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NAHOST/1286: USA halten am Ziel "Regimewechsel" in Syrien fest (SB)


USA halten am Ziel "Regimewechsel" in Syrien fest

Laut Washington ist Damaskus Schuld am Scheitern der Friedensgespräche



Wie nicht anders zu erwarten war, sind die Verhandlungen um eine Beendigung des seit drei Jahren anhaltenden Bürgerkrieges in Syrien am 15. Februar in Genf im Streit zu Ende gegangen. Die USA und ihre Verbündeten machen für das Scheitern von Genf II die syrische Regierung verantwortlich und werfen deren Unterhändlern Kompromißunfähigkeit vor. Seinerseits bezichtigt Damaskus den Westen und die syrische Opposition, ihre Gesprächsbereitschaft sei niemals ernst gemeint gewesen, da sie von Anfang an und ausschließlich über die Bildung einer Übergangsregierung sprechen und damit keinen Frieden in Syrien schaffen, sondern lediglich ihr ursprüngliches Kriegsziel, einen "Regimewechsel" in Damaskus herbeizuführen, erreichen wollten. Nach dem Abbruch der Genfer Gespräche ist mit verstärkten Bemühungen der NATO, der Türkei und der arabischen Staaten am Persischen Golf zu rechnen, den Aufständischen in Syrien mit militärischen Mitteln zum Sieg zu verhelfen bzw. die Streitkräfte von Präsident Baschar Al Assad zur Kapitulation zu zwingen.

Das Festhalten an der Forderung nach der Bildung einer Übergangsregierung in Syrien ist für die USA deshalb so wichtig, weil der Rückhalt Assads in der Bevölkerung immer noch sehr groß ist. Bei den ersten freien Wahlen in Syrien 2012 - und damit ein Jahr nach Ausbruch des Bürgerkrieges - gewann die bis dahin regierende Baath-Partei 60 Prozent der Sitze im Parlament. Hinzu kamen zahlreiche unabhängige Abgeordnete, die den säkularen syrischen Staat zwar reformieren, aber auf gar keinen Fall abschaffen wollen, wie es die sunnitischen Salafisten, deren Milizen unter den Aufständischen die stärkste Kraft bilden, tun. Nicht umsonst hält sich Assad die Option, bei der für dieses Jahr geplanten Präsidentenwahl zu kandidieren, die er laut Umfragen gewinnen würde, offen.

Viele Syrer, selbst wenn sie nicht mit dem bisherigen System in ihrem Land zufrieden sind, sind für dessen Beibehaltung, wenn auch in leicht veränderter Form. Sie müssen sich Sorgen machen, was aus Syrien wird, sollten Assad und seine Getreuen, wie vom Westen ständig gefordert, tatsächlich von der politischen Bühne verschwinden. Der Irak und Libyen, wo die westliche Militärmacht für den Sturz Saddam Husseins respektive Muammar Gaddhafis gesorgt hat und wo heute noch täglich radikale Islamisten Bombenanschläge und Überfälle verüben, sind mahnende Beispiele. Am 15. Februar explodierte in der südsyrischen Stadt Yadouda eine Autobombe, die 43 Menschen in den Tod riß und Dutzende verletzte. Man geht davon aus, daß die al-kaida-nahe Gruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIL) den Anschlag durchführte und daß er gegen Angehörige einer anderen oppositionellen Miliz gerichtet war. Es besteht daher die große Wahrscheinlichkeit, daß die Gewalt im Syrien, selbst wenn Assad und die Seinigen die Macht an gemäßigte Vertreter der Opposition übergeben würden, nicht abreißen würde, weswegen der Ansatz der Regierungsunterhändler in Genf, zuerst über Wege zu diskutieren, das Problem des "Terrorismus" zu beseitigen, nicht ganz verkehrt gewesen ist.

