Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1509: Trump verhängt neue Sanktionen gegen den Iran (SB)


Trump verhängt neue Sanktionen gegen den Iran

Washington zündet die Lunte für einen Krieg im Persischen Golf an


Kaum im Amt, hat der neue republikanische US-Präsident Donald Trump gleich die größte außenpolitische Leistung seines demokratischen Vorgängers Barack Obama, die Beilegung der seit dem Sturz des Schahs 1979 anhaltenden Konfrontation zwischen Amerika und den Iran, zunichte gemacht. Am 3. Februar, genau zwei Wochen nach dem Einzug ins Weiße Haus, verhängte er Sanktionen gegen den Iran, die nach Angaben seiner Mitarbeiter lediglich als "erste Salve" der kommenden Auseinandersetzung zwischen Washington und Teheran zu verstehen sind. Alles deutet darauf hin, daß der außenpolitisch völlig unerfahrene Trump das unternehmen wird, worauf die neokonservativen, pro-israelischen Falken im Sicherheitsapparat seit langem drängen, nämlich einen Krieg mit dem Ziel, das "Mullah-Regime" in Teheran zu stürzen.

Der New Yorker Immobilienhai hatte im Wahlkampf immer wieder gegen das 2015 von den USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland mit dem Iran geschlossene Atomabkommen als "schlechtesten Deal aller Zeiten" gewettert und einen härteren Kurs gegenüber Teheran versprochen. Folgerichtig hat er zwei Ex-Generäle, James Mattis und Michael Flynn, zu seinem Verteidigungsminister respektive Nationalen Sicherheitsberater ernannt, die beide den Iran für den "Hauptförderer des internationalen Terrorismus" halten, nur weil Teheran zu seiner Allianz mit der israelisch-feindlichen Hisb Allah im Libanon steht. Die schiitischen Iraner kämpfen an vorderster Front in Syrien gegen die salafistische "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS), die wie Al Kaida hauptsächlich von Saudi-Arabien unterstützt wird - eine Tatsache, die Verbalrambos wie Mattis, Flynn und Trump geflissentlich ignorieren.

Nach einem Telefonat mit dem saudischen König Salman am 29. Februar hatte Trump sein umstrittenes Einreiseverbot für Bürger aus dem Iran und sieben weiteren mehrheitlich muslimischen Ländern verhängt. Am 1. Februar trat Flynn überraschend bei einer Pressekonferenz des Trump-Sprechers Sean Spicer auf und drohte dem Iran indirekt mit Krieg. Anlässe des Flynnschen Säbelrasselns waren der Test einer iranischen Mittelstreckenrakete am 29. Januar und der Beschuß eines saudischen Kriegsschiffs vor der Küste des Jemens am darauffolgenden Tag. Der ehemalige Chef der Defense Intelligence Agency (DIA) warf der Regierung in Teheran vor, einerseits mit dem Raketentest gegen das Atomabkommen und die begleitende UN-Resolution 2231 zu verstoßen und andererseits die Huthis "ausgebildet und ausgerüstet" zu haben und somit für die Attacke im Roten Meer verantwortlich zu sein.

Die erste Behauptung gilt unter Fachleuten als eine inkorrekte Auslegung der entsprechenden Textpassagen; weder Atomabkommen noch UN-Resolution verbietet dem Iran prinzipiell das Testen von ballistischen Raketen, sondern lediglich von solchen, mit denen man einen Atomsprengkopf befördern könnte. Die Iraner insistieren darauf, daß sie ihren Verpflichtungen nachkommen und lediglich selbstverständliche Maßnahmen zum Zwecke der Landesverteidigung durchführen. Für Flynns zweite Behauptung gibt es keinerlei Beweise. Hinzu kommt, daß die Huthis ihren Kampf gegen die Saudis als völkerrechtlich legitimen Widerstand gegen einen ausländischen Aggressor verstehen, der seit zwei Jahren den Jemen bombardiert und dabei die Infrastruktur des Landes weitgehend zerstört, zahlreiche Zivilisten getötet und eine schwere Hungersnot ausgelöst hat. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß am 30. Januar erste Berichte über eine mißlungene Kommandoaktion der U.S. Navy SEALs gegen Al Kaida im Jemen, die zum Tod eines amerikanischen Soldaten sowie zahlreicher Frauen und Kinder führte, an die Öffentlichkeit gelangten und für Aufregung sorgten. Von daher liegt die Vermutung nahe, daß die Trump-Regierung durch eine Eskalation der Spannungen mit dem Iran von ihrer ersten militärischen Blamage ablenken wollte.

Wenn dies das Ziel gewesen sein sollte, ist dem Weißen Haus die Flucht nach vorn gelungen. Die Hillary Clinton wohlgesonnene New York Times, in der man im Wahlkampf und auch danach ein gutes Wort über Donald Trump mit der Lupe suchen mußte, war am 3. Februar plötzlich voll des Lobes ob der Unberechenbarkeit des neuen Oberkommandierenden der US-Streitkräfte. In einem Artikel, der unter der Überschrift "Iran, Puzzled by Trump, Treads Carefully for Now", ("Der Iran, durch Trump irritiert, kommt auf leisen Sohlen"), erschienen ist, hieß es:

"... es besteht kaum ein Zweifel, daß die Geistlichkeit aus der Balance geworfen wurde. Ein Analytiker mit Einblick in die Überlegungen der Regierung sagte, die Hardliner seien irritiert und wüßten nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Einige im Establishment favorisierten die gleiche Rhetorik und die gleichen Taktiken, die man bei Obama benutzte, doch in Wirklichkeit habe man Neuland betreten, erklärte er."

Neben den geopolitischen Aspekten der steigenden Spannungen zwischen Teheran und Washington gibt es auch einen wirtschaftlichen Hintergrund, von dem man im Westen wenig gehört hat. In Reaktion auf das von Trump verhängte Einreiseverbot für Bürger der Islamischen Republik hat am 29. Januar im iranischen Fernsehen der Chef der Zentralbank in Teheran, Valiollah Seif, die Beendigung aller Geschäfte auf Basis des US-Dollars angekündigt. Die Maßnahme soll am 29. März in Kraft treten. Über den direkten Angriff des Irans, eines der wichtigsten Öl- und Gasexportländer der Welt, auf die bisher unangefochtene Position des Dollars als internationale Leitwährung berichtete am 30. Januar Dominic Dudley in einem Artikel für das US-Wirtschaftsblatt Fortune unter Verweis auf die in Teheran auf Englisch erscheinende Zeitung Financial Tribune.

Beim Antrittsbesuch in der japanischen Hauptstadt Tokio am 4. Februar hat der neue US-Chefdiplomat, General a. D. Mattis, den Iran erneut als "den größten staatlichen Sponsor des Terrorismus auf der Welt" bezeichnet. Am Tag davor hatte Trump anläßlich der Verhängung der neuen Sanktionen die Iraner per Twitter gewarnt, daß sie "mit dem Feuer spielen"; sie sollten begreifen, wie "nett" Obama zu ihnen gewesen sei; er, Trump, werde es nicht sein. Für alle Welt sichtbar hat die neue Administration in Washington Teheran den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen. Folglich erscheint ein Krieg unvermeidlich, will Amerikas neuer starker Mann nicht einen ungeheuren Gesichtsverlust erleiden.

4. Februar 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang