Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1354: Israel hilft IS und Al-Nusra im Krieg in Syrien (SB)


Israel hilft IS und Al-Nusra im Krieg in Syrien

Tel Aviv strebt wie Washington und Riad Regimewechsel in Damaskus an



Am 7. Dezember hat die israelische Luftwaffe schwere Angriffe auf Ziele in Syrien geflogen. Über den Zweck der Operation, deren Durchführung von israelischer Seite weder bestätigt noch kommentiert wurde, gibt es bislang nur Vermutungen. Fest steht, daß die größten Nutznießer einer Schwächung der regulären syrischen Streitkräfte die oppositionellen Aufständischen sind, in deren Reihen die al-kaida-nahe Al-Nusra-Front und der noch radikalere Islamische Staat (IS) die mit Abstand stärksten Kräfte darstellen. Aus diesem Grund ist der Vorwurf, den das Protestschreiben der Regierung in Damaskus an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon enthielt, der Vorfall beweise, daß Israel "terroristische Organisationen" in Syrien unterstütze und deswegen vom Sicherheitsrat schwer sanktioniert werden müßte, nicht ganz von der Hand zu weisen.

Nach offiziellen Angaben der syrischen Armee wurden Gebäude am Flughafen von Damaskus sowie bei Dimas, einer Kleinstadt nahe der Grenze zum Libanon, an deren Rand sich mehrere Militärstützpunkte sowie staatliche Forschungseinrichtungen befinden, zerstört bzw. schwer beschädigt. In der internationalen Presse machen Spekulationen die Runde, wonach mit dem Angriff ballistische Raketen oder sonstige Militärausrüstung aus dem Iran, die für die schiitisch-libanesische Hisb-Allah-Miliz gedacht war, oder hochmoderne Boden-Luft-Raketen vom Typ S-300 für die syrische Armee zerstört werden sollten. Schließlich hat die israelische Luftwaffe in den letzten Jahren mehrmals Angriffe auf Ziele in Damaskus, in der Mittelmeerstadt Latakia sowie an der Grenze zum Libanon geflogen, bei denen es nach Einschätzung der meisten Kommentatoren um die Verhinderung von Waffentransfers an die Hisb-Allah-Miliz gegangen sein soll.

Doch es gibt eine andere mögliche Erklärung - jedenfalls für den Angriff auf den Flughafen von Damaskus. Von dort aus werden diejenigen syrischen Streitkräfte unterstützt und versorgt, die derzeit den Flughafen von Deir ez-Zor, Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements, gegen die IS-Kämpfer verteidigen. Die salafistischen Mudschaheddin kontrollieren rund die Hälfte des strategisch wichtigen Gouvernements Deir ez-Zor, das im Norden an ihrer Hochburg Raqqa und im Osten an den von ihnen weitestgehend beherrschten irakischen Provinzen Anbar und Ninawa grenzt. Die syrischen Streitkräfte halten noch wie vor den größten Teil der Stadt Deir ez-Zor einschließlich des Militärflughafens, von wo aus sie immer noch Luftangriffe auf die Konvois und Stellungen ihrer Gegner durchführen können.

Seit Tagen finden heftige Kämpfe um den Militärflughafen von Deir ez-Zor statt. Deshalb liegt der Verdacht nahe, beim israelischen Luftangriff auf den Flughafen von Damaskus ging es darum, die Unterstützung für die letzten Verteidiger in Deir ez-Zor zu unterbrechen und der IS-Offensive dort zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu paßt die offizielle Stellungnahme des Oberkommandos der syrischen Streitkräfte, demzufolge die Israelis mit der Militäroperation die Kampfmoral von Al-Nusra und IS heben wollten, nachdem diese in den jüngsten Tagen mehrere schweren Niederlagen, darunter das Scheitern der Großoffensive bei Deir es-Zor, zu verkraften gehabt hätten.

Interessanterweise erfolgte der israelische Luftangriff ausgerechnet am selben Tag, an dem die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA den brisanten Inhalt eines Berichts der seit 1974 stationierten United Nations Disengagement Observer Force öffentlich machte. In dem UNDOF-Bericht wird die Richtigkeit von Meldungen über eine heimliche Zusammenarbeit zwischen den israelischen Streitkräften und islamistischen Aufständischen auf den Golanhöhen bestätigt. Nach UNDOF-Angaben ist es zwischen März 2013 und Mai 2014 auf den Golanhöhen zu mindestens 59 Treffen zwischen Offizieren der israelischen Armee und islamistischen Rebellenkommandeuren - hauptsächlich von Al-Nusra - gekommen. Während dieser Zeit wurden 89 verletzte Rebellen zur Behandlung in israelische Krankenhäuser transferiert. Mindestens 19 von ihnen kehrten nach der Genesung nach Syrien zurück, vermutlich um sich erneut am Bürgerkrieg zu beteiligen. Darüber hinaus wollen UNDOF-Soldaten des öfteren beobachtet haben, wie israelische Armeeangehörige an der Demarkationslinie Kisten an die syrischen Rebellen aushändigten. Man kann davon ausgehen, daß es sich hier um rüstungstechnologische Hilfe handelt.

Seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien stößt man immer wieder auf die Behauptung, die Regierung in Tel Aviv habe kein Interesse an einem Sturz Baschar Al Assads, weil dessen "Regime" über Jahre hinweg Ruhe und Stabilität an Israels nordöstlicher Grenze garantiert habe. Wer dieser These anhängt, hat offenbar nicht erkannt, wie empfindlich, wohl auch der besonderen Geschichte Israels geschuldet, sein Sicherheitsinteresse ist. Schließlich spielte der israelische Geheimdienst zwischen Herbst 2001 und Frühjahr 2003 eine wichtige Rolle, als es der Regierung von US-Präsident George W. Bush darum ging, der Welt mit Schauergeschichten über Massenvernichtungswaffen und einem "finsteren Nexus" zwischen Saddam Hussein und Osama Bin Laden die Notwendigkeit eines angloamerikanischen Einmarsches weiszumachen.

Daß die grundlegende Umformung des strategischen Umfeldes nach wie vor das oberste Primat israelischer Außen- und Sicherheitspolitik ist, zeigen jüngste Äußerungen des früheren Verteidigungs- und Premierministers Ehud Barak. Bei einer Rede an der Universität von Tel Aviv kritisierte General a. D. Barak die Anti-IS-Koalition der USA scharf. Er behauptete, daß die syrischen Streitkräfte "200.000 Menschen massakriert" hätten und daß von den laufenden US-Luftangriffen auf IS-Stellungen im Irak und Syrien einzig "Assad, der Iran und Hisb Allah" profitierten. Er warf Washington, London und Paris vor, mit ihrer angeblich mißratenen Militärintervention gegen das IS-Kalifat für "Bushs Achse des Bösen" die "Drecksarbeit" zu erledigen. Angesichts solcher Formulieren hat es den Anschein, als habe Israel mit den Luftangriffen bei Damaskus und Dimas für einen gewissen Ausgleich im syrischen Bürgerkrieg sorgen wollen.

8. Dezember 2014