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NAHOST/980: IAEA angeblich in Sorge um Irans Atombombenpläne (SB)


IAEA angeblich in Sorge um Irans Atombombenpläne

Nach dem Weggang Elbaradeis bringt Amano die IAEA auf Kriegskurs


Nach dem Ausscheiden des Ägypters Mohammed Elbaradei im Oktober 2009 aus dem Amt als Generalsekretär der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) gab es Befürchtungen, sein Nachfolger, der Japaner Yukiya Amano, würde sich als willfähriges Instrument der westlichen Großmächte in ihrem sogenannten Atomstreit mit dem Iran erweisen. Wie es aussieht, waren diese Befürchtungen berechtigt. Gleich in dem ersten, unter der Regie von Amano verfaßten IAEA-Bericht zum Thema Iran, der am 17. Februar der Presse zugespielt wurde, wird die Gefahr an der Wand gemalt, daß Wissenschaftler in der Islamischen Republik heimlich den Bau von Atomsprengköpfen erforschten. Entsprechend große Aufmerksamkeit hat der alarmierende IAEA-Bericht in der internationalen Berichterstattung erhalten, deckt sich doch sein Ton mit den Unterstellungen der USA, Israels und ihrer Verbündeten Deutschland, Frankreich und Großbritannien. In der medialen Aufregung wird größtenteils übersehen bzw. ignoriert, daß die Unterstellungen in Bezug auf die heimliche Existenz eines iranischen Atomwaffenprogramms auf Informationen basieren, die in etwa so verläßlich sind, wie das "Wissen" der Regierung George W. Bushs vor dem Einmarsch in den Irak 2003, daß Saddam Hussein im Besitz von "Massenvernichtungswaffen" und mit Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" im Bunde gewesen sei.

In dem Bericht, der an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geschickt und dort demnächst den USA als Beleg für die Notwendigkeit der Verhängung einer weiteren, vierten Runde an wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran dienen wird, kritisiert man die Regierung in Teheran dafür, daß sie vor einer Woche mit der Anreicherung von Uran auf rund 20 Prozent begonnen hat, ohne die IAEA vorher darüber zu informieren. Diese Arbeiten werden, wie alles andere im zivilen Atomprogramm des Iran, von Inspekteuren der IAEA vor Ort im Rahmen des sogenannten Safeguards Agreement kontrolliert. Der wichtigste Aspekt dieses Abkommens ist die Gewährleistung, daß das betreffende Mitgliedsland des Atomwaffensperrvertrages kein spaltbares Material zu militärischen Zwecken benutzt. Daß dies im Iran nach wie vor der Fall ist, wird auch im neusten IAEA-Bericht bestätigt.

Doch wie im Juni 2002 der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bei einem NATO-Treffen in Brüssel in Bezug auf Saddams angeblich existierendes ABC-Waffenarsenal so treffend formulierte: "The absence of evidence is not evidence of absence", was, auf den Fall des Irans angewandt, hieße, daß man die Existenz von geheimen Atombombenlabors dort nicht ausschließen kann, nur weil man welche - noch - nicht gefunden hat. Im Rumsfeldschen Geiste ist daher im jüngsten IAEA-Bericht von nicht näher erläuterten "Informationen" die Rede, die man offenbar von westlichen Geheimdiensten zugespielt bekommen hat und die angeblich "Sorgen hinsichtlich der möglichen Existenz im Iran von früheren oder laufenden, nicht offengelegten Aktivitäten in Bezug auf die Entwicklung einer zur Montage auf einer Rakete geeigneten, atomaren Nutzlast auslösen".

