Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1001: Freiheitsflottille steuert auf israelische Marine zu (SB)


Freiheitsflottille steuert auf israelische Marine zu

Israelische Marine bereitet Menschenrechtlern einen heißen Empfang


An diesem 29. Mai will das Free Gaza Movement, ein Bund diverser Menschenrechtsorganisationen, deren Mitglieder die 2007 von der israelischen Regierung verhängte Abriegelung des Gazastreifens für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit halten, gerade diese Blockade durchbrechen - und zwar zur See. Die sogenannte Freedom Flotilla, an der rund 700 Menschenrechtsaktivisten aus aller Welt, Prominente wie der schwedische Schriftsteller Henning Mankell, die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairéad Corrigan Maguire und der ehemalige Stellvertretende UN-Generalsekretär Dennis Halliday, Politiker wie die ehemalige US-Kongreßabgeordnete Cynthia McKinney und Annette Groth, Abgeordnete der Linken im deutschen Bundestag, von mehreren Journalisten begleitet, teilnehmen, hat ihren Sammelpunkt vor der Küste Zyperns verlassen und Kurs auf den Gazastreifen genommen. Sie führen rund 10.000 Tonnen Hilfsgüter für die 1,5 Millionen Gazabewohner mit sich. Vor der Küste Gazas hat die israelische Marine bereits Stellung bezogen, denn die Regierung Benjamin Netanjahus will nach eigenen Angaben eine Landung in dem von der islamischen Hamas-Bewegung kontrollierten Landstrich verhindern, koste es, was es wolle.

Inzwischen ist die Freiheitsflottille von den ursprünglich geplanten neun auf sechs Boote geschrumpft. Das Cargoschiff Rachel Corrie, das am 15. Mai Irland verließ, hat den Sammelpunkt nicht rechtzeitig erreicht und soll später nachrücken. Am 28. Mai fielen zwei kleinere Boote, die aus Griechenland kamen, mit Motorschaden aus. Ihre Besatzungen, mehrere Dutzend Menschen, wurden bereits auf die Mavi Marmara, ein größeres türkisches Fährschiff transferiert. Am selben Tag kam es im griechischen Teil Zyperns zu Problemen. Die Regierung in Nikosia ließ nicht zu, daß eine Gruppe griechischer und zypriotischer Parlamentarier mit Fähren auf die Schiffe der Freedom Flotilla gelangen und an Bord gehen konnte. Diese Menschen mußten deshalb per Auto in den türkisch kontrollierten Teil der Insel eilen, um sich über den dortigen Hafen Famagusta der Aktion anschließen zu können. Hinter der drakonischen Entscheidung Nikosias vermutet man die israelische Regierung.

Während EU-Außenamtschefin Catherine Ashton am 28. Mai Israel zur Beendigung der Blockade Gazas aufrief und ihre Sorge über die humanitäre Lage dort zum Ausdruck brachte, gibt sich die Netanjahu-Regierung weiterhin uneinsichtig. Vor einigen Tagen haben die israelischen Behörden die Einfuhr von Waren in den Gazastreifen gelockert. Dieser Umstand verleitet sie nun zu der Behauptung, in Gaza existiere der humanitäre Notstand, den die Teilnehmer der Freiheitsflottille zu beheben beabsichtigten, nicht. Außenminister Avigdor Lieberman nannte deshalb die geplante Landung des Freedom Gaza Movements in Gaza eine "gewalttätige Provokation", die Israel "mit allen Mitteln" zu verhindern wissen werde.

Presseberichten zufolge haben die israelischen Behörden mit großen Zelten ein improvisiertes Aufnahmelager nahe der Hafenstadt Ashdod, nördlich des Gazastreifens, eingerichtet. Angeblich sollen israelische Kommandos an Bord der Schiffe der Freedom Flotilla gehen, wenn diese die Seegrenze von 20 Seemeilen vor Gaza erreichen, und sie unter ihre Kontrolle bringen. Die Schiffe sollen dann nach Ashdod umdirigiert werden. Dort sollen die Aktivisten festgenommen und in dem Sammellager vorübergehend untergebracht werden. Während die Ausländer damit rechnen können, nach einigen Stunden oder Tagen wieder in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden, drohen palästinensischen oder israelischen Teilnehmern der Aktion eine Anklage und ein längerer Aufenthalt im Gefängnis. Die beschlagnahmten Hilfsgüter sollen über den Landweg in den Gazastreifen transportiert werden.

Während eine Kaperung der kleineren Boote relativ unproblematisch verlaufen dürfte, könnte die geplante Übernahme der Mavi Marmara, auf der sich mehrere hundert Menschen befinden, zu einer größeren Herausforderung werden. Dort werden die israelischen Elitesoldaten in der deutlichen Minderzahl sein. Leisten die Menschenrechtsaktivisten, wie zu erwarten, passiven Widerstand, so könnte es noch dauern, bis die Militärs die Kontrolle über die Brücke und den Motorraum der dreistöckigen Fähre übernommen haben. In dieser Zeit kann die Mavi Marmara weiterhin mit Volldampf auf den Gazastreifen zufahren. Angesichts dieser Situation könnte die israelische Marine auf die Idee kommen, per Torpedo die Propeller der Mavi Marmara zu zerstören, um das Schiff steuerunfähig zu machen und es anschließend einfach ins Schlepptau zu nehmen. David gegen Goliath - das sollte in unserer globalisierten Welt doch kein Vorbild mehr sein.

29. Mai 2010