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USA/1386: Clinton-Lager bauscht Trump zur Marionette Putins auf (SB)


Clinton-Lager bauscht Trump zur Marionette Putins auf

Russische Bedrohung wird Hauptthema des Präsidentschaftswahlkampfs


Gestern begann in Philadelphia, Pennsylvania, der viertägige Parteitag der Demokraten. Was als große Feier um die Kandidatur Hillary Clintons und deren erhofften Einzug ins Weiße Haus geplant war, wo sie im Januar 2017 als erste Präsidentin in der Geschichte der USA die Amtsgeschäfte aufnehmen will, gerät inzwischen zum Fiasko. Gleich zu Beginn der riesigen Veranstaltung mußte die Gastgeberin und Vorsitzende der Demokratischen Partei, Debbie Wasserman Schultz, den eigenen Rücktritt ankündigen. Anlaß war die zwei Tage zuvor erfolgte Veröffentlichung von 20.000 Emails des Democratic National Committee (DNC) durch Wikileaks, aus denen eindeutig hervorgeht, daß die Parteiführung in Washington über Monate gegen Senator Bernie Sanders intrigiert hatte, um dessen Kandidatur bei den Vorwahlen zu torpedieren und den Sieg von Wasserman Schultz' Busenfreundin Hillary Clinton zu sichern.

Die Empörung unter den Delegierten von Sanders war auf den Parteitag so groß, daß sie den Senator aus Vermont sogar auspfiffen, als er sie dazu aufrief, sich doch noch hinter die Rivalin Clinton zu stellen und ihr in November die Stimme zu geben, um eine Präsidentschaft des Republikaners Donald Trump zu verhindern. Dazu wird es kaum kommen. Bereits am 22. Juli hatte Clinton durch die Ernennung von Tim Kaine zu ihrem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten den linken Flügel der eigenen Partei vor den Kopf gestoßen. Der konservative Senator und Ex-Gouverneur aus Virginia tritt unter anderem für den Ausbau des US-Atomwaffenarsenals sowie für eine weitere Deregulierung des amerikanischen Finanzsektors ein. Als weiteren Affront dürften alle, die von den Demokraten eine progressive Politik erwartet hatten, die Reaktion Clintons auf den jüngsten Email-Skandal empfunden haben. Mit Bedauern hat die ehemalige First Lady den Rücktritt Wasserman Schultz' zur Kenntnis genommen, um sich im nächsten Atemzug bei der Senatorin aus Florida für ihre angeblich großartige Unterstützung der "letzten acht Jahre" durch die Ernennung zur Leiterin des eigenen Wahlkampfteams zu bedanken.

Während viele Menschen in den USA dieses jüngstes Beispiel der Unverfrorenheit der Clinton-Kamarilla mit Verärgerung oder Resignation zur Kenntnis nehmen, versucht das Team um die Ex-Außenministerin, von den eigenen Manipulationen abzulenken, indem es Wladimir Putin für die jüngste Email-Affäre verantwortlich macht. Bei einem Auftritt in der CNN-Politsendung "Meet the Press" am 24. Juli erklärte Robby Mook von der Clinton-Wahlkampfkampagne: "Wir haben von Experten erfahren, daß Akteure des russischen Staats in die Computer des DNC eingedrungen sind, diese Emails entwendet haben und sie nun veröffentlichen, um Donald Trump zu helfen." Wikileaks-Gründer Julian Assange, der sich aus Angst vor der Auslieferung in die USA seit vier Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London aufhält, hat den Vorwurf einer Zusammenarbeit von Wikileaks mit dem Kreml als Blödsinn und Beleidigung zurückgewiesen. Paul Manafort, Leiter der Trump-Kampagne, hat beim Auftritt in der ABC-Politsendung "This Week" die Behauptungen Mooks als "absurd" und "reine Verdunkelung seitens der Clinton-Kampagne" bezeichnet. "Diese Emails zeigen, daß es sich hier um ein manipuliertes System handelt und daß Bernie Sanders niemals eine Chance hatte."

Die angebliche Verwicklung "russischer Staatsakteure" in die hochpeinliche Email-Affäre des DNC ist der bisherige Höhepunkt einer Diffamierungsstrategie, mit der die Demokraten und zahlreichen Helfershelfer Hillary Clintons in Politik und Medien der USA die Kandidatur Trumps zu einer Gefahr für die nationale Sicherheit und den New Yorker Baumagnaten quasi zu einer Marionette Rußlands hochzustilisieren versuchen. Trump spielt die nationalistisch-