Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

USA/1203: Folterskandal wirft Fragen zum Thema 11. September auf (SB)


Folterskandal wirft Fragen zum Thema 11. September auf

Wurden mittels Folter die Hintergründe der Flugzeuganschläge verdeckt?


Seit auf Geheiß Barack Obamas am 16. April das Justizministerium in Washington vier einst streng geheime Dokumente über die Folterpraktiken der Vorgängerregierung George W. Bushs veröffentlicht hat, tobt in den USA die Debatte um die Mißhandlung von gefangengenommenen mutmaßlichen "Terroristen" mit einer Schärfe, die an die schlimmsten Tage des Watergate-Skandals erinnert. Bürgerrechtsgruppen und linke Demokraten verlangen rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen oder zumindest die Einsetzung einer Untersuchungskommission. Republikanische Hardliner und Angehörige der Stahlhelmfraktion, angeführt von Bushs Vizepräsident Dick Cheney, weisen alle Vorwürfe bezüglich eines Fehlverhaltens energisch zurück und werfen ihrerseits Obama vor, durch die Entscheidung zur Veröffentlichung besagter Memoranden des Justizministeriums die nationale Sicherheit der USA aufs Spiel zu setzen und das Land der Gefahr eines erneuten Großanschlags à la 11. September 2001 auszusetzen.

Der Einsatz Cheneys als Chefverteidiger der "verschärften Vernehmungsmethoden", zu der die Bush-Regierung die CIA im Umgang mit gefangengenommenen Mitgliedern von Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" anregte, kommt nicht von ungefähr. Von allen Mitgliedern des Kabinetts, die an den entsprechenden Beratungen beteiligt waren, und denen jetzt rechtliche Schritte drohen könnten - dazu gehören Bush, Cheney, der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der damalige Außenminister Colin Powell, die damalige Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, der damalige CIA-Chef George Tenet und der damalige Justizminister John Ashcroft - ist der damalige Vizepräsident am eifrigsten für die Mißachtung des nationalen und internationalen Folterverbots eingetreten. Dies geht aus dem Artikel "In Adopting Harsh Tactics, No Inquiry Into Their Past Use", der am 22. April in der New York Times erschienen ist, und aus jenem 261 Seiten starken Untersuchungsbericht des Verteidigungsausschusses des Senats, der am selben Tag veröffentlicht wurde, klar hervor.

Aus dem Senat-Bericht gehen ebenfalls zwei wichtige Tatsachen hervor: erstens, daß die "verschärften Vernehmungsmethoden" bereits Ende 2001, spätestens Anfang 2002 - also nach dem Einmarsch in Afghanistan im Oktober 2001 und der Gefangennahme erster mutmaßlicher Mitglieder von Al Kaida und den Taliban und damit lange bevor im August 2002 die Anwälte der Bush-Regierung David Addington, Jay Bybee und John Yoo dafür ihre abstruse und rechtlich zweifelhafte Begründung für die Folteranwendung gefunden hatten - zur Anwendung kamen, und zweitens, daß eines, wenn nicht das Hauptmotiv für die Grenzüberschreitung in dem Wunsch, Beweise für eine Verbindung zwischen der Bin-Laden-Truppe und dem "Regime" Saddam Husseins zu bekommen, bestand. In dem Bericht wird Major Paul Burney, Psychiater der US-Armee, der an einigen der damaligen Folter-Sitzungen beteiligt war, mit den Worten zitiert: "... ein Großteil der Zeit verbrachten wir mit dem Versuch, eine Verbindung zwischen Al Kaida und dem Irak herzustellen. Je frustrierter die Leute wurden, weil wir keine Belege für diese Verbindung erbringen konnten, desto größer wurde der Druck, auf Maßnahmen zurückzugreifen, die schnellere Ergebnisse produzieren könnten."

Nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 fragte sich praktisch die ganze Welt, wie es 19 fanatisierten Moslems gelingen konnte, die zivile und militärische Sicherheitsarchitektur der Supermacht Amerika zu überwinden, gleichzeitig vier Passagiermaschinen zu kapern, drei davon in die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Arlington zu rammen und sozusagen live im Fernsehen einen grauenhaften Massenmord an rund 3000 Menschen zu inszenieren. Als Antwort wurden zwei Thesen präsentiert. Die erstere, die ihren Niederschlag in dem Untersuchungsbericht fand, den Ende 2002 die gemeinsamen Geheimdienstausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat veröffentlichten, und die heute noch als offizielle Erklärung gilt, lautet, die 16 US-Geheimdienste hätten mangelhaft zusammengearbeitet, die zahlreichen Hinweise auf den bevorstehenden Anschlag nicht rechtzeitig erkannt und dadurch Mohammed Atta und Konsorten Tür und Tor für ihr perfides Mordwerk geöffnet. Die zweite These, die vor allem von Cheney, Rumsfeld und ihren neokonservativen Gesinnungsgenossen vertreten wurde, lautete, Al Kaida habe Hilfe vom irakischen Geheimdienst erhalten.

