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NAHOST/1518: Libyen weiterhin in der Abwärtsspirale (SB)


Libyen weiterhin in der Abwärtsspirale

Im Weißen Haus spielt man mit der Idee einer Dreiteilung Libyens


Libyen ist von den aktuellen Krisen um Syrien, den Irak und Nordkorea aus der internationalen Berichterstattung verdrängt worden, doch die Schreckensmeldungen von dort reißen nicht ab. Am 13. April sind vor der Küste Libyens 97 afrikanische Flüchtlinge ertrunken, als das Boot, mit dem sie nach Italien übersetzen wollten, in schlechtes Wetter geraten und nur sechs Seemeilen vor der libyschen Küste gekentert ist. Zwar konnte die libysche Küstenwache 23 Männer, die sich noch am Rumpf des gekenterten Boots festgehalten hatten, rechtzeitig aus dem Wasser holen, doch die restlichen Passagiere waren bereits tot, ihre Leichen im aufgewühlten Mittelmeer unauffindbar.

Am 11. April berichtete die linksliberale britische Tageszeitung Guardian unter Berufung auf Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) von der Existenz von Sklavenmärkten im südlichen Libyen. Demnach werden täglich verschleppte Migranten aus Westafrika, die eigentlich nach Europa wollten, auf Hinterhöfen in der Stadt Sabha, die im Süden Libyens am nördlichen Rand der Sahara liegt, feilgeboten. Die höchsten Preise erzielen Handwerker und junge Mädchen. Letztere werden zur Prostitution gezwungen, so die IMO. Bei vielen Sklaven würden ihre arabischen Käufer versuchen von deren Familien in den schwarzafrikanischen Herkunftsländern Lösegeld zu erpressen; bekäme sie es nicht, würden die Sklaven einfach getötet und durch neue ersetzt, hieß es im Guardian.

Eine schnelle Verbesserung der Lage im Libyen ist nicht in Sicht. Politische Instabilität prägt das Bild, während sich der wirtschaftliche Niedergang des einst unter Muammar Gaddhafi wohlhabendensten Landes des afrikanischen Kontinents fortsetzt. Im März ist es in Tripolis, wo sich die international anerkannte Regierung der Nationalen Einheit (Government of National Accord -GNA) von Premierminister Fayiz Al Sarradsch und der 2012 entstandene Allgemeine Nationalkongreß (General National Congress - GNC) um Ex-Premierminister Khalifa Ghwell feindlich gegenüberstehen, zu vier Tagen heftiger Kämpfe gekommen. Auslöser waren zunehmende Schwierigkeiten der Banken, ausstehende Beamtengehälter und Renten auszuzahlen, sowie die Rivalitäten unter den verschiedenen Milizen, welche die Unruhen vor den Finanzhäusern benutzten, um ihre Gegner zu attackieren.

Ebenfalls im März hat "Feldmarschall" Khalifah Hifter, Oberbefehlshaber der mit dem aus allgemeinen Wahlen 2014 hervorgegangenen Abgeordnetenhaus (House of Representatives - HoR) im östlichen Tobruk verbündeten Libyschen Nationalarmee, eine vorübergehende Niederlage erlitten, als islamistische Kräfte zwei der Ölverladeterminals an der libyschen Küste, die seine LNA im vergangenen September im Handstreich hatten erobern können, besetzten. Nach einer kurzen, aber blutigen Offensive haben Hifters Männer die Anlagen wieder unter ihre Kontrolle genommen. Doch offenbar waren die Islamisten, die hier in Erscheinung traten, mit der Gruppe Ansar Al Scharia verbunden, die Hifter seit Jahren vergeblich aus Benghazi zu vertreiben versucht.

Ebenso vergeblich bemüht sich die internationale Diplomatie darum, eine Annäherung zwischen Hifters HoR und Al Sarradschs GNA herbeizuführen. Während Hifter aktuell von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Italien und Rußland unterstützt wird, genießt Al Sarradsch weiterhin den Rückhalt der USA, Frankreichs und Großbritanniens. Der innenpolitische Machtkampf in Libyen selbst wird also vom Ringen ausländischer Akteure um Einfluß in dem ölreichen Land verschärft. Anfang April kam es nahe Sabha zu einem mehrtägigen Gefecht, als die LNA mit Bodentruppen und Luftangriffen versuchte einen Militärflughafen, der von mit der GNA verbündeten Milizen aus Misurata gehalten wird, einzunehmen. Das Unternehmen schlug jedoch fehl.

Angesichts der unübersichtlichen Situation in Libyen gibt es Überlegungen innerhalb der neuen US-Regierung von Präsident Donald Trump, das Land in drei Teile, die den früheren Provinzen der osmanischen Ära entsprächen, zu zerlegen. Tripolis würde Hauptstadt des westlichen Tripolitanien, Tobruk Hauptstadt der Kyrenaika im Osten und Sabha Hauptstadt des südwestlichen Fessan. Einen solchen Vorschlag soll Medienberichten zufolge der Trump-Berater Sebastian Gorka Anfang Januar einem EU-Diplomaten gemacht und durch eine auf eine Serviette gezeichnete "Landkarte" unterstrichen haben. In einem Artikel, der am 13. April bei der Onlinezeitung Middle East Eye erschienen ist, hat Mattia Toaldo vom European Council on Foreign Relations in Brüssel die Idee Gorkas als "schrecklich" und nicht durchdacht bezeichnet. Eine Aufteilung Libyens würde allein aufgrund der ungeklärten Grenzverläufe zwischen den neu zu entstehenden Staaten zu einer dramatischen Eskalation des militärischen Konflikts in dem nordafrikanischen Land führen, mahnte Toaldo unter Verweis auf den blutigen Bürgerkrieg, der im Südsudan seit dessen Abspaltung von Sudan 2011 wütet, dem Jahr, als die NATO mutwillig das Ende des Gaddhafi-"Regimes" herbeiführte.

15. April 2017


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