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USA/1258: FBI wegen überbordender Inlandsspionage in der Kritik (SB)


FBI wegen überbordender Inlandsspionage in der Kritik

Kriterien des "Terrorverdachts" laut FBI-Generalinspekteur zu vage


Seit den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 und der Ausrufung des "globalen Antiterrorkrieges" durch Präsident George W. Bush beklagen sich viele Bürger Amerikas über das übertriebene Ausmaß, in dem die staatlichen Stellen den "Heimatschutz" zu gewährleisten meinen. Ein großes Ärgernis sind zum Beispiel die Kontrollen an den Flughäfen, im Rahmen derer man entweder die Schuhe ausziehen, seinen Laptop und Tascheninhalte kontrollieren lassen und manchmal sogar durch einen sogenannten "Nacktscanner" laufen muß, bevor man die Maschine besteigt oder ohne jegliche Angabe des Grundes mitgeteilt bekommt, daß sein Name auf einer "No Fly List" der Transport Security Administration (TSA) steht und man deshalb seine geplante Reise gar nicht erst antreten darf.

Durch die Anwendung neuer Befugnisse, welche die Behörden durch das im Oktober 2001 verabschiedete USA-PATRIOT-Gesetz erhielten, fühlen sich in den USA nicht nur die meisten Bürger muslimischen Glaubens, sondern auch die Aktivisten diverser gesellschaftskritischer Gruppen gestört und in der Ausübung ihrer Grundrechte wie Redefreiheit und Versammlungsfreiheit beeinträchtigt. 2006 sahen sich viele Kriegsgegner, Umweltaktivisten und Tierrechtler in ihren Befürchtungen bestätigt, als die American Civil Liberties Union (ACLU), die älteste Bürgerrechtsorganisation der USA, mittels Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Freedom of Information Act - FOIA) eine Reihe von Dokumenten ausgehändigt bekam und veröffentlichte, aus denen hervorging, daß das FBI zahlreiche unschuldige Bürger als "Terrorverdächtige" unter Beobachtung genommen hatte. Zu den Betroffenen gehörten Mitglieder Dutzender Organisationen, darunter von American Friends Service Committee, Greenpeace, People for the Ethical Treatment of Animals (PETA), Catholic Worker und School of Americas Watch. Das Thomas Merton Center in Pittsburgh, Pennsylvania, eine Pazifistenorganisation, hatte zum Beispiel vom 29. November 2002 bis März 2005 unter heimlicher Beobachtung der Joint Terrorism Task Force (JTTF) des örtlichen FBI-Büros - einschließlich der Infiltrierung durch einen Polizeispitzel - gestanden.

Die Veröffentlichung der Dokumente hat damals hohe Wellen geschlagen. Die Vorwürfe der ACLU an die Adresse des FBI, das Bundespolizei und Inlandsgeheimdienst im einem ist, es habe die Leute vom Thomas Merton Center nur ins Visier genommen, weil sie im Vorfeld des Irakkrieges Flugblätter verteilt hatten, auf denen stand, daß Saddam Hussein entgegen den anderslautenden Behauptungen der Bush-Regierung über keine "Massenvernichtungswaffen" verfügte, wogen schwer. Der FBI-Chef Robert Mueller mußte persönlich auf dem Kapitol erscheinen, um die Fragen der Mitglieder des zuständigen Ausschusses des Senats zu beantworten. Damals rechtfertige Mueller die Ausspionierung des Thomas Merton Center mit der Behauptung, der Polizeispitzel habe einer Protestaktion der Gruppe nur beigewohnt, um im Rahmen einer Terrorermittlung eine bestimmte Person im Blick zu behalten.

Seit der Veröffentlichung eines entsprechenden Untersuchungsberichtes des FBI-Generalinspekteurs Glenn Fine am 20. September 2010 weiß man, daß diese Behauptung nicht stimmt. Aus dem 209seitigen Bericht Fines geht hervor, daß es sich hier um eine Notlüge handelt, die sich irgend jemand innerhalb der Bundespolizei ausgedacht hat, um Schaden von dem FBI abzuwenden. Der angeblich zu beobachtende "Terroverdächtige" hat niemals existiert (Statt dessen hatte der Polizist eine Frau auf der Demonstration fotografiert, weil sie "nahöstliches Aussehen" hatte). Im nachhinein läßt sich nicht mehr feststellen, ob der FBI-Chef Mueller in die Vertuschungsaktion eingeweiht war, als er vor dem Kongreß auftrat. Beunruhigend ist vielmehr die Tatsache, daß Fine entweder nicht imstande oder nicht gewillt war, den oder die Verantwortlichen für diese Verhöhnung des demokratischen Prozesses - nämlich die Kontrolle der Exekutive durch die Legislative - zu ermitteln.

Das Problem sitzt viel tiefer. Wie Fine in seinem Bericht selbst feststellt, wurden Menschen auf sogenannte "Terrorlisten" des FBI gesetzt, nur weil sie gegen den Irakkrieg demonstrierten oder wie im Falle einer Gruppe Greenpeace-Aktivisten aus Texas eine Störaktion bei einer Aktionärsversammlung eines Energieunternehmens planten. Selbst die Ausspähung besagter Demonstration des Thomas Merton Center erfolgte laut Fine, weil die Terroristenjäger des FBI in Pittsburgh an dem Tag nichts anderes zu tun hatten. Dessen ungeachtet kommt der FBI-Generalinspekteur zu der Schlußfolgerung, daß zu keinem Zeitpunkt die Grundrechte irgendwelcher Bürger der Vereinigten Staaten durch die übertriebenen Spähaktivitäten der US-Bundespolizei verletzt worden waren. Die Mitglieder von der ACLU, von Greenpeace, vom Thomas Merton Center und den anderen betroffenen Organisationen sind da skeptischer.

23. September 2010