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NAHOST/925: Obama setzt Konfrontation der USA mit dem Iran fort (SB)


Obama setzt Konfrontation der USA mit dem Iran fort

"Ausgestreckte Hand" des neuen US-Präsidenten nur eine Luftblase?


Wer nach dem Ende der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush eine neue, weniger aggressive Politik Washingtons gegenüber dem Iran erwartete, sieht sich dieser Tage getäuscht. Zwar hat Amerikas neuer Hoffnungsträger Barack Obama bei seiner Amtseinführung und im ersten Fernsehinterview als Präsident gegenüber dem Iran Dialogbereitschaft signalisiert und eine "ausgestreckte Hand" in Aussicht gestellt, doch bisher sprechen alle Indizien dafür, daß die neue Administration in Washington den harten Kurs von Bush und Co. gegenüber der Islamischen Republik fortzusetzen gedenkt. Als Außenministerin hat Obama Hillary Clinton in sein Kabinett geholt, die letztes Jahr im Präsidentschaftswahlkampf mit dem schier unglaublichen Versprechen, den Iran notfalls atomar "auszuradieren", zu punkten versuchte. Als künftiger Iran-Sonderbeauftragter wird Dennis Ross gehandelt, der in der Regierung Bill Clintons als Nahost-Sondergesandter agierte und als Hardliner gilt, was den Atomstreit Israels und der USA mit Teheran betrifft.

Nichts verdeutlicht die Kontinuität der amerikanischen Iran-Politik besser, als die mit Spannung erwartete Rede, die der neue US-Vizepräsident Joseph Biden am 7. Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz hielt. Vor hochrangigen ehemaligen und noch diensttuenden Regierungsmitgliedern und Militärs aus aller Welt richtete Biden, der seit rund 20 Jahren als wichtigster außenpolitischer Sprecher der Demokraten im Washingtoner Kongreß gilt, folgende Worte an die Teheraner Führung:

Wir werden bereit sein, mit dem Iran zu reden und ihm eine ganze klar Wahl anzubieten: setzen Sie den derzeitigen Kurs fort und Sie werden weiterhin Druck und Isolation erleben; geben Sie Ihr illegales Atomprogramm und Ihre Unterstützung des Terrorismus auf, und es wird bedeutende Anreize geben.

Ähnlich Obama, der seine "ausgestreckte Hand" für den Fall in Aussicht stellt, daß der Iran seine angeblich "geballte Faust" öffnet, so verlangte Biden von Teheran Vorleistungen, bevor es überhaupt zu substantiellen Gesprächen mit Washington kommen könnte. In beiden Fällen gründet sich diese Haltung in der zutiefst arroganten und rassistischen Sichtweise der Politelite in Washington, Republikaner und Demokraten gleichermaßen, wonach die USA die einzige verbliebene Supermacht sind, weshalb sich ihre Repräsentanten nicht auf Augenhöhe mit denen eines "Schurkenstaates" begeben dürfen. Dies erklärt zum Beispiel, warum es in den letzten Jahren im Atomstreit mit Nordkorea keine offiziellen bilateralen Gespräche zwischen Washington und Pjöngjang gegeben hat. Öffentlich verhandelten die Vertreter der USA mit denen Nordkoreas stets im Rahmen der Sechsergespräche, an denen auch China, Japan, Rußland und Südkorea beteiligt waren.

An der Botschaft Bidens fehlte zudem jeder Anflug von Entgegenkommen. Im Gegenteil strotze die Formulierung des früheren Senators aus Delaware vor Bezichtigungen und Drohungen. Die Behauptung Bidens, wonach Teheran eine "illegales Atomprogramm" betreibe, ist eine böswillige Unterstellung, die sich auf nichts als die blühende Vorstellungskraft unverbesserlicher Islamophoben in den USA und Israel stützt. Bis heute haben die Inspekteure der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), welche die iranischen Kernenergieanlagen überwachen, keine Hinweise auf die Existenz jenes von Tel Aviv und Washington Teheran unterstellten Atomwaffenprogramms gefunden. Wie Biden sicherlich weiß, stellt seine implizite Forderung nach Einstellung der Uranreicherung des Irans eine für die Regierung in Teheran völlig inakzeptable Infragestellung der unveräußerlichen Rechte der Islamischen Republik als Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrags nach Zugang zu allen Aspekten des zivilen Nuklearkreislaufes dar. Der Vorwurf, der Iran müsse die Unterstützung des "Terrorismus" - gemeint sind die libanesische Hisb Allah und die palästinensische Hamas - aufgeben, ist nichts als eine polemische Parteinahme gegen die Feinde Israels, die nach dessen jüngster Offensive im Gaza-Streifen einer Beleidigung der Intelligenz eines jeden gleichkommt.

Resümierend muß man sagen, daß Biden den Iranern ein Ultimatum gestellt hat, das sich von den früheren der Bush-Regierung in nichts unterschied, außer daß er darauf verzichtet hat, ausdrücklich zu erwähnen, daß "alle Optionen" - will heißen auch der Nuklearangriff - "auf dem Tisch" lägen. Will der Iran seine Beziehungen zu den USA normalisieren, muß er zuerst deren Bedingungen - die Behandlung als Staat zweiter Klasse, dem man die Anreicherung von Uran nicht erlauben darf, und den Abbruch der langjährigen Beziehungen zu Hisb Allah und Hamas, was dem Verzicht auf eine eigenständige Israel-Politik gleichkäme - erfüllen. Da Teheran in der Vergangenheit diese Bedingungen immer wieder abgelehnt hat, gibt es keinen Grund anzunehmen, daß es jetzt plötzlich einlenken sollte - zumal die Obama-Regierung ihm keinerlei Anreize anbietet, dies zu tun.

Anstelle der von notorischen Optimisten erhofften Öffnung Washingtons gegenüber Teheran zeichneten sich die Beratungen der Münchner Sicherheitskonferenz durch öffentliche Bekundungen der europäischen NATO-Alliierten aus - hier hat sich Bundeskanzerlerin Angela Merkel besonders hervorgetan -, im Falle eines Nicht-Einlenkens Teherans die von Washington geforderten, verschärften Sanktionen gegen die Islamische Republik mitzutragen. Trotz aller angeblicher Dialogbereitschaft bereitet sich die Obama-Regierung schon jetzt auf die nächste Eskalation im Atomstreit mit dem Iran vor. In einem Leitartikel, der am 9. Februar in der New York Times erschienen ist, erfuhr man, daß Obama "persönlich" Stuart Levey, der unter Bush im Finanzministerium für die Konzipierung und Formulierung von Sanktionsmaßnahmen gegen sogenannte "Schurkenstaaten" zuständig war, gebeten hat, auf dem Posten des "Staatssekretärs für Terrorismus und Finanznachrichten" zu bleiben. Für die Konfrontation zwischen Washington und Teheran bedeutet diese Personalie nichts Gutes. Levey ist derjenige, der im September 2006 die gerade erfolgte Beilegung des Atomstreits mit Nordkorea durch die plötzliche Verhängung von Finanzsanktionen gegen die Banco Delta Asia in Macao torpedierte - was Pjöngjang dazu veranlaßte, einen Monat später erstmals einen Atomtest durchzuführen. Bis heute hat Washington für die Behauptung Leveys, über das Finanzhaus in der chinesischen Sonderzone brächten die Nordkoreaner gefälschte Dollarnoten in Umlauf, keinen einzigen Beweis vorgelegt.

10. Februar 2009