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NAHOST/923: Elbaradei ruft USA und Iran zum "direkten Dialog" auf (SB)


Elbaradei ruft USA und Iran zum "direkten Dialog" auf

IAEO-Chef hält Beilegung des Atomstreits für erreichbar


Nach dem Einzug ins Weiße Haus ist Amerikas 44. Präsident Barack Obama energisch zur Tat geschritten. Er hat die schnellstmögliche Schließung des umstrittenen Gefangenlagers Guantánamo Bay auf Kuba angeordnet, den Ex-Senator George Mitchell, der in den neunziger Jahren in Nordirland erfolgreich zwischen Nationalisten und Unionisten vermittelte, zum Sondergesandten für den Nahen Osten ernannt und zu einer ersten Erkundungsreise in die Krisenregion geschickt, und sein erstes Fernsehinterview als Präsident dem arabischen Nachrichtensender Al Arabiya gegeben. Durch Handlungen wie diese will Obama den Menschen in der islamischen Welt signalisieren, daß die Zeiten des "Antiterrorkrieges" vorbei und die USA "nicht ihr Feind" seien.

Was jedoch das erhoffte Tauwetter in dem belasteten Verhältnis der USA zur Islamischen Republik Iran betrifft, so hat es der Nachfolger George W. Bushs bisher leider bei Gesten belassen, die auch noch etwas halbherzig wirkten. In dem am 27. Januar ausgestrahlten Al-Arabiya-Interview hat Obama erklärt, wenn "Länder wie der Iran bereit" seien, "die Faust zu öffnen", könnten diese von den USA "eine ausgestreckte Hand erwarten". Die in diesem Worten zum Ausdruck gebrachte Haltung Obamas und mit ihm des ganzen Politestablishments in Washington ist mehr als ein wenig arrogant, schließlich sind sie selbst diejenigen, die dauernd darauf verweisen, daß im Atomstreit mit den Iran "alle Optionen" - einschließlich die eines nuklearen Überraschungsangriffs - "auf dem Tisch" lägen.

Des weiteren haben die Iraner bereits vor drei Monaten den ersten Schritt auf die USA zu gemacht und hätten damit ihrerseits die Faust geöffnet. Nach der Wahl Obamas im letzten November hat Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad dem demokratischen Senator aus Chicago schriftlich zu seinem Sieg über den Republikaner John McCain gratuliert. Es war der historisch erste Brief eines iranischen Staatsoberhaupts an seinen amerikanischen Amtskollegen seit dem Sturz des Schahs vor 30 Jahren. Bis heute wartet man in Teheran auf eine Antwort. Presseberichten aus den USA zufolge wird im State Department unter der neuen Außenministerin Hillary Clinton, die letztes Jahr im Wahlkampf gedroht hatte, den Iran "auszuradieren", die Frage heiß diskutiert, wie man auf den Brief Ahmadinedschads reagieren soll.

Offenbar möchte Washington zwar das Gespräch mit Teheran eröffnen, aber nur aus der überlegenen Position heraus, nicht auf gleicher Augenhöhe. Der Iran soll "Schurkenstaat" und Bittsteller bleiben, der die Bedingungen der "internationalen Gemeinschaft" zu erfüllen habe, während die USA weiterhin die Rolle des unverzichtbaren Garanten für "Frieden" und "Stabilität" am Persischen Golf und darüber hinaus spielen. Daß die stolzen Iraner nicht bereit sind, sich auf ein solches Arrangement einzulassen, zeigt die Reaktion Ahmadinedschads auf das Al-Arabiya-Interview Obamas. Der Iran warte nicht nur auf einen Wandel in den Worten, sondern auch in den Taten Washingtons; die USA sollten "sich für die Verbrechen, welche sie gegen die iranische Nation begangen haben, entschuldigen", so Ahmadinedschad.

Bei soviel "'Sie zuerst', 'Nein, Sie zuerst'" kann das Ende der Eiszeit zwischen Teheran und Washington noch lange auf sich warten lassen, während die Gefahr eines Krieges wegen des Atomstreits - in Israel wird die politische und militärische Führung angesichts der Fortschritte der Iraner im Bereich der Urananreicherung immer nervöser - bestehen bleibt. Angesichts dieser bedrohlichen Lage hat Mohammed Elbaradei, der Chef der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) am Rande des Weltwirtschaftsforums im Schweizer Davos die Amerikaner und Iraner gleichermaßen zum "direkten Dialog" miteinander aufgerufen. Dies tat der ägyptischer Diplomat in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Newsweek, das am 1. Februar auf dessen Website erschienen ist.

Nach Ansicht Elbaradeis sind die Probleme im Nahen Osten derzeit so gewaltig, daß die USA endlich den Anspruch des Iran auf eine Rolle als regionale Großmacht anerkennen sollten, damit Washington und Teheran zusammen mit den anderen Regierungen für eine Beilegung der vielen Konflikte sorgen können. Die Konfrontationshaltung der Bush-Regierung hat laut Elbaradei nichts als Stillstand gebracht. Der IAEO-Chef verteidigte das Recht der Iraner auf Zugang zu allen Aspekten des Nuklearkreislaufs ähnlich Ländern wie Japan und meinte, die USA sollten sich damit abfinden, daß Teheran im eigenen Land Uran anreichern lasse. Die Antwort Barack Obamas und Hillary Clintons auf die letztjährige Depesche Ahmadinedschads wird zeigen, inwieweit Washington zu dem von Elbaradei geforderten, offenen und ehrlichen Dialog mit dem Iran bereit ist.

2. Februar 2009