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NAHOST/916: Israel gießt viel Blei für die Palästinenserhatz (SB)


"Operation Gegossenes Blei" - Blutigste Offensive seit 1967


Im Verlauf der "Operation Gegossenes Blei", bei der es sich um die blutigste Offensive der israelischen Armee seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 handelt, sind im Gazastreifen binnen weniger Tage rund 400 Palästinenser getötet und 2.000 verletzt worden. Die aktive oder stillschweigende Beteiligung an diesem Massaker fordert den Protagonisten des Vernichtungsfeldzugs immer aberwitzigere Ausflüchte ab, um ihr Einverständnis mit dem Fortgang des Schlachtens argumentativ zu rechtfertigen und der sogenannten internationalen Gemeinschaft den letzten Rest Humanität auszutreiben.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der die Hamas für die seit Monaten geplante israelische Offensive zur Vernichtung des palästinensischen Widerstands verantwortlich gemacht hat, wird offenbar im Westjordanland der Boden unter den Füßen zu heiß. Da er fürchten muß, von seinen Landsleuten zur Rechenschaft gezogen zu werden, hat er sich in die USA abgesetzt. Wie sein Sprecher Jassir Abed Rabbo in Ramallah mitteilte, werde Abbas so lange in New York bleiben, bis der UN-Sicherheitsrat eine Resolution mit einer klaren Zeitvorgabe für ein Ende der Gewalt beschließt. Im buchstäblichen Sinne des Wortes weitab vom Schuß rechnet der zu einer Marionette Israels degradierte Palästinenserpräsident offenbar damit, daß die israelische Armee sein Problem mit der Hamas unterdessen aus der Welt schafft.

Beim Außenministertreffen der Arabischen Liga in Kairo bediente sich der saudische Vertreter Prinz Feisal der Ausflucht, die Uneinigkeit der Palästinenser habe den Angriff Israels auf Gaza erst möglich gemacht. Helfen könne man nur, sofern die Palästinenser mit einer Stimme sprächen. Unerwähnt ließ Feisal dabei, daß sein Land gemeinsam mit Jordanien und den meisten Staaten der westlichen Welt einseitig die Fatah und Mahmud Abbas unterstützt. Nicht minder doppelzüngig argumentierte die ägyptische Regierung, die zwar Abbas vorwarf, er rechtfertige den Angriff der israelischen Streitkräfte, aber ebenfalls vorhielt, ohne einhellige Entschlossenheit der Palästinenser seien den arabischen Nachbarn die Hände gebunden.

Wie man Krieg führt und dabei auch noch zynisch Humanität heuchelt, führen unterdessen die israelischen Streitkräfte vor. Hunderttausende Bewohner des Gazastreifens wurden telefonisch oder in Flugblättern gewarnt, daß ihre Häuser Angriffsziele seien, weil sie Terroristen beherbergten oder Waffen lagerten. Daß sich diese Menschen unmöglich in Sicherheit bringen können, läßt die Angreifer kalt, schließlich hat man die Opfer ja in Kenntnis gesetzt. Neben zahllosen Wohnhäusern werden Moscheen, Krankenhäuser, Universitäten, Ambulanzen, Basare, Manufakturen und Geschäfte bombardiert - alles Verstecke und Raketenproduktionsstätten der Hamas, wie die angreifende Armee versichert.

Da die israelische Führung erklärtermaßen nicht bereit ist, ihren Feldzug gegen die auf engstem Raum zusammengepferchten Bewohner des Freiluftgefängnisses namens Gazastreifen vor Erreichen ihrer Kriegsziele zu beenden, können die europäischen Mächte nach Herzenslust Vermittlungsvorschläge produzieren, die natürlich nicht fruchten, aber ihren Urhebern eine weiße Weste verschaffen, während sie das blutige Geschäft delegieren. So fordert die EU einen sofortigen und permanenten Waffenstillstand inklusive einer bedingungslosen Einstellung aller Raketenangriffe der Hamas und eines Endes der israelischen Militäroperation. Dem hat Israels Außenministerin Tzipi Livni umgehend mit den Worten eine Absage erteilt, es handle sich weder um eine einzige noch eine kurze Schlacht, da man langfristige Ziele verfolge.

Man kann sich derzeit des Eindrucks kaum erwehren, daß die vordergründige Betriebsamkeit der Sitzungen, Appelle und Reisediplomatie den weitgehenden Stillstand der internationalen Politik geradezu verschleiern soll, die den Krieg gegen den Gazastreifen so lange wie irgend möglich gewähren läßt, um vollendete Tatsachen zu schaffen. In New York konnte sich der UN-Sicherheitsrat nicht einigen, Israel mit einer bindenden Resolution zur Einstellung der Luftangriffe und Öffnung der Grenzübergänge aufzufordern.

Ministerpräsident Ehud Olmert zeigt sich unterdessen fest entschlossen, mit "eiserner Hand" gegen die Hamas vorzugehen. "Ich hoffe, daß wir unsere Ziele so schnell wie möglich erreichen", sagte Olmert bei einem Besuch in Beerschewa. Wes Geistes Kind die israelische Führung ist, unterstrich auch Außenministerin Livni, die in Paris den französischen Vorschlag einer Feuerpause aus humanitären Gründen mit der absurden Behauptung strikt zurückwies, es gebe überhaupt keine humanitäre Krise im Gazastreifen und daher auch keinen Bedarf für einen daraus abzuleitenden befristeten Waffenstillstand. Offensichtlich reizt die Regierung Israels nicht zuletzt aus, welches Ausmaß an Umdeutung des Offensichtlichen und bis in sprachliche Codierungen gegossene Muster an Denkkontrolle akzeptiert und mitgetragen wird, wenn man im stillschweigenden Einverständnis kollaboriert, das palästinensische Ärgernis zu liquidieren.

2. Januar 2009