Dieses Argument hatte seinerseits eine Doppelfunktion. Einerseits sollte es die Notwendigkeit des von der Bush-Regierung ohnehin angestrebten "Regimewechsels" in Bagdad begründen - um weitere Anschläge eventuell mit "Massenvernichtungswaffen" zu verhindern, versteht sich -, andererseits konnte man, mit dem Finger auf den Irak zeigend, die zahlreichen Experten für Geheimdienst und Militär erstmal ruhigstellen, die in den ersten Tagen und Wochen nach dem 11. September 2001 in den Medien den Standpunkt vertreten hatten, daß eine solch gigantische Operation ohne staatliche Hilfe gar nicht erst möglich gewesen wäre. Interessanterweise haben es nach der Eroberung des Iraks und der Entlarvung der ganzen Schauergeschichten der Bush-Administration hinsichtlich der ABC-Waffen der irakischen Streitkräfte und der Al-Kaida-Verbindungen Saddams als Humbug alle diese namhaften Experten wie zum Beispiel Helmut Kohls einstiger Kanzleramtschef Bernd Schmidbauer versäumt, die Frage der "staatlichen" Hilfe für die 9/11-Attentäter erneut zu stellen. Statt dessen geben sich alle mit der These zufrieden, daß der Belutsche Chalid Scheich Mohammed als "Chefplaner" die Anschläge organisiert und in Auftrag gab sowie die Beteiligten auswählte.

Es ist bezeichnend, daß trotz der Bekanntgabe der jüngsten, schrecklichen Details über das Folterregime in den CIA- Geheimgefängnissen niemand auf die Idee zu kommen scheint, das Bekenntnis von KSM - das Akronym leitet sich von der englischen Schreibweise Khalid Sheikh Mohammed ab - zum 11. September und zu zahlreichen anderen Anschlägen der "Al Kaida" in Frage zu stellen. Gerade in den letzten Tagen haben wir erfahren, daß dieser Mann neben anderen Mißhandlungen 183mal dem Waterboarding unterzogen wurde und einen Monat ohne Unterbrechung im Stehen mit den Händen an die Decke gebunden und die Füße am Boden gefesselt verbringen mußte.

Aus einem Gastkommentar, den Ali Soufan, der von 1997 bis 2005 Leitender Spezialagent beim FBI war, am 23. April in der New York Times veröffentlicht hat, geht hervor, daß die Verantwortlichen bei der US-Bundespolizei, der CIA und der US-Armee nichts mit den Folterplänen der Bush-Regierung zu tun haben wollten, weil sie sie für ineffektiv im Sinne der Gefahrenabwehr oder der Gewinnung von brauchbaren Hinweisen auf eventuell bevorstehende Anschläge hielten, und daß deshalb die "verschärften Vernehmungsmethoden" größtenteils von Mitarbeitern privater Militär- und Sicherheitsdienstleistungsunternehmen durchgeführt wurden. Die spektakuläre Angabe Soufans läßt den Verdacht aufkommen, daß es bei der ganzen Folterei und dem krampfhaften Bemühen um Belege für einen "finsteren Nexus" - O-Ton Powells am 5. Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat in New York - zwischen Osama Bin Laden und Saddam Hussein mindestens genauso viel um die Vertuschung des 11. September wie um die Schaffung eines Vorwands zur Eroberung des Iraks ging.

In einem Artikel, der am am 22. April bei Consortiumnews.com erschienen ist, hat der frühere ranghohe CIA-Analytiker Ray McGovern, der für vier Präsidenten das allmorgendliche Geheimdienstbriefing vorbereitete und häufig persönlich vortrug, Hinweise auf die Richtigkeit dieses Verdachts geliefert. McGovern, der heute im Rahmen einer kirchlichen Initiative hilft, die Armut in der Innenstadt von Washington zu bekämpfen, und führendes Mitglied der Gruppe Veteran Intelligence Professionals for Sanity ist, stellt fest, daß am 14. April 2004 der damalige CIA-Chef Tenet bei einem Auftritt vor der "unabhängigen" 9/11-Kommission unter Eid gelogen hat.

Auf einer Frage hinsichtlich des ungewöhnlich langen Urlaubs, den Bush jun. zwischen dem 29. Juli und dem 30. August 2001 auf seiner Ranch in Crawford, Texas, verbracht hatte, behauptete Tenet drei Jahre später, er habe den Präsidenten während dieser Zeit kein einziges Mal getroffen. Anhand anderer Quellen, darunter auch Tenets eigener Biographie, weist McGovern nach, daß der CIA-Chef den Präsidenten zweimal während dieser Phase in Crawford aufgesucht hat: einmal, um mit Bush über das Daily Presidential Briefing (DPB) vom 6. August mit dem eindeutigen Titel "Bin Laden entschlossen, in den USA zuzuschlagen" zu sprechen, und ein zweites Mal nach der Festnahme des marokko-stämmigen Franzosen Zacarias Moussaoui am 16. August aufgrund seltsamen Verhaltens in einer Flugschule in Minnesota.

Wie man von Coleen Rowley, damals Anwältin der FBI-Außenstelle in Minneapolis, weiß, wurden die Bemühungen der Bundespolizei von Minnesota, Nachforschungen zur Person Moussaouis, des späteren "20. Hijackers", anzustellen, von den Vorgesetzten in Washington regelrecht torpediert. Die Tatsache, daß Tenet unter Eid seine Vier-Augen- Gespräche in Crawford mit Bush zum Thema Moussaouis und des berühmt-berüchtigten DPB vom 6. August 2001 geleugnet hat, ist ein weiteres Indiz dafür, daß die in die Anschläge vom 11. September involvierten "staatlichen" Stellen die der USA selbst waren. Dies würde erklären, warum man schnell irgendwelche "Terroristen" gefangennehmen und zu Geständnissen foltern mußte, die für die Nachwelt als Legende ausreichten, jedoch wegen der Art ihres Zustandekommens niemals einer ernsthaften juristischen Überprüfung würden unterzogen werden müssen.

24. April 2009