Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1438: Kein baldiges Ende des Krieges im Jemen in Sicht (SB)


Kein baldiges Ende des Krieges im Jemen in Sicht

Friedensgespräche gescheitert - Kämpfe unvermindert fortgesetzt


Nach einer Woche sind am 20. Dezember die Gespräche, die an einem geheimen Ort in der Schweiz stattfanden und zur Beendigung des Krieges im Jemen führen sollten, ergebnislos zu Ende gegangen. Woran die Verhandlungen unter Vermittlung des UN-Sondergesandten Ismail Ould Scheich Ahmed aus Mauritanien gescheitert sind, ist unklar. Aus Diplomatenkreisen hieß es bis zuletzt, die drei Delegationen von der international anerkannten Regierung um Interimspräsident Abd Rabbuh Mansur Hadi sowie von der Ansarullah-Partei, dem politischen Arm der schiitischen Huthi-Rebellen, und dem mit ihr verbündeten Allgemeinen Volkskongreß (General People's Congress - GPC) um Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh seien sich näher gekommen. Im Jemen selbst wurde die vereinbarte Waffenruhe jedoch immer wieder gebrochen, während sich der geplante Austausch von Kriegsgefangenen nur zum Teil umsetzen ließ. Offenbar boten die Bedingungen auf dem Schlachtfeld keine ausreichende Basis für eine Verhandlungslösung.

Noch zum Auftakt der Friedensgespräche hatten die Huthi-Rebellen ihren bisher schwersten Schlag gegen die Truppen Hadis und dessen sunnitische Verbündete erzielen können. Ein Raketenangriff der Huthis am 14. Dezember auf einen Stützpunkt der Pro-Hadi-Kräfte im Südwesten des Jemen nahe der Meerenge Bab Al Mandab, die das Rote Meer und den Indischen Ozean verbindet, soll 152 Menschenleben gefordert haben. Unter den Opfern sollen sich auch Soldaten und ranghohe Offiziere aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Marokko sowie mehrere Dutzend ausländische Söldner, vornehmlich lateinamerikanischer Herkunft, befunden haben. Darüber hinaus sollen bei dem Einschlag der sowjetischen SS-21-Scarab-Rakete zwei Batterien des Patriot-Raketenabwehrsystems, drei Apache-Kampfhubschrauber und mehr als 50 Militärfahrzeuge zerstört worden sein.

Nach diesem Rückschlag sind es aber die Hadi-Anhänger, die an verschiedenen Fronten auf dem Vormarsch sind. Sehr zur Verärgerung der Huthis und der mit ihnen verbündeten Revolutionsgarden der jemenitischen Armee, die nach wie vor Ex-Präsident Saleh und dessen Klan die Treue halten, haben die Streitkräfte der von Saudi-Arabien angeführten Koalition die Feuerpause genutzt, um wichtige Geländegewinne zu erzielen. Bis zum 18. Dezember stießen die Pro-Hadi-Truppen tief in den Norden, wo die Hauptsiedlungsgebiete der Huthis liegen, vor. Sie haben Teile des Gouvernements Haddscha im Nordwesten des Landes sowie Al-Hazm, die Hauptstadt des nördlichen Gouverments Al-Dschauf, das an der Grenze zu Saudi-Arabien liegt, erobert. Einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 21. Dezember zufolge haben die Huthi-Gegner inzwischen zwei Berge im Südosten des Gouvernement Sanaa eingenommen und stehen jetzt nur noch 60 Kilometer vor der gleichnamigen jemenitischen Hauptstadt.

Angesichts der Offensive der Pro-Hadi-Kräfte haben die Huthis und die saleh-treuen Truppen in den letzten Tagen verstärkt Raketenangriffe auf Städte und Militärstützpunkte im Südwesten Saudi-Arabiens durchgeführt, um dort sozusagen eine zweite Front aufzumachen. Bei einem Raketenangriff der Huthis auf Nadschran, der Hauptstadt der gleichnamigen, saudischen Grenzprovinz, kamen am 19. Dezember drei Zivilisten, darunter zwei Gastarbeiter aus Indien, ums Leben. Bei dem verwendeten Geschoßtyp soll es sich um eine ballistische Qaher-1-Rakete gehandelt haben, die längst nicht soviel Sprengstoff wie die bereits erwähnte SS-21-Scarab-Rakete mit sich führt. Dies erklärt auch den vergleichsweise geringen Schaden, den der Raketenangriff in Nadschran verursacht hat.

Die Huthi-Rebellen sollen trotz massiver Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten, sunnitischen Militärkoalition in den letzten acht Monaten noch immer über ein beachtliches Arsenal an Boden-Boden-Raketen der Typen Qaher-1 und SS-21-Scarab verfügen. Nach Informationen der Zeitung Middle East Eye drohte der Brigadegeneral der jemenitischen Revolutionsgarden, Scharaf Lukman, am 20. Dezember, die Raketenangriffe auf Saudi-Arabien zu intensivieren. Lukman zufolge hat die Huthi-Saleh-Allianz "300 militärische und lebenswichtige Ziele" in Saudi-Arabien ins Visier genommen. Sollten die von Saudi-Arabien angeführten Bodentruppen demnächst versuchen, die von den Huthis kontrollierte Hauptstadt Sanaa zu "befreien", werden besagte Raketen vermutlich zur Anwendung kommen. Bisher sind nach Angaben des Hilfswerks der Vereinten Nationen im Bürgerkrieg im Jemen mindestens 5.800 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen und mehr als 28.000 verletzt worden. In den kommenden Wochen dürften diese traurigen Zahlen noch weiter ansteigen.

22. Dezember 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang