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NAHOST/1284: Syrien-Friedensgespräche in Genf vor dem Scheitern? (SB)


Syrien-Friedensgespräche in Genf vor dem Scheitern?

Oppositions- und Regierungsvertreter finden keinen gemeinsamen Nenner



In Genf stecken die Friedensgespräche zwischen Syriens Regierung und der Opposition, die im Januar begannen und nach einer mehrtägigen Pause am 10. Februar in die zweite Runde gingen, bereits in einer Sackgasse. Die vom Westen, der Türkei, Jordanien und den meisten arabischen Staaten am Persischen Golf unterstützte Opposition hat ein Positionspapier vorgelegt, das die andere Seite zu diskutieren sich weigert, weil es die Bildung einer Übergangsregierung in Damaskus vorsieht. Die syrische Regierung, die vor allem aus Rußland und dem Iran Rückendeckung erhält, will erst das Problem des "Terrorismus" und Wege zu dessen Beseitigung erörtern, bevor man über neue politische Strukturen redet.

Der Sondervermittler der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi, warnte am 13. Februar in Genf vor einem Scheitern der Gespräche und bat die beiden UN-Vetomächten Rußland und USA um Hilfe. Zu diesem Zweck traf sich noch am selben Tag der ehemalige Außenminister Algeriens mit der US-Unterstaatssekretärin Wendy Sherman und dem stellvertretenden russischen Außenminister Gennadi Gatilow. Doch auch hier gab es keine Einigung. In einer Reuters-Meldung wurde Badr Jamous, der Generalsekretär der oppositionellen Nationalkoalition, dahingehend zitiert, Sherman hätte nach dem Treffen mit Brahimi und Gatilow berichtet, daß die Unterredung "nicht gut gelaufen" sei.

Derzeit streiten sich Rußland und die USA im UN-Sicherheitsrat über Wege zur Linderung der humanitären Krise in Syrien. Um die Worte des US-Geheimdienstkoordinators James Clapper zu gebrauchen, stellt sich die Lage in Syrien als ein "apokalyptisches Desaster" dar. Bei einem Auftritt vor dem Kongreß in Washington am 11. Februar hatte Barack Obamas Director of National Intelligence (DNI) jene drastische Beschreibung unter Hinweis sowohl auf glaubhafte Berichte über Greueltaten und Folter als auch auf die zweieinhalb Millionen Menschen, die vor dem syrischen Bürgerkrieg ins Ausland geflohen sind, die sechseinhalb bis sieben Millionen Binnenflüchtlinge und die etwa 134.000 Todesopfer begründet.

Angesichts dieser Tatsachen haben die USA und ihre Verbündeten vor wenigen Tagen einen Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat eingebracht, der von den Bürgerkriegsparteien verlangt, daß sie den Weg für humanitäre Hilfslieferungen freimachen, und mit Strafmaßnahmen droht, sollten sie der Aufforderung nicht nachkommen. Vor allem die Belagerung der Altstadt von Homs, der drittgrößten Stadt Syriens, und des von den Rebellen gehaltenen palästinensischen Flüchtlingslagers Jarmouk in Damaskus bieten Anlaß zur Sorge. Dort verhungern Zehntausende Menschen, während die medizinische Versorgung praktisch zusammengebrochen ist. Trotz Waffenstillständen an beiden Schauplätzen, die eine Evakuierung der nicht-kämpfenden Bevölkerung ermöglichen sollte, sind die Mitarbeiter vom Roten Kreuz und Roten Halbmond, die mit Lebensmittel und Medikamenten gekommen waren, in den vergangenen Tage wiederholt unter Beschuß geraten.

Rußland und China blockieren eine Abstimmung über den westlichen Resolutionsentwurf, weil sie befürchten, daß die USA und ihre NATO-Partner ihn unter dem Vorwand der "Responsibility to Protect", in Technokratensprech auch R2P genannt, dazu nutzen könnten, um militärisch, zunächst mit Luftangriffen, in den Konflikt einzugreifen. Seit Monaten befinden sich die syrischen Regierungstruppen auf dem Vormarsch und stehen kurz vor der Einnahme der strategisch enorm wichtigen Rebellenhochburg Homs. Der Verdacht liegt nahe, daß der jüngste Vorwurf des Westens, die Soldaten Baschar al Assads würden die Zivilbevölkerung in den besetzten Städten gezielt verhungern lassen, dazu dient, den Rebellen zu Hilfe zu kommen, um das gefährdete Ziel eines "Regimewechsels" in Damaskus noch zu retten. Nicht umsonst erklärte Frankreichs sozialistischer Präsident Francois Hollande am Rande eines Treffens mit seinem Amtskollegen Obama in Washington am 11. Februar, die Friedensgespräche in Genf dienten lediglich dem Zweck, eine Übergangsregierung in Syrien zu bilden.

Der britische Außenminister William Hague veröffentlichte am 12. Februar in der in Beirut auf Englisch erscheinenden Zeitung Daily Star einen Gastkommentar mit der vielsagenden Überschrift "Das Gespenst von Srebrenica schwebt über der Altstadt von Homs". Damit hat der konservative Parteikollege von Premierminister David Cameron die Idee in die Welt gesetzt, in Syrien fände ein Völkermord statt, den zu verhindern die "internationale Gemeinschaft" aufgerufen wäre. Bedenkt man den Umstand, daß es dieselben "Freunde Syriens" sind, die durch finanzielle und militärische Unterstützung für al-kaida-nahe, sunnitische Dschihadisten den politischen Streit zwischen Opposition und Regierung zu einem alles verschlingenden Flächenbrand haben ausarten lassen, mutet der Vorstoß des humanitären Kriegers Hague mehr als makaber an.

Der Verweis auf Srebrenica läßt bei einem militärischen Eingreifen der NATO in den syrischen Bürgerkrieg für die Menschen dort auch wenig gutes erwarten. Im Schatten der Einnahme der bosnischen Stadt durch serbische Truppen im Juli 1995 haben nur wenige Wochen später die Luftstreitkräfte der USA, Großbritanniens und Frankreichs im Rahmen von "Operation Storm" den kroatischen Bodentruppen geholfen, die Krajina zu erobern und dort die größte "ethnische Säuberung" des gesamten jugoslawischen Sezessionskrieges durchzuführen. Mehr als 150.000 Serben wurden aus ihrer angestammten Heimat vertrieben und rund 2000 von ihnen getötet.

14. Februar 2014