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USA/1349: Hillary Clinton wird den Benghazi-Vorfall nicht los (SB)


Hillary Clinton wird den Benghazi-Vorfall nicht los

Republikaner haben Schwachstelle der Möchtegern-Präsidentin erkannt



Auch wenn Hillary Clinton es offiziell noch nicht verkündet hat, gilt ihre Bewerbung um die Präsidentschaft der USA 2016 als sicher. Medienberichten zufolge hat die ehemalige First Lady mit Hilfe ihres Mannes Bill die wichtigsten Spender der Demokraten längst auf ihre Seite gebracht und braucht sich keine Gedanken über eine ernsthafte Konkurrenz aus der eigenen Partei zu machen. Umfragen zufolge gilt sie schon als haushohe Favoritin auf die Nominierung zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin. Unter den potentiellen Gegnern bei den Republikanern gibt es derzeit niemanden - Ex-Florida-Gouverneur Jeb Bush und Rand Paul, den libertären Senator aus Kentucky inbegriffen -, dem echte Chancen gegen Clinton bei der Präsidentenwahl Anfang November 2016 eingeräumt werden.

Zweifelsohne würden Millionen Frauen eine Kandidatur Clintons unterstützen, um das bisherige Monopol der Männer auf das Weiße Haus zu brechen. Parteiübergreifend wäre Clinton, die sich als Senatorin von New York und Außenministerin Barack Obamas in der Sicherheitspolitik einen Namen als Kriegsfalke gemacht hat, sowohl für republikanische Neokonservative als auch für liberale Interventionisten wählbar. In einer Phase, in der Medienkommentatoren mit Blick auf die Krise in der Ukraine und den anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien Obama Zaghaftigkeit in der Außenpolitik vorwerfen, gewinnt die Vorstellung von Hillary Clinton als Präsidentin öffentlich an Attraktivität. Nicht umsonst hat die Clinton-Vertraute Anne-Marie Slaughter, einst Leiterin der renommierten Woodrow Wilson School of Public and International Affairs an der Universität Princeton, in einem Beitrag für Projekt Syndicate am 23. April angeregt, die USA sollten einen großangelegten Raketenangriff auf die staatlichen Streitkräfte in Syrien durchführen, um das "Regime" des syrischen Präsidenten Baschar Al Assad zu Verhandlungen mit der Opposition zu zwingen und gleichzeitig Rußlands Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine-Krise zur Räson zu bringen.

Auch Hillary Clinton gilt als Verfechterin der These von "Frieden durch Stärke". Doch gerade ihr ständiges Bemühen, in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht weniger aggressiv-forsch als ihre männlichen Kollegen aufzutreten und zu agieren, könnte sich am Ende als der Faktor erweisen, der ihre Hoffnungen auf die Wahl zum erstem weiblichen Oberhaupt der USA zunichte macht. Im Frühjahr 2011 führte Clinton die Fraktion innerhalb der Obama-Administration an, die eine militärische Unterstützung regierungsfeindlicher Rebellen in Libyen durch die NATO forderte. Unvergessen bleibt ihre triumphale Selbstinszenierung, als sie im Herbst desselben Jahres auf einer Pressekonferenz in Kabul die gerade eingetroffene Nachricht von der bestialischen Ermordung Muammar Gaddhafis mit dem an Shakespeares "Julius Cäsar" angelehnten Spruch "Wir kamen. Wir sahen. Er starb." hämisch kommentierte.

Clinton ist auch diejenige, die 2011 praktisch im Alleingang die Obama-Regierung auf das Rezept "Assad muß weg" als einzige akzeptable Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien festlegte. Wie man später erfahren sollte, traten Clinton und der damalige CIA-Chef General a. D. David Petraeus hinter verschlossenen Türen recht früh dafür ein, die syrischen Rebellen mit Waffen aus den Arsenalen des gestürzten Gaddhafi-"Regimes" zu versorgen. Es fehlt nicht an Hinweisen, wonach die beiden ehrgeizigen Politiker trotz eines Vetos Obamas entsprechende Maßnahmen in die Wege geleitet haben. Dies würde erklären, warum das State Department mit einer chaotischen, widersprüchlichen Informationspolitik auf den Überfall islamistischer Rebellen am 11. September 2012 auf das US-Konsulat in Benghazi, bei dem Botschafter Christopher Stevens und drei seiner Mitarbeiter ums Leben kamen, reagierte und warum Petraeus wenige Wochen später aus heiterem Himmel - offiziell aufgrund einer außerehelichen Affäre -, zurücktreten mußte.

Wie man inzwischen weiß, traf sich Stevens am fraglichen Abend in Benghazi mit General Ali Sait Akin, dem türkischen Konsul. Bei dem Treffen soll es um die Aufteilung von 400 Tonnen Waffen aus Libyen gegangen sein, die fünf Tage zuvor mit dem Frachter Al Entisar im türkischen Hafen Iskanderun, nur 50 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, angekommen waren. In einem Artikel, der am 4. April in der London Review of Books erschienen ist, berichtete der legendäre Investigativjournalist Seymour Hersh unter Verweis auf Quellen im US-Sicherheitsapparat, daß eine geheime CIA-Station in Benghazi, die auch Ziel des Überfalls war, dem Zweck der illegalen Waffenbeschaffung für die Aufständischen in Syrien diente. Demnach haben nach dem Sturz Gaddhafis Agenten der CIA und des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 begonnen, die libyschen Waffendepots nach Verwertbarem zu durchsuchen und brauchbares Material nach Benghazi zu bringen, wo der türkische MIT den Schiffstransport über das Mittelmeer übernahm. Und weil es sich um eine gemeinsame Operation mit dem MI6 handelte, hatte die CIA nicht, wie es sonst vorgeschrieben ist, die Geheimdienstausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus darüber informiert, so Hersh.

Seit September 2012 versuchen die oppositionellen Republikaner im Kongreß Licht in das Geschehen von Benghazi zu bringen, um der Obama-Administration im allgemeinen, Hillary Clinton im besonderen zu schaden. Derzeit sieht alles danach aus, als könnten die Republikaner bei den Zwischenwahlen im kommenden November die Mehrheit im Senat erzielen und ihre bereits im Repräsentantenhaus bestehende verteidigen. Im Falle eines solchen Wahlsieges wollen einige Republikaner einen Untersuchungsausschuß im Senat ins Leben rufen, der Zeugen vorladen kann und der die Hintergründe und den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse von Benghazi endlich aufklärt. Ein solches Verfahren könnte vor allem für Hillary Clinton recht unangenehm werden.

Am 22. April hat eine freiwillige Citizens Commission on Benghazi, die vor allem aus Ex-Militärs und ehemaligen CIA-Leuten bestand, im Washingtoner National Press Club Washington, der Öffentlichkeit einen eigenen Untersuchungsbericht über den Benghazi-Komplex präsentiert, der hochbrisantes Material enthält. Demnach hatte Gaddhafi bereits im März 2011 auf informellem Weg dem zuständigen Kommando des US-Militärs, AFRICOM, seine Bereitschaft zum Waffenstillstand und zum Rücktritt aus dem politischen Leben signalisiert, vorausgesetzt, Libyen würde nicht den islamistischen Milizen überlassen werden. Das Angebot aus Tripolis, das den Bürgerkrieg und das bis heute anhaltende Chaos in Libyen vermeidbar gemacht hätte, wurde laut Ex-Konteradmiral Charles Kubic von einer Instanz "außerhalb des Pentagons" ausgeschlagen - auf Betreiben Clintons vielleicht? Die von der konservativen Lobbyorganisation Accuracy in Media finanzierte Kommission will zudem über Beweise verfügen, wonach sich an jenem Abend eine US-Militärkommandoeinheit auf Sizilien in Alarmbereitschaft befand, die innerhalb weniger Stunden die in Benghazi belagerten Landsleute hätte herausholen können, den erwarteten Befehl jedoch nicht erhielt - möglicherweise weil die Verantwortlichen für die CIA-MI6-Waffenschmuggeloperation ihr illegales Treiben geheimzuhalten hofften?

Sollte dies alles 2015 von einem Untersuchungsausschuß des Senats öffentlich unter die Lupe genommen werden, dann dürften Hillary Clintons Chancen auf die Präsidentschaft im Jahr darauf wie der Schnee in der Sonne dahinschmelzen. Es kann jedoch passieren, daß die Neokonservativen bei den Republikanern im Kongreß die Einberufung eines solchen Ausschusses verhindern, damit Amerikas profilierteste und streitbarste Politikerin ab 2017 den globalen Führungsmachtanspruch der USA wieder stärker zur Geltung bringt.

30. April 2014