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NAHOST/1387: Huthi-Rebellen durchkreuzen die Pläne Saudi-Arabiens (SB)


Huthi-Rebellen durchkreuzen die Pläne Saudi-Arabiens

Internationalisierung der Jemen-Krise löst humanitäre Katastrophe aus


Für Saudi-Arabien entwickelt sich die Militärintervention im Jemen bereits nach nur einer Woche zu einem Fiasko. Das offizielle Ziel der Operation, die schiitischen Huthi-Rebellen an den Verhandlungstisch zu bomben, damit der von ihnen im Januar abgesetzte Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi von der Hauptstadt Sanaa aus sein Amt wahrnehmen kann, rückt mit jedem Kriegstag in immer weitere Ferne. Selbst das vorläufige Ziel, die Hafenstadt Aden für die Hadi-Kräfte zu halten und zu einer Art Brückenkopf auszubauen, ist gescheitert. Am Morgen des 2. April meldete die BBC, nach tagelangen schweren Kämpfen hätten gepanzerte Truppenverbände der mit den Huthis verbündeten Anhänger von Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh das Zentrum von Aden, nach Sanaa die zweitgrößte Stadt des Jemens, erreicht.

Sollten die Huthis und Salehs Soldaten Aden vollständig unter ihre Kontrolle bringen, wäre das eine schwere Niederlage für die ausländische Interventionsstreitmacht, die von Saudi-Arabien angeführt wird und an der sich Ägypten, Jordanien, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Sudan und die Türkei beteiligen bzw. beteiligen wollen. Bereits am 27. März hatten die Huthi-Rebellen durch die Einnahme der Hafenstadt Schakra, die 100 Kilometer östlich von Aden liegt, ihre erste Position an der Küste des Indischen Ozeans erobert.

Am 31. März haben die Huthis einen Militärstützpunkt in der Provinz Taiz kampflos übernommen, der ganz im Süden an der Küste des Roten Meeres liegt (die dort stationierten Soldaten der 17. Panzerdivision sollen für sie das Tor einfach aufgemacht haben). Käme Aden hinzu, wäre die Kontrolle der Huthis auf beiden Seiten der strategisch enorm wichtigen Meeresenge Bab El Mandab fast vollständig und wären die Pläne der Ägypter und Saudis, gerade dort eine größere amphibische Landoperation durchzuführen, vorerst durchkreuzt.

Der einzige Erfolg, den die Anti-Huthi-Koalition bisher für sich verbuchen konnte, war diplomatischer Art: Beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga am 29. März im ägyptischen Badeort Scharm El Scheich haben die sunnitischen Teilnehmerstaaten an der Operation Entscheidender Sturm in Anwesenheit von Jemens Ex-Präsident Hadi die Gründung einer regionalen, multinationalen Interventionsarmee beschlossen. Hauptaufgabe der neuen Truppe soll die Bekämpfung jenes "islamischen Terrorismus" sein, den die arabischen Golfkriegsstaaten und die Türkei im Irak und in Syrien - siehe Al-Nusra-Front und den Islamischen Staat - fördern, jedoch als Bedrohung der eigenen Autokratien betrachten.

Allen gegenteiligen Bekenntnissen zum Trotz werden Saudi-Arabien und seine Verbündeten, die ihre Einmischung in die innenpolitischen Streitereien der Jemeniten mit der angeblichen Unterstützung der Huthi-Rebellen durch den schiitischen Iran begründen, nicht darauf verzichten, sich im Kampf um die Macht im Nachbarland der Hilfe sunnitischer Salafisten wie Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP) zu bedienen. Die Selbstmordanschläge, die am 20. März mehr als 140 Teilnehmer des Freitagsgebets in zwei schiitischen Moscheen in Sanaa in den Tod rissen und zu denen sich erstmals eine bis dahin unbekannte jemenitische IS-Dependance bekannte, kündigten quasi die illegale saudische Militärintervention an, die fünf Tage später begann. Die Nachricht, wonach sunnitische Dschihadisten am 1. April ein Gefängnis in der ostjemenitischen Hafenstadt Mukalla erstürmt und mindestens 150 Gesinnungsgenossen, darunter das AQAP-Führungsmitglied Khalid Batarfi, befreit haben, läßt für die Zukunft des Jemens nichts Gutes verheißen. Bekanntlich gingen dem großen Vormarsch des IS im Irak 2014 eine Reihe spektakulärer Gefängnisausbrüche im Zweistromland voraus.

Bisher taten sich die am Angriff auf den Jemen beteiligten Luftstreitkräfte der arabischen Golfstaaten durch Fehlschläge hervor. Bei einem angeblich versehentlichen Luftangriff am 29. März auf das Flüchtlingslager Al Mazraq im nordjemenitischen Gouvernement Saada, dem traditionellen Siedlungsgebiet der Huthis, wurden 40 Zivilisten, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, getötet (an der Grenze Nordjemens zu Saudi-Arabien soll es inzwischen zu ersten Artilleriegefechten gekommen sein).

Als am 1. April eine Molkerei in der Hafenstadt Hudaidah am Roten Meer von mehreren Raketen der Anti-Huthi-Luftwaffe getroffen wurde, kamen 38 Mitarbeiter der Anlage ums Leben. Weitere 80 Personen wurden verletzt. Am selben Tag meldete das Rote Kreuz, das saudische Militär, das den jemenitischen Luftraum kontrolliert und dessen Schiffe die Häfen des Landes blockieren, hätte die weitere Lieferung von Lebensmitteln und anderer humanitärer Güter nach Sanaa bis auf weiteres ausgesetzt. Inzwischen warnt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) vor einer humanitären Katastrophe, während die ersten jemenitischen Familien vor den Kämpfen mit kleinen Booten über das Rote Meer nach Dschibuti und Somalia geflohen sind.

2. April 2015


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