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NAHOST/1181: Netanjahu hetzt gegen die Muslime und den Iran (SB)


Netanjahu hetzt gegen die Muslime und den Iran

Israels Premierminister kann das Säbelrasseln nicht lassen



Ungeachtet aller Kritik im eigenen Land, er mische sich mit seinen Urteilen über den Demokraten Barack Obama auf unzulässige Weise in den amerikanischem Präsidentenwahlkampf ein, um seinem Freund, dem republikanischen Herausforderer Mitt Romney zu helfen, und gefährde damit die Beziehung Israels zu den USA, setzt Premierminister Benjamin Netanjahu seinen Kurs fort. Angeblich aus Sorge vor der "existentiellen Bedrohung", die vom iranischen Atomprogramm für den Staat Israel ausgehen soll, drängt der Likud-Chef immer lauter auf militärische Maßnahmen gegen die Islamische Republik. Um sein Ziel zu erreichen, schreckt Netanjahu auch nicht davor zurück, sich im Westen gängigen, rassistischen Verurteilen bezüglich Araber und Muslime zu bedienen.

Am 16. September trat Netanjahu - zugeschaltet aus Jerusalem - nicht in einem, sondern gleich in zwei der allsonntagmorgentlichen Politsprechrunden im US-Fernsehen - "Meet the Press" von NBC und "State of the Nation" von CNN - auf, um Obamas vermeintliche Untätigkeit in der Iran-Frage anzuprangern und für eine militärische Lösung des sogenannten "Atomstreits" zu werben. Ungeachtet der Tatsache, daß sich sämtliche Anlagen des zivilen iranischen Kernergieprogramms unter der ständigen Aufsicht der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) befinden, behauptete der israelische Regierungschef das "Mullah-Regime" stehe unmittelbar davor, eigene Nuklearwaffen bauen zu können.

Der Anlaß für die Werbetour des israelischen Premierministers im US-Fernsehen war die ausdrückliche Weigerung der Obama-Regierung in Person von Verteidigungsminister Leon Panetta am 14. September, sich zu einer von Tel Aviv geforderten "roten Linie" zu bekennen, deren Überschreitung durch die Iraner einen großangelegten Bomben- und Raketenangriff auf die Atomanlagen der Islamischen Republik zur unabweislichen Folge hätte. Im NBC-Interview behauptete Netanjahu, ohne auch nur den geringsten Beweis anzuführen, die Iraner hätten "überall Selbstmordattentäter"; Ihnen wäre "der blinde Eifer wichtiger als das Überleben", weshalb gegen den Iran eine Abschreckungsstrategie nicht möglich sei.

Netanjahu kritisierte alle Politanalysten und Medienkommentatoren, die meinten, ein offener Krieg gegen den Iran hätte negativere Auswirkungen auf die USA als die Duldung einer Islamischen Republik, die entweder bereits im Besitz einer Atombombe sei oder wie Deutschland und Japan jederzeit den nuklearen Ausbruch aus den Fesseln des Nicht-Verbreitungsabkommens durchführen könnte. Er warf denjenigen wie Kenneth Waltz vom einflußreichen New Yorker Council on Foreign Relations (CFR), die mit Blick auf das israelische Kernwaffenarsenal davon ausgehen, eine Atommacht Iran würde die strategische Lage im Nahen Osten stabilisieren, vor, sie hätten "ein neuen Standard in Sachen Dummheit aufgestellt". Netanjahu erklärte, man könne sich "nicht auf die Vernunft" der Führung in Teheran verlassen, weil diese vom einem "unglaublichen Fanatismus" getrieben werde. Unter Verweis auf die jüngsten Proteste in der islamischen Welt gegen die Mohammed-Persiflage "Innocence of Muslims" holte der israelische Scharfmacher zum rhetorischen KO-Schlag aus: "Es ist derselbe Fanatismus, der derzeit auf Ihre Botschaften einstürmt. Wollen Sie, daß diese Fanatiker Atomwaffen bekommen?"

Daß Netanjahu ein unverbesserlicher Verbalrambo ist, weiß inzwischen die ganze Welt. Bereits 1992 schlug er als Knesset-Abgeordneter mit der Prognose, der Iran sei "drei bis fünf Jahren" von der Atombombe entfernt, Alarm. Am 11. September 2001 ließ er es sich nicht nehmen, im US-Fernsehen die Flugzeuganschläge als "gut" zu bezeichnen, weil sie angeblich das amerikanische Volk spüren ließen, womit die Israelis jeden Tag konfrontiert wären. Mit seiner selbstherrlichen Art hat Netanjahu mehrere US-Politiker darunter Bill Clinton und Barack Obama gegen sich aufgebracht. Derzeit sehen die Chancen für die Wiederwahl Obamas am 6. November gut aus. Deshalb wäre man geneigt zu glauben, daß nach einem Wiedereinzug des Demokraten ins Weiße Haus die Gefahr eines Krieges der USA - mit oder ohne Israel - gegen den Iran gebannt wäre. Leider ist dem nicht so.

Derzeit findet am Persischen Golf ein umfangreiches Marinemanöver statt, an dem Kriegsschiffe der USA, Frankreich, Großbritannien und ihrer arabischen Verbündeten teilnehmen. Die Verhandlungen um eine diplomatische Beendigung des "Atomstreits" stecken seit Monaten in der Sackgasse. In der bereits erwähnten NBC-Sendung "Meet the Press" erklärte Martin Indyk, unter Bill Clinton einst US-Botschafter in Israel, er gehe davon aus, daß es 2013 zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen dem Iran und den westlichen Großmächten kommen werde. Es gibt Indizien, daß Indyk mit seiner Einschätzung richtig liegen könnte. Am 16. September meldete die in London erscheinende Mail on Sunday, bei der jüngsten Kabinettsumbildung hätte der konservative britische Premierminister David Cameron den liberalen Politiker Sir Nick Harvey als Staatssekretär im Verteidigungsministerium entlassen, weil er sich nicht auf ihn verlassen könnte, den bevorstehenden Krieg gegen den Iran ohne Wenn und Aber mitzutragen.

19. September 2012