Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


USA/1382: Trump taumelt - Präsidentenwahl bereits gelaufen? (SB)


Trump taumelt - Präsidentenwahl bereits gelaufen?

Hillary Clinton auf dem Vormarsch - The Donald angeschlagen


Beim Rennen um die US-Präsidentschaft hat sich innerhalb weniger Wochen eine derart dramatische Wende vollzogen, daß der Wahlkampf bereits gelaufen zu sein scheint, bevor er richtig begonnen hat. Anfang Juni stand Donald Trump noch als frühzeitiger Sieger der republikanischen Vorwahlen da und lag in den landesweiten Umfragen knapp vor Hillary Clinton, die sich weiterhin mit dem demokratischen "Sozialisten" Bernie Sanders herumschlug. Heute sehen die Dinge ganz anders aus. Nach dem Sieg Clintons bei der letzten großen Vorwahl am 7. Juni in Kalifornien hat sich Sanders - wie erwartet - als braver Parteisoldat hinter sie gestellt und seine Anhänger dazu aufgerufen, die Ex-Außenministerin zu wählen, während sich Trump mit leeren Wahlkampfkassen, Unruhe und Desorganisation im eigenen Wahlkampfteam, sinkenden Umfragewerten und der Feindschaft des republikanischen Parteiapparats konfrontiert sieht. Inzwischen gibt es bei den Republikanern Bestrebungen, die Regeln für den kommenden Parteitag in Cleveland, Ohio, Mitte Juli dahingehend zu ändern, daß die Delegierten nicht mehr an das jeweilige Ergebnis aus den Vorwahlen in ihren einzelnen Bundesstaaten gebunden sind, sondern nach eigenem Gusto entscheiden können. Mit einem solchen Trick könnte der Schreihals Trump doch noch ausgebootet und an seiner Stelle ein der Parteiführung genehmerer Kompromißkandidat - etwa Senator Ted Cruz aus Texas - gegen Clinton in den Ring geschickt werden.

Mit seiner aggressiven, beleidigenden Art hat Trump die zahlreichen Konkurrenten bei den Vorwahlen, allen voran Präsidentensohn Jeb Bush, zu hilflosen Komparsen degradiert und das reaktionäre republikanische Fußvolk begeistert, sich jedoch bei den Granden und Großspendern der Partei unbeliebt gemacht. Dies erklärt, warum er derzeit über eine Spendenkasse von nur 1,3 Millionen Dollar verfügt, während Clinton mit aktuell 42,5 Millionen Dollar aus dem vollen schöpft. In dieser Situation kann die Gattin Bill Clintons Fersehwerbung im großen Stil schalten, um Trump als politisch ahnungslosen Hasardeur und Betrüger darzustellen, während der Bau- und Immobilienmagnat aus New York weiterhin durch reißerische Sprüche die Medienaufmerksamkeit auf sich zieht. Für Trump, der in den letzten Jahren eine erfolgreiche Zweitkarriere als Fersehshowman hingelegt hat, funktioniert zwar die Masche weiterhin bestens, doch erweist sie sich für ihn zunehmend als Bumerang, da er die Wähler der Mitte, die er erreichen muß, um im November gewinnen zu können, durch provozierende Äußerungen gegen Muslime, Mexikaner und andere Minderheiten abschreckt.

In Reaktion auf das schreckliche Massaker am 12. Juni in einem bei Schwulen und Lesben beliebten Tanzlokal in Orlando, Florida, bei dem der mutmaßliche Islamist Omar Mateen 49 Menschen und sich selbst umgebracht hat, hatte Trump eine generelle Überwachung aller Muslime durch Polizei und Geheimdienst gefordert und Präsident Barack Obama Untätigkeit angesichts der vermeintlichen Bedrohung, die vom "radikal-islamischen Terrorismus" für die nationale Sicherheit der USA ausgehe, vorgeworfen, wofür er viel Kritik in den Medien erntete. Er erneuerte auch sein Versprechen, als Präsident einen Einwanderungstopp für Muslime zu erwirken, und versuchte die Maßnahme als Dienst an Amerikas Schwulen und Lesben zu verkaufen, was nicht besonders glaubwürdig wirkte.

Trumps Macho-Gehabe schlägt inzwischen in den Umfragen negativ zu Buche. Dem Ergebnis einer am 20. Juni veröffentlichen Studie der Monmouth University zufolge liegt Clinton bei den Wählern landesweit mit 47 zu 40 Prozent deutlich vor Trump. Der Vorsprung der ehemaligen First Lady ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß sie bei Frauen und Nicht-Weißen weit beliebter als Trump ist, der lediglich bei weißen Männern die Nase vorn hat. Wie The Donald die Zustimmung anderer Bevölkerungsgruppen erzielen will, ist schleierhaft. Bleibt er in seiner bisherigen Rolle als Kandidat der weißen männlichen Wutbürger, die lediglich eine Minderheit unter vielen in der US-Bevölkerung bilden, kann er sich den Traum vom Einzug ins Weiße Haus im Januar 2017 abschminken.

Die aktuelle Schwäche Trumps gegenüber Clinton spiegelt sich im Umfang ihrer jeweiligen Wahlkampfteams wider. Für die Ex-Senatorin aus New York arbeiten derzeit mehr als 700 Personen vollzeit, darunter eine Kernmannschaft aus langjährigen Vertrauten wie Huma Abedin. Bei Trump sind es bislang dagegen nur 70 Mitarbeiter. Die Clinton-Kampagne ist in allen 50 Bundesstaaten vertreten, diejenige Trumps nur in einer Handvoll. Nach wochenlangen internen Querelen hat sich Trump am 20. Juni vom bisherigen Manager seines Wahlkampfteams, Corey Lewandowski, getrennt. Die Leitung übernimmt künftig der bisherige Chefstratege Paul Manafort, der schleunigst Leute anheuern und gleichzeitig Spendengeld eintreiben muß, um die Trump-Kampagne in den kommenden Wochen hochfahren zu können.

Doch selbst wenn es Manafort gelingen sollte, die Trump-Mannschaft effektiv zu reorganisieren und personell aufzustocken, stehen ihr auf dem kommenden Parteitag im Juli große Probleme ins Haus. Wegen der Machenschaften bei den Republikanern steht die vor kurzem sichergeglaubte Nominierung Trumps zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten der GOP plötzlich wieder in den Sternen. Auch wenn sich Trump in Cleveland aufgrund des energischen Engagements seiner Anhänger durchsetzen sollte, dürften die Fersehbilder der zu erwartenden tumultartigen Streitereien auf dem Parteitag die Wählbarkeit des Casino-Betreibers weiter beschädigen. Wenn sich für Trump nicht bald etwas zum Besseren ändert, stehen nur noch die Ermittlungen des FBI in der Email-Affäre zwischen Hillary Clinton und ihrer Amtseinführung als erste Präsidentin in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

23. Juni 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang