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USA/1264: Sicherheitspanne sorgt für Eklat im Weißen Haus (SB)


Sicherheitspanne sorgt für Eklat im Weißen Haus

Datenwirrwar bringt den Secret Service in Verlegenheit


Seit den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Arlington ist, wie wir wissen, nicht nur in den USA, aber ganz besonders dort, nichts mehr, wie es war. Noch während die Aschewolke vom Schuttberg am Ground Zero aufstieg, hat die Regierung des damaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush eine beeindruckende Sicherheitsarchitektur unter anderem durch die Schaffung erstens eines gigantischen Heimatschutzministeriums mittels Verabschiedung des drakonischen USA-PATRIOT-Gesetzes durch den Kongreß sowie zweitens des für den nordamerikanischen Kontinent zuständigen Militärkommandos NORDCOM installiert. Seitdem werden die Bürger der USA von den eigenen Geheimdiensten auf Schritt und Tritt beobachtet, ihre Telefonate und ihr Internetverkehr von der National Security Agency (NSA) werden überwacht und ihre bargeldlosen Finanztransaktionen werden auf Auffälligkeiten kontrolliert.

Unter dem Demokraten Barack Obama wird der "nationale Sicherheitsstaat" konsolidiert, statt zurückgebaut. Friedens-, Tierrechts- und Umweltaktivisten werden von staatlichen Stellen und privaten Sicherheitsfirmen ausspioniert - siehe den jüngsten Skandal im Bundesstaat Pennsylvania - beziehungsweise von den Behörden massiv drangsaliert, wie neulich Razzien des Federal Bureau of Investigation (FBI) bei Gegnern der US-Nahost- und Lateinamerikapolitik in den Städten Chicago und Minnesota gezeigt haben. Weiterhin müssen täglich Millionen von Menschen am Flughafen vor dem Einstieg in das Flugzeug ihre Schuhe ausziehen und sich am ganzen Körper auf Sprengstoff abtasten lassen. Immer wieder wird unbescholtenen Bürgern eröffnet, daß sie den Flug gar nicht erst nehmen dürfen, weil ihr Name aus unerfindlichen Gründen auf einer von der Transport Security Administration (TSA) geführten Liste verdächtiger Person gelandet ist.

Angesichts all dessen ist die Sicherheitspanne, die vor wenigen Tagen am Weißen Haus für einen hochpeinlichen diplomatischen Eklat gesorgt hat, überhaupt nicht verwunderlich. Die Tatsache, daß sich für den Vorfall praktisch nur die asiatische Presse interessierte, macht ihn um so peinlicher. Am 5. Oktober fand in der Residenz des US-Präsidenten ein Empfang für die Leiter aller diplomatischen Vertretungen in Washington und ihrer Gesandten statt. Am Eingang des Weißen Hauses wurden die Gäste, die herausgeputzt und in Begleitung ihrer Gatten bzw. Gattinnen gekommen waren, vom Secret Service kurz kontrolliert und auf ihre Identität hin überprüft, bevor man ihnen Einlaß gewährte und sie an dem großen gesellschaftlichen Ereignis teilnehmen ließ.

Für die Botschafter aus Oman, Pakistan, Rußland, Saudi Arabien, Turkmenistan und einigen anderen Ländern wurde jedoch die Standardprozedur zur Unannehmlichkeit. Die Daten auf den vom jeweiligen Heimatland ausgestellten Ausweisen stimmten nicht mit denen auf der Gästeliste des Weißen Hauses überein. Die verdutzten Botschafter standen vor der Tür und warteten in der Kälte vergeblich auf rasche Klärung des Mißverständnisses, während die Kollegen aus anderen Ländern wie den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an ihnen vorbeizogen und sich in Richtung Buffet aufmachten. Während der eine Botschafter entnervt nach Hause fuhr, wurden die anderen nach rund einer Dreiviertelstunde Warterei für ihre Geduld belohnt und doch noch hereingelassen.

Später stellte sich die Quelle des Mißverständnisses heraus. Bei der per E-Mail übermittelten Antwort auf die Einladung hatten einige Botschafter ihre Geburtsdaten auf europäische Weise - Tag/Monat/Jahr - angegeben. Bei der Erstellung der Gästeliste mittels eines Excel Spreadsheets haben Mitarbeiter des Weißen Hause die Daten sozusagen vertauscht, in dem sie sie amerikanisierten, das heißt zuerst den Monat und erst danach den Tag eingaben. Für die Betroffenen bedeutete das, daß die Geburtsdaten auf dem Diplomatenpaß mit denen auf der Gästeliste nicht mehr übereinstimmten. Wegen der Ziffernanomalie konnte der Secret Service kaum anders handeln, als den Betroffenen den Zutritt zum Weißen Haus bis zur Klärung der Lage zu verwehren. Schließlich hätte dahinter eventuell eine Selbstmordmission von Al Kaida stecken können. So etwas kann man niemals ausschließen.

Für die Obama-Regierung war die Angelegenheit mehr als peinlich. Die Chefdiplomatin Hillary Clinton hat persönlich alle betroffenen Botschafter angerufen und sich in aller Form für die Panne entschuldigt. Gleichzeitig soll sie klargestellt haben, daß die Verursacher des Chaos im Weißen Haus und nicht im Außenministerium zu finden waren. Jedenfalls gibt es zu denken, daß die Betroffenen hauptsächlich aus sogenannten Entwicklungs- oder Schwellenländern und nicht aus westlichen Industrienationen kamen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum man in der westlichen Presse - im Gegensatz zu der Süd- und Westasiens - von dem Vorfall kaum Notiz nahm.

11. Oktober 2010