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NAHOST/1492: Neuer UN-Friedensplan soll Krieg im Jemen beenden (SB)


Neuer UN-Friedensplan soll Krieg im Jemen beenden

Katar und Saudi-Arabien bitten Algerien um Hilfe bei UN-Friedenstruppe


Das Wiederaufflammen der Kämpfe im Jemen nach der 72stündigen Feuerpause Mitte Oktober und die jüngsten spektakulären Aktionen der schiitischen Huthi-Rebellen, nämlich der Beschuß der internationalen Flughäfen im saudischen Mekka und Dschiddah mit ballistischen Raketen, können den Eindruck nicht entkräften, daß der Krieg im Armenhaus der arabischen Halbinsel allmählich ausläuft. Das ist auch gut so, denn eine Beendigung der Kampfhandlungen kann nicht schnell genug kommen. Etwa die Hälfte der rund 28 Millionen Jemeniten leidet inzwischen an Unterernährung, während Hunderttausenden Kindern der Hungertod droht. Um eine humanitäre Katastrophe riesigen Ausmaßes doch noch abzuwenden, muß der Krieg so rasch wie möglich beendet und die damit einhergehende Blockade der jemenitischen Häfen durch eine von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz aufgehoben werden.

Die Friedensverhandlungen, die im Sommer in Kuwait stattfanden, sind an der Forderung gescheitert, die Huthi-Rebellen und die mit ihnen verbündeten Teile der Streitkräfte, die nach wie vor Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh die Treue halten, sollten sämtliche schweren Waffen abgeben und sich aus Sanaa und den anderen unter ihrer Kontrolle stehenden Städten zurückziehen. Das Huthi-Saleh-Bündnis, das nach wie vor in der Nordwesthälfte des Landes das Sagen hat, hat diesen Teil des Friedensplans des mauritanischen UN-Sondergesandten Ismail Ouid Cheikh Ahmed als einseitige Kapitulation kategorisch abgelehnt. In den letzten Tagen hat Ahmed deshalb den Kriegsparteien den Entwurf eines neuen Friedensplans vorgelegt, der zwar besagte Entwaffnungsbedingung nach wie vor enthält, dafür aber gleichzeitig die weitgehende Entmachtung von Interimspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi vorsieht. Um Hadi wieder an die Macht zu hieven, hatte Saudi-Arabien im März 2015 an der Spitze einer sunnitischen Staatenkoalition die militärische Aggression im Nachbarland gestartet.

Hadi ist im Jemen eine umstrittene Figur. Er verfügt im eigenen Land über keine nennenswerte Machtbasis und gilt damit quasi als Marionette Riads. Als 2012 die USA und Saudi-Arabien vor dem Hintergrund des "arabischen Frühlings" den langjährigen Präsidenten des Jemens, Saleh, zum Rücktritt zwangen, ging der Posten des Staatschefs an dessen Stellvertreter Hadi über. Um den demokratischen Schein zu wahren, wurde eine Präsidentenwahl durchgeführt, bei der Hadi als einziger Kandidat aufgestellt war. Nach der Übernahme der Staatsgeschäfte sollte Hadi innerhalb von zwei Jahren und im Rahmen eines gesellschaftlichen Konsenses eine neue Verfassung ausarbeiten lassen. Dies ist ihm aber nicht gelungen.

2014 hat Hadi seine Amtszeit als Interimspräsident per Dekret einfach verlängert. Als Ende desselben Jahres die Beratungen über die neue Verfassung nicht zuletzt wegen der ständigen Einmischung Hadis scheiterten, waren die Huthis mit der Geduld am Ende. Mit Hilfe der salehtreuen Truppen haben sie die Kontrolle über die wichtigsten Ministerien in Sanaa übernommen und die Regierung unter Hausarrest gestellt. Als die Streitkräfte Saudi-Arabiens und der anderen Petromonarchien am Persischen Golf im Frühjahr 2015 militärisch eingriffen, gelang es Hadi, zuerst nach Aden zu fliehen und sich später nach Riad abzusetzen. Seit Monaten herrscht in Aden eine von Hadi zusammengestellte "Exilregierung" und hofft auf den Wiedereinzug nach Sanaa. Angesichts des territorialen Stillstands auf dem Schlachtfeld ist diese Hoffnung illusorisch.

Vor diesem Hintergrund sieht der neue UN-Friedensplan laut Angaben der Nachrichtenagentur Reuters vor, daß zwar die Huthis alle ihre schweren Waffen abgeben und sich auf ihre ursprünglichen Positionen vor dem Ausbruch der Krise zurückziehen, dafür aber die Gegenregierung in Aden komplett entlassen wird und Hadi nur befristet und lediglich als Präsident ohne Machtbefugnisse nach Sanaa zurückkehrt. Auf diese Weise könnten die Saudis ihr Gesicht wahren, während den Huthis gleichzeitig die Angst vor der kompletten Unterwerfung genommen würde. Was mit den schweren Waffen der saleh-treuen Truppen geschehen soll, ist unklar. Möglicherweise wird man versuchen, diese Einheiten, darunter auch die mächtige Nationalgarde, wieder in die regulären Streitkräfte zu integrieren.

Über den neuen Vorstoß soll Hadi nicht glücklich sein. Nach dem Plan Ahmeds bleibt dem Ex-General als Noch-Staatsoberhaupt praktisch nichts mehr zu tun, als seine Machtbefugnisse an einen neuen Vizepräsidenten abzugeben, der wiederum einen Premierminister seiner Wahl mit der Bildung einer neuen Regierung der nationalen Einheit, bestehend aus Vertretern des eher schiitischen Nordens und des eher sunnitischen Südens, zu beauftragen. Diese Große Koalition soll die notwendigen Maßnahmen zur Linderung der humanitären Notlage ergreifen, den Wiederaufbau der Infrastruktur anschieben und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung beaufsichtigen. Während die Huthis und die Saleh-Leute ihre vorsichtige Zustimmung zum Friedensplan signalisiert haben, haben Katar und Saudi-Arabien bereits Algerien, das für seine neutrale Haltung und seine Politik der Nicht-Einmischung in auswärtige Dispute bekannt ist, um die Entsendung einer Friedenstruppe gebeten, welche die Demobilisierung im Jemen begleiten soll. Dies berichtete am 27. Oktober die Online-Zeitung Middle East Eye. In Algier wird derzeit das Ersuchen Dohas und Riads geprüft. Erst wenn die Algerier überzeugt sind, daß sie nicht in den Jemen-Konflikt hineinzogen werden, beteiligen sie sich an der UN-Friedensmission, so MEE.

29. Oktober 2016


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