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NAHOST/1505: Riad und Verbündete richten den Jemen zugrunde (SB)


Riad und Verbündete richten den Jemen zugrunde

Saudi-Arabien für die Hungersnot im Jemen hauptverantwortlich


Im Jemen, wo seit März 2015 Saudi-Arabien an der Spitze einer sunnitischen Staatenallianz vergeblich den gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi gegen den Willen der schiitischen Huthi-Rebellen und der Streitkräfte des mächtigen Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh zurück an die Macht zu bringen versucht, ist kein Ende der Kämpfe in Sicht. Schon mehr als 11.000 Menschen haben das Leben verloren, weitere drei Millionen wurden zu Binnenflüchtlingen gemacht. Gegen den jüngsten Kompromißvorschlag, Hadi als weitgehend entmachteten Präsidenten in eine neue Regierung der nationalen Einheit in die Hauptstadt Sanaa zurückkehren zu lassen, haben die Saudis ihr Veto eingelegt. Riad rechtfertigt die Militärintervention, die den Jemen langsam, aber sicher zugrunde richtet, mit der Behauptung, die Huthis seien die Handlanger des schiitischen Irans. Abgesehen davon, daß die saudische Aggression die Huthis und die Saleh-Leute in die Arme Teherans treibt, fallen die Belege für etwaige iranische Machenschaften im Jemen bislang mehr als dürftig aus.

In den letzten Tagen hat es schwere Kämpfe an Jemens Nordgrenze zu Saudi-Arabien gegeben. Die Huthis behaupten, sie hätten am Grenzübergang Alab eine größere Offensive der saudischen Landstreitkräfte zum Erliegen gebracht und Dutzende gegnerische Soldaten getötet. In dem Zusammenhang sollen die Huthis und saleh-treuen Truppen mehrere Militärstützpunkte im saudischen Südwesten mit Raketen beschossen haben. Welche Schäden diese angerichtet haben, ist unbekannt. Fest steht, daß sich die saudischen Bodentruppen im Jemenkrieg nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Ohne die einseitige Luftunterstützung, die sie erfahren, hätten sie niemals die Huthis aus dem Süden und Osten des Jemens verdrängen können.

Selbst in den Regionen, die nominell unter der Kontrolle Hadis stehen, sieht die Sicherheitslage desaströs aus. Am 10. und am 18. Dezember haben sich zwei Selbstmordattentäter vor den Toren derselben Kaserne in der Hafenstadt Aden, dem provisorischen Sitz der Hadi-Regierung, in die Luft gejagt und dabei 57 respektive 48 Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet. Bei den Anschlägen, welche die "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) für sich reklamierte, wurden zudem 70 respektive 84 Menschen schwer verletzt. In den letzten fast zwei Jahren haben die Saudis und die Hadi-Leute immer wieder auf die Hilfe von Al Kaida und ähnlichen Gruppen zurückgegriffen. Dies rächt sich nun. Am 17. Dezember meldete die Onlinezeitung Middle East Eye, die salafistische Hasm-Brigade hätte die Getreuen Hadis aus dem Teil der umkämpften Stadt Taizz, die nicht von den Huthis kontrolliert wird, verjagt.

Währenddessen setzt sich in einem ungeheuren Ausmaß das Leid der jemenitischen Zivilbevölkerung fort. Die Situation im Armenhaus Arabiens ist so schlimm, daß einige Beobachter den Vorwurf des Völkermords an die Adresse des saudischen Königshauses richten. Einem am 20. Dezember veröffentlichten Bericht der britischen Wohltätigkeitsorganisation Save The Children zufolge sterben im Jemen inzwischen jede Woche 1000 Kinder "an vermeidbaren Todesursachen wie Durchfall, Mangelernährung und Atemwegsinfektionen". Nach Angaben des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen (UNICEF) ist die Hälfte der 28 Millionen Jemeniten durch Lebensmittelunsicherheit bedroht, während 8 Millionen inzwischen an Hunger leiden. 86 Prozent der Bevölkerung ist zum Überleben auf humanitäre Hilfe angewiesen. Den meisten Menschen fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der European Council on Foreign Relations (ECFR) warnt bereits vor einer katastrophalen Hungersnot an der Südwestspitze der Arabischen Halbinsel, die zwangsläufig zu größeren Flüchtlingsströmen in Richtung Mittelmeer führte.

In einem Artikel, der am 13. Dezember bei der britischen Zeitung Metro unter der alarmierenden Überschrift "Seven million people are now starving to death in Yemen" erschienen ist, hat Mark Goldring, Leiter des Hilfswerks Oxfam, schonungslose Kritik am Vorgehen der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz, welche die von ihr eingesetzten Waffen und Munition zum allergrößten Teil aus den USA und Großbritannien bezieht, geäußert:

Den Jemen läßt man langsam verhungern. Anfangs wurde die Einfuhr, darunter auch von dringend benötigten Lebensmitteln, eingeschränkt. Als sich die Lage entspannte, wurden in den Häfen die Kräne bombardiert, danach die Lagerhäuser, die Straßen und die Brücken. Was sich hier ereignet, ist kein Unglück, sondern geschieht systematisch. Die Wirtschaft des Landes, seine Institutionen, seine Fähigkeit, die Bevölkerung zu ernähren und für sie zu sorgen, stehen am Rande des Zusammenbruchs.

Angesichts derlei Verhältnisse wundert es nicht, daß unter den Abgeordneten im britischen Unterhaus und den Mitgliedern des Kongresses in den USA eine vorsichtige Diskussion um eine mögliche Verwicklung der eigenen Militärs und Politiker in die Kriegsverbrechen der am Jemenkrieg beteiligten sunnitischen Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrats (Gulf Cooperation Council - GCC) - Bahrain, Katar, Kuwait, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate - ausgebrochen ist. Als einziger GCC-Mitgliedsstaat hat sich Oman nicht in das von Riad forcierte Militärabenteuer im Jemen gestürzt, sondern versucht zwischen den Saudis und der Führung in Teheran zu vermitteln. Darum fanden im November die letzten Friedensverhandlungen in der omanischen Hauptstadt Muskat statt.

21. Dezember 2016


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