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USA/1220: UN-Botschafterin hat in Obamas Namen Kreide gefressen (SB)


Susan E. Rice erklärt, wie man alles anders und viel besser macht


Man könnte sich die Rede der US-amerikanischen Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan E. Rice, gehalten in der New York University, auf der Zunge zergehen lassen, schmeckte der Sermon nicht so penetrant nach Kreide, die man im Dienst der Supermacht offenbar in Scheffeln gefressen haben muß, um derart zuckersüße Worte abzusondern, ohne sich dabei auf die Zunge zu beißen. Wie man sich denken kann, ging es darum, der Zuhörerschaft vorzugaukeln, die neue Administration in Washington mache im Umgang mit der vielzitierten internationalen Gemeinschaft alles völlig anders und natürlich viel besser als die alte, deren Namen zu nennen die Botschafterin ebenso peinlich vermied wie jede konkretere Stellungnahme zu dem rüden Umgang der Vorgängerregierung mit dem Rest der Welt. [1]

Damit hielt sie es mit ihrem Dienstherrn Barack Obama, der die Parole ausgegeben hat, sich bloß nicht mit den Fehlern der Vergangenheit oder gar deren strafrechtlichen Konsequenzen aufzuhalten, sondern frisch und mutig nach vorn zu schauen. Immerhin räumte Rice ein, daß die USA ihren Preis dafür gezahlt hätten, die UNO auf Abstand zu halten und die internationalen Partner zurückzuweisen. Das war eine ziemlich untertriebene Darstellung der Praktiken unter Bush, zumal unerwähnt blieb, welchen Preis die andern gezahlt haben. Da man fortan eng mit allen Partnern zusammenarbeiten werde, wie die Botschafterin versicherte, ist das alles Schnee von gestern, den ein strahlendes Lächeln Obamas schmelzen läßt wie Butter in der Sonne.

"Die Vereinigten Staaten werden im 21. Jahrhundert die Führung einnehmen, doch nicht durch Täuschung und Einschüchterung, sondern durch geduldige Diplomatie und beständigem Einsatz (...) für die Stärkung der gemeinsamen Sicherheit durch Investitionen in die gemeinsame Humanität." Dem Redenschreiber sei Dank, kamen dabei doch wenigstens imposante Formulierungen heraus. Wer genauer wissen wollte, was damit gemeint ist, bekam zu hören, daß die Vereinigten Staaten bereit seien zuzuhören, Unterschiede zu respektieren und neue Ideen in Betracht zu ziehen. Auf diese Weise wolle man die eigene Rolle bei den Vereinten Nationen dramatisch verändern und enger mit anderen Ländern zusammenarbeiten, wenn es um bewaffnete Konflikte oder die Verbreitung von Atomwaffen gehe.

Dann wurde es wirklich konkret, da die Botschafterin versprach, ihr Land werde künftig seine Beiträge für internationale Organisationen nicht mehr grundsätzlich ein Jahr zu spät und überhaupt die UNO-Gelder vollständig bezahlen. Schließlich könne man nicht wichtige Missionen im Irak und in Afghanistan auf den Weg bringen und dann gegen ihr Budget stimmen. Daß dieses Geld nicht zum Fenster hinausgeworfen ist, machte Rice ihren Zuhörern mit der schlauen Schlußfolgerung klar, daß die andern eher einen größeren Teil der globalen Last zu schultern bereit wären, wenn die Vereinigten Staaten mit gutem Beispiel vorangingen, Fehler einräumten und den Kurs bei Bedarf änderten.

Damit das niemand in den falschen Hals bekam und womöglich dachte, die USA drohten unter Obama zu einer Nation von Weicheiern zu degenerieren, vergaß Rice nicht zu erwähnen, daß man in Kernfragen keinen Schritt zurückweichen und in internationalen Gremien keine Kontroverse scheuen werde, wenn es um den Umgang mit Machthabern und Konflikten wie in Darfur, Simbabwe und Myanmar gehe. Wie habe es Präsident Obama ausgedrückt? Die Vereinten Nationen sind nicht perfekt, aber unverzichtbar!

Daß Lehrkörper und Studentenschaft der New Yorker Universität diese hier natürlich nur auszugsweise wiedergegebene Rede mit viel Beifall bedacht haben, darf man wohl annehmen - schließlich traf man sich im Festsaal der Hochschule und nicht in Guantánamo oder dem Gazastreifen, nicht in Pakistan oder Afghanistan, Kolumbien oder Honduras oder an irgend einem anderen unbedeutenden Ort der Welt, wo die Menschen noch gewisse Zweifel hegen, ob unter Obama wirklich alles anders und besser geworden ist.

Anmerkungen:

[1] Envoy Sees New Role at U.N. (13.08.09)

New York Times

13. August 2009