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USA/1218: Israel-Lobby kritisiert Freiheitsmedaille für Mary Robinson (SB)


Welche Scheinkontroverse wird uns diesmal vorgeführt?


Was für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes recht ist, sollte für die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten billig sein. Das scheint zumindest das Motto jener diesseits wie jenseits des Atlantiks nur allzu präsenten Allianzen zur bedingungslosen Verteidigung Israels zu sein, die es sich dieser Tage unter vielem anderen zur Aufgabe gemacht hat, die Vergabe staatlicher Auszeichnungen an aus ihrer Sicht unwürdige Empfänger zu verhindern respektive nach bereits erfolgter Überreichung zu diskreditieren. An und für sich sind Orden aller Art kein sonderlich mitreißendes Thema, da es sich vom Prinzip her um Verfahren zur Belobigung von Konformität handelt und engagierte Arbeit, die sich solchen Abhängigkeiten nicht zu fügen trachtet, gewiß keiner Weihe von höchster Stelle bedarf. Davon einmal abgesehen können die Wogen staatstragenden Eifers durchaus hochschlagen, wo dieser empörende Irrtümer in Gestalt höchst unangebrachter Ehrungen verortet.

Die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten ist die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten und soll diese Woche im Weißen Haus in einer feierlichen Zeremonie von Barack Obama an sechzehn Personen verliehen werden. Unter den Auserwählten befindet sich auch Mary Robinson, die 1990 zur ersten Präsidentin Irlands gewählt wurde, später als UN-Menschenrechtskommissarin tätig war und nun erneut ins Visier der Pro-Israel-Lobby gerückt ist. Wer sich angesichts dieser Meldung im ersten Augenblick irritiert fragt, was in aller Welt Organisationen wie die Anti-Defamation League oder das American Israel Public Affairs Committee derart gegen Robinson aufbringt, den erinnern Kongreßabgeordnete wie Eliot L. Engel aus New York oder Shelley Berkley aus Nevada daran, warum Obama im Fall der namhaften irischen Juristin eine höchst verwerfliche Wahl getroffen hat, die es in letzter Minute zu verhindern gilt. [1]

Sie werfen Mary Robinson vor, in ihrer langjährigen Arbeit für die Wahrung der Menschenrechte eine einseitig antiisraelische Haltung eingenommen und zugelassen zu haben, daß Israelfeindlichkeit Einzug in die Menschenrechtsdebatte gehalten hat. Die Kritik konzentriert sich insbesondere auf ihre Leitung der Antirassismuskonferenz 2001 im südafrikanischen Durban, aus der die Delegationen Israels und der USA unter Protest auszogen, als sich die Kritik an der israelischen Regierung häufte und Robinson dies nicht mit aller Macht verhinderte.

Mary Robinson zeigte sich in einem Telefoninterview mit der New York Times "überrascht und abgestoßen" angesichts dieser Vorwürfe und versicherte, sie habe damals vergeblich versucht zu verhindern, daß sich die Konferenz von Durban in einen Angriff auf Israel verwandelte. Sie habe auch der palästinensischen Seite sehr kritisch gegenübergestanden und damit nicht hinter dem Berg gehalten. Bei den Anwürfen handle es sich um alte, falsche und wieder aufgewärmte Geschichten, so Robinson, die im übrigen betonte, daß sie nie aufgehört habe, gegen Antisemitismus und Diskriminierung einzutreten.

Ein Sprecher des Weißen Hauses verteidigte die Entscheidung, Mary Robinson auszuzeichnen, mit den Worten, die Verleihung der Freiheitsmedaille würdige nicht zuletzt ihre Rolle als Vorkämpferin für die Frauenrechte. Wenngleich man nicht notwendigerweise mit jeder Äußerung übereinstimme, die sie je gemacht hat, sei doch klar, daß sie Veränderung herbeigeführt und für das Gute gekämpft habe.

Vor dem Hintergrund der strategisch inszenierten Kontroverse zwischen den Vereinigten Staaten und Israel, die den Nahost-Friedensprozeß inzwischen erfolgreich auf ein Feilschen um den Siedlungsbau im Westjordanland reduziert und darüber das Massaker im Gazastreifen und dessen anhaltende Blockade weitgehend ausgeblendet hat, stellt sich beiläufig die Frage, wer im Zusammenhang der Auszeichnung Mary Robinsons was verstanden oder mißverstanden hat. Daß ihr die ewig nachtragende Pro-Israel-Lobby nie verzeihen wird, daß sie die Durban-Konferenz nicht im erwünschten Sinn ausgesteuert hat, liegt auf der Hand. Hat man das im Weißen Haus schlichtweg übersehen, falsch eingeschätzt, bewußt ignoriert oder am Ende sogar absichtlich ins Spiel gebracht? Letzteres könnte ein Signal sein, Unabhängigkeit von Israel zu demonstrieren, wo natürlich keine besteht.

Die USA und Israel sind Verbündete, nicht weil es die Israel-Lobby so will, sondern aus strategischen Gründen, die das gesamte Gefüge im Nahen und Mittleren Osten betreffen. Um seine Funktion als regionale Speerspitze globaler Herrschaftssicherung in diesem Kontext bestmöglich zu erfüllen, bedarf es einer hohen Aggressivität des Staates Israel, die Washington insbesondere mit massiver Militärhilfe und weitreichender politischer Rückendeckung heranzüchtet und aufrechterhält. Dieselbe ungezügelte Aggressivität zeichnet die Pro-Israel-Lobby aus, die durchaus im selben Sinn tätig wird, ohne deshalb die Ursache oder die entscheidende Kraft in diesem Prozeß zu sein. Die den namentlich für die Palästinenser so verhängnisvollen Verlauf enorm verstärkende Verleumdung und Bezichtigung aller Kritiker der israelischen Politik dient dem Zweck, die Bindekräfte zwischen Israel und seinen Unterstützern unablässig zu stärken. Auch wenn es sich deswegen häufig umgekehrt zu verhalten scheint, bleibt Israel ein von Washington abhängiger Klientelstaat, der bei Entzug der materiellen und ideellen Unterstützung binnen kurzer Fristen vor dem Zusammenbruch seiner bislang aufrechterhaltenen Existenzweise stünde.

Anmerkungen:

[1] Jewish Groups Say Obama's Pick for Medal Has Anti-Israel Bias (07.08.09)
New York Times

10. August 2009