Da stellt sich die Frage, um welche "Informationen" es sich hierbei handeln könnte. In der betreffenden Meldung der US- Nachrichtenagentur Associated Press, schreibt der Korrespondent George Jahn: "Die Vorwürfe gehen auf Datenmaterial zurück, das von den US-Geheimdiensten der IAEA zur Verfügung gestellt worden ist und von einem Laptop stammt, der angeblich aus dem Iran herausgeschmuggelt wurde. 2005 ergab die Auswertung der US-Geheimdienste, daß jene Informationen den Schluß nahelegten, daß Teheran an den Details von Atomwaffen einschließlich Raketenflugbahnen und optimaler Flughöhen zur Zündung von Atomsprengköpfen arbeitete." Seit Jahren streiten sich die Experten um den sagenumwobenden Laptop samt Inhalt. Die USA gewähren aus Gründen der nationalen Sicherheit den Iranern keinen Einblick in das Material, verlangen aber gleichzeitig von ihnen, daß sie endlich zugeben, daß sie geheime, illegale Atombombenforschungen betreiben, und diese einstellen. Die Regierung in Teheran bestreitet, daß der Laptop aus dem Iran stammt und hat ihn zu einem Propagandakonstrukt erklärt. Der Historiker und Journalist Gareth Porter, der sich mit dem Thema eingehend befaßt hat, ist letztes Jahr zu dem Schluß gekommen, daß die auf dem Laptop befindlichen Informationen, die angeblich auf Englisch und nicht Farsi geschrieben sind, aller Wahrscheinlichkeit nach vom israelischen Geheimdienst Mossad stammen. [1]

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, daß man im jüngsten IAEA-Bericht auch auf neue "Erkenntnisse", die man von den Geheimdiensten befreundeter Staaten erhalten haben will, hinweist. Dazu heißt es in der AP-Meldung George Jahns: "Unter den neuen Informationsteilen, die von der Agentur und den US-Geheimdiensten auf ihre Bedeutung hin bewertet werden, findet sich ein technisches Dokument, das ein Arbeitsplan zur Entwicklung eines Neutronenzünders, der zur Zündung einer Atombombe genutzt wird, zu sein scheint."

Man kann annehmen, daß es sich hier um dasselbe Dokument, das die Times of London am 14. Dezember letzten Jahres zum endgültigen Beweis für das "Doppelspiel" des "kriegslustigen Regimes" in Teheran aufbauschte und das als solches von den westlichen Regierungen kommentiert wurde, handelt. Weit weniger Beachtung fand natürlich der Artikel, den der bereits erwähnte Gareth Porter am 28. Dezember unter der Überschrift "U.S. Intelligence Found Iran Nuke Document Was Forged" bei Inter Press Service veröffentlichte und in dem der ehemalige CIA-Analytiker Philip Giraldi, der selbst vieles zur Entlarvung der Kriegsabsichten der US-Neokonservativen und ihrer Likud-Verbündeten in Israel unter anderem bei Antiwar.com schreibt, dahingehend zitiert wurde, daß die relevanten Fachleute beim US-Auslandsgeheimdienst längst festgestellt hätten, daß es sich auch bei diesem Dokument um eine Fälschung handele.

Anfang Januar räumte Porter in einem weiteren, gut recherchierten Artikel mit jeglichen Restzweifeln bezüglich der Falschheit des Dokuments und der Unhaltbarkeit der Behauptungen der Times auf. Dies hat die IAEA offenbar jedoch nicht daran gehindert, auf diese längst entlarvte Fälschung zurückzugreifen, um den Iran dem Verdacht des schweren Verstoßes gegen den Nichtverbreitungsvertrag auszusetzen. Die Tatsache, daß der neue für den Iran negative IAEA-Bericht an genau demselben Tag an die Öffentlichkeit gelangte, an dem die in Paris ansässige Financial Action Task Force (FATF) die Islamische Republik bezichtigte, Hauptquelle der "Terrorfinanzierung" auf der Welt zu sein, und die Staaten der OECD zu Gegenmaßnahmen aufrief, könnte einen auf die Idee bringen, es liefe eine international koordinierte PR-Kampagne gegen das "Mullah-Regime" in Teheran, um dieses zu Fall zu bringen.

19. Februar 2010

Fußnote:

1. Gareth Porter, "Report Ties Dubious Nuclear Docs to Israel", Inter Press Service, 4. Juni 2009