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NAHOST/1524: Zum Krieg im Jemen kommt eine Cholera-Epidemie hinzu (SB)


Zum Krieg im Jemen kommt eine Cholera-Epidemie hinzu

Monarchie Saudi-Arabien richtet die Nachbarrepublik Jemen zugrunde


Zum seit März 2015 im Jemen tobenden Krieg, der rund 10.000 Menschen das Leben gekostet, mehr als drei Millionen zu Binnenflüchtlingen gemacht und über 17 Millionen aus einer Gesamtbevölkerung von 26 Millionen eine schwere Hungersnot gebracht hat, ist eine neue Plage hinzugekommen: Cholera. Wegen der schlechten Wasserversorgung und des Mangels an Medikamenten breitet sich seit mehreren Wochen die bakterielle Darmkrankheit in dem nordwestlichen Teil des Jemens, der nach wie vor unter Kontrolle der schiitischen Huthi-Rebellen und der mit ihnen kooperierenden Truppen von Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh steht, rasch aus. Dies ist nicht zuletzt eine Folge der völkerrechtlich kriminellen Bomben- und Raketenangriffe durch die Luftwaffe Saudi-Arabiens und dessen Verbündeten auf die zivile Infrastruktur. Zu den schwer betroffenen Regionen gehört die Hauptstadt Sanaa. Dort haben am 14. Mai die Behörden wegen des Cholera-Ausbruchs einen medizinischen Notstand ausgerufen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Saba wurden zwischen dem 27. April und dem 13. Mai in Sanaa und den umliegenden Provinzen 8595 mutmaßliche Cholera-Fälle gemeldet, von denen 151 bereits tödlich verlaufen seien. Kurz zuvor hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Anzahl der Jemeniten, deren Leben durch die Cholera-Epidemie gefährdet sei, mit 7,6 Millionen beziffert.

Mit einer dramatischen Verschärfung des Cholera-Ausbruchs im Jemen ist fest zu rechnen. Angesichts des Stillstands an der Kriegsfront wollen die Saudis die Zeit für sich wirken lassen, den Belagerungsring um den Nordwesten des Landes noch enger ziehen, das Leid der Zivilbevölkerung ins Unerträgliche ansteigen lassen und so die Huthi-Saleh-Allianz zur Aufgabe zwingen. Zu diesem Zweck bereiten die Streitkräfte Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate eine Offensive auf die Hafenstadt Hudeida am Roten Meer vor, über die noch Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff nach Sanaa und Umgebung gelangen. Bei der großangelegten Operation könnte es auch zu einem Einsatz von US-Spezialstreitkräften kommen. Schließlich haben sich bislang die saudischen und emiratischen Bodentruppen im Kampf gegen die Huthis und die Anhänger Salehs trotz Schützenhilfe von südlichen Separatisten, Freiwilligen von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel, Infanteristen aus dem Sudan und Söldnern aus Lateinamerika nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Man kann davon ausgehen, daß der Krieg im Jemen ein Thema beim Besuch Donald Trumps in Riad am 19. Mai sein wird. Die Tatsache, daß der neue US-Präsident Saudi-Arabien als erstes Land besucht - seine Vorgänger sind hierfür traditionell in die Nachbarländer Kanada oder Mexiko gereist - unterstreicht die große Bedeutung, welche der New Yorker Immobilienmagnat den Beziehungen zum Hause Saud beimißt. Im Vorfeld der Begegnung zwischen Trump und König Salman ist die Rede vom bevorstehenden Abschluß eines Rüstungsdeals im Wert von 100 Milliarden Dollar, der für gefüllte Auftragsbücher bei der US-Rüstungsindustrie sorgen soll. Leidtragende dürften jedoch die einfachen Menschen im Jemen - und über Umwegen auch in Syrien - sein. Darüber hinaus wollen die Saudis aus ihren staatlichen Geldreserven angeblich 400 Milliarden Dollar in die von Trump im Wahlkampf 2016 versprochene Erneuerung der maroden Infrastruktur in den USA investieren. Vor diesem Hintergrund dürfte Washington den Saudis zur Fortsetzung ihrer Militäraggression im Jemen längst freie Hand gegeben haben.

Dafür sieht sich Riad mit heftigen Streitereien bei den jemenitischen Kräften um Interimspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi, den die Huthis 2014 stürzten, konfrontiert. Seit Wochen wirft Hadi den Emiratis vor, sie würden sich in den "befreiten" südlichen Provinzen, vor allem in der Hafenstadt Aden, wo seit zwei Jahren seine "Regierung" residiert, wie die Kolonialherren aufführen. Die Bemühungen der Saudis, zwischen Hadi, der sich aus Sicherheitsgründen die meiste Zeit in seinem Luxusvilla in Riad aufhält, und dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed Bin Zayed, zu vermitteln, haben bislang keinen Erfolg gehabt.

Währenddessen verkommt Hadi, der in dem von der Klanstruktur geprägten Jemen über keine nennenswerte Hausmacht verfügt, immer mehr zur Randfigur. Am 11. Mai hat Aidarus Al Zubaidi, den Hadi wenige Tage zuvor als Gouverneur von Aden entlassen hatte, in einer Fernsehansprache die Gründung eines neuen Verwaltungsgremiums für Südjemen verkündet. Diesem 26köpfigen Südlichen Übergangsrat (South Transition Council - STC) gehören die Gouverneure von fünf Provinzen und zwei Minister von Hadis Kabinett an. Die Fernsehansprache hielt Al Zubaidi demonstrativ vor dem Hintergrund der Fahne Südjemens, der als säkular-sozialistische Volksrepublik von 1967 bis zur Wiedervereinigung mit dem religiös konservativen Nordjemen 1990 existierte. 1994 kam es zu einem kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, den die Südjemeniten verloren. Auslöser war die Benachteiligung des Südens bei der Postenvergabe und Ressourcenverteilung im neuen Jemen. Seitdem gärt es im Süden. Von daher bedeutet die Gründung des STC nicht nur das faktische Ende der Machtambitionen Hadis, sondern eventuell auch des Jemens als einheitlicher Staat.

15. Mai 2017


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