Wie man dank Seymour Hersh weiß, ist die Destabilisierung Syriens durch die Aufwiegelung, Einschleusung, Bewaffnung und Finanzierung sunnitischer Mudschaheddin von Anfang an Teil eines Plans gewesen, den der damalige US-Vizepräsident Dick Cheney und Prinz Bandar Bin Sultan, der Geheimdienstchef und Nationale Sicherheitsberater Saudi-Arabiens, Ende 2006 in Reaktion auf die israelische Niederlage im Libanon-Krieg ausgeheckt haben. Der Plan bezweckt die Eindämmung des schiitischen Einflusses im Nahen Osten im allgemeinen und die Zerschlagung der Landverbindung zwischen dem Iran und den Hochburgen der Hisb Allah im Libanon, die über Syrien läuft, im besonderen. An diesem Plan hält Saudi-Arabien bis heute hartnäckig fest.

Um den Vormarsch der syrischen Streitkräfte zu stoppen und den Verlauf des Bürgerkrieges zugunsten der Rebellen zu wenden, will Riad demnächst damit beginnen, letztere mit Panzerfäusten aus Rußland und Boden-Luft-Raketen aus der Volksrepublik China auszurüsten. Dies berichtete das Wall Street Journal am 15. Februar unter Verweis auf syrische Oppositionelle und einen arabischen Diplomaten, die allesamt anonym blieben. Dem WSJ-Bericht zufolge befinden sich große Mengen dieser schweren Waffen bereits in Lagerhallen in Jordanien. Über die Verteilung jener Rüstungsgüter und die weitere Finanzierung des Aufstands hätten sich nach WSJ-Angaben verschiedene Rebellenkommandeure bei einem Treffen mit Vertretern aus Saudi-Arabien und den USA am 30. Januar in Jordanien geeinigt.

US-Präsident Barack Obama, der am 14. Februar in Kalifornien mit König Abdullah II. von Jordanien zusammenkam und ihm eine Milliarde Dollar zur Linderung des Problems der syrischen Kriegsflüchtlinge versprochen hat, steht innenpolitisch unter massivem Druck seitens der neokonservativen Kriegstreiberfraktion, eine aktivere Rolle im Syrien-Konflikt zu spielen. Die Neokonservativen legen die Entscheidung Obamas, im September vergangenen Jahres keine Luftangriffe gegen Assads Truppen durchführen zu lassen, sondern auf das Angebot Syriens zur Vernichtung seines kompletten Chemiewaffenarsenals einzugehen, als außenpolitisches Desaster aus. Dadurch hätte der US-Präsident das Leid der syrischen Zivilbevölkerung verschärft, das Assad-"Regime" weiter am Leben erhalten und die "extremen" Kräfte unter den Aufständischen stärker werden lassen, so der Vorwurf.

Bekanntlich waren damals die Saudis - und mit ihnen die Israelis - über das Ausbleiben des angekündigten Militärschlages der USA gegen die syrischen Streitkräfte zutiefst verärgert. Auch bezüglich des Putsches des ägyptischen Militärs im vergangenen Sommer gegen ihren gewählten Präsidenten Mohammed Mursi von der Moslembruderschaft haben sich Washington und Riad verkracht. Die USA haben die anti-demokratische Wende in Kairo verurteilt, Saudi-Arabien hat dagegen den Militärs am Nil mit mehreren Milliarden Dollar unter die Arme gegriffen und somit einen Bankrott des ägyptischen Staats verhindert. Ende März wird Obama zu einem Staatsbesuch in Saudi-Arabien erwartet. Presseberichten zufolge soll es zur großen Versöhnung zwischen den langjährigen Alliierten kommen. Wie Bruce Riedel, der einst als CIA-Analytiker und Nahost-Experte im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses arbeitete, am 15. Februar in einem Artikel für die Online-Zeitung Al-Monitor schrieb, will König Abdullah Obama für eine deutliche Eskalation des Krieges in Syrien gewinnen. Angesichts der momentanen Lage sieht es nicht aus, als würde der saudische Monarch allzuviel Überzeugungskraft aufbringen müssen.

17. Februar 2014