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NAHOST/963: UNO-Vollversammlung nimmt Goldstone-Bericht mit großer Mehrheit an (SB)


Israel verdammt Resolution als realitätsfern


Die UNO-Vollversammlung hat den Goldstone-Bericht über das Massaker der israelischen Angriffsarmee im Gazastreifen mit großer Mehrheit angenommen. Der südafrikanische Sonderermittler Richard Goldstone wirft Israel und der palästinensischen Hamas Kriegsverbrechen vor. Nach zweitägiger Debatte stimmten 114 Länder für eine von arabischen Staaten eingebrachte Resolution, die beide Konfliktparteien zu Untersuchungen der Vorwürfe auffordert. Gegen den Entwurf votierten 18 Mitglieder, darunter Israel, die Vereinigten Staaten und Deutschland sowie einige weitere Mitgliedsländer der EU, die in dieser Kontroverse tief gespalten war: Während neben Deutschland auch Polen, Italien, die Niederlande, Tschechien, Ungarn und die Slowakei gegen die Resolution stimmten und sich Großbritannien und Frankreich enthielten, schlossen sich Irland, Portugal, Malta, Slowenien und Zypern der Mehrheit an. Insgesamt gab es 44 Enthaltungen. [1]

In zweitägigen intensiven Verhandlungen hinter verschlossenen Türen hatten die Europäer versucht, die Resolution zu entschärfen und eine Überweisung des Goldstone-Berichts an den Sicherheitsrat zu verhindern. Dem widersetzten sich jedoch die arabischen Länder. Die Vertreter Israels und der USA lehnten den Bericht als "zutiefst fehlerhaft" ab. Wie der US-amerikanische UNO-Botschafter Alejandro Wolff erklärte, sei die Resolution der Vollversammlung zwar ein Fortschritt gegenüber dem Beschluß des Menschenrechtsrats in Genf, doch bleibe sie einseitig gegen Israel gerichtet. [2]

Mit ihrem deutlichen Votum schloß sich die UNO-Vollversammlung dem Fazit des Goldstone-Berichts an, in dem der israelischen Armee und bewaffneten Palästinensergruppen Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Das UNO-Gremium bittet Generalsekretär Ban Ki Moon, den Goldstone-Report an den Sicherheitsrat zu überweisen, und fordert Israel und die Palästinenser auf, binnen drei Monaten "glaubwürdige" Untersuchungen zu möglichen Menschenrechtsverletzungen einzuleiten. [3]

Da die UNO-Resolution nicht bindend ist, steht nicht zu erwarten, daß ernsthafte Ermittlungen durchgeführt werden. Selbst wenn in diesem Fall der Sicherheitsrat eingeschaltet werden sollte, würden die USA mit ihrem Veto jede weitere Initiative gegen ihren Verbündeten Israel blockieren, das somit kaum zu befürchten hat, sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten zu müssen. Dennoch ist der Goldstone-Bericht ein Dokument, das nicht mit der gewohnten Leichtigkeit abgeschmettert werden kann. Es hat den von Israel diskreditierten UNO-Menschenrechtsrat absolviert, die Vollversammlung erreicht und dort eine Mehrheit gefunden, was sehr viel mehr ist, als die israelische Regierung zu akzeptieren bereit wäre.

Wie das Außenministerium in Jerusalem empört erklärte, sei die Resolution der Vollversammlung völlig von jeder Realität entfernt, der sich Israel stellen müsse. Die Armee habe bei dem Militäreinsatz um den Jahreswechsel höhere militärische und moralische Standards bewiesen, als jene Staaten, die die Resolution eingebracht hätten. Israel behalte sich das Recht auf Selbstverteidigung vor und werde seine Bürger weiterhin vor den Gefahren des internationalen Terrorismus schützen.

Bei einer früheren Gelegenheit hatte die israelische Regierung argumentiert, es habe sich schon deshalb um kein Massaker im Gazastreifen gehandelt, da dort niemand überlebt hätte, wenn das tatsächlich beabsichtigt gewesen wäre. Sich höchster moralischer Standards zu rühmen, weil man "nur" 1.400 Palästinenser und nicht 1,5 Millionen abgeschlachtet hat, und dabei aller Welt ins Gesicht zu lügen, man habe sein Recht auf Selbstverteidigung außerordentlich maßvoll wahrgenommen, unterstreicht das enorme Aggressionspotential, das von dieser hochgerüsteten Militärmacht und ihren Verbündeten ausgeht.

Goldstone dokumentiert in seinem Report ernsthafte Verstöße Israels sowie bewaffneter palästinensischer Gruppen gegen die Menschenrechte und kommt in seinem Befund zum Schluß, daß Konfliktparteien in Zukunft generell die Zivilbevölkerung besser schützen und sich auch im Krieg an das Völkerrecht halten müssen. Dies wie auf israelischer Seite geschehen pauschal zu bestreiten und ein Massaker an einem weitgehend wehrlosen Gegner und der Zivilbevölkerung als hohen militärischen und moralischen Standard zu rühmen, läßt Schlimmstes für das weitere Schicksal der Palästinenser befürchten, denen nach der Doktrin Israels jeder Widerstand mit einem Blutbad ausgetrieben werden muß.

Die Schweiz gehört zu den wenigen europäischen Ländern, welche die Resolution zum Bericht der UNO-Kommission über den Angriff auf den Gazastreifen angenommen hat. Wie der Schweizer Botschafter Peter Maurer in Begründung dieses Votums erklärte, sei die Vorlage ausgeglichen und fordere Schritte von beiden Seiten. Der gründliche Report des südafrikanischen Richters Richard Goldstone verdiene, daß man seine Vorschläge weiter beachte. In ihrer Resolution lädt die UNO-Vollversammlung die Schweiz dazu ein, eine Konferenz zum besseren Schutz der Zivilbevölkerung in Konflikten zu veranstalten. Peter Maurer erklärte sich im Namen seines Landes bereit, dessen Dienste zur Organisation eines solchen Treffens zur Verfügung zu stellen. [4]

Anmerkungen:

[1] Goldstone-Bericht. Israel empört über Uno-Abstimmung (06.11.09)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,659678,00.html

[2] Uno nimmt den Goldstone-Bericht an. Vollversammlung verabschiedet Resolution (06.11.09)
NZZ Online

[3] Nahost-Konflikt. Israel weist UN-Resolution zu Gaza-Krieg zurück (06.11.09)
http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~EFF3BB909E506468999F9936613F4E7C4~ATpl~Ecommon~Scontent.html?rss_googlenews

[3] Schweiz wird Gastgeberin einer Goldstone-Konferenz (06.11.09)
http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Schweiz-wird- Gastgeberin-einer-GoldstoneKonferenz/story/14907038

6. November 2009