8. Oktober 2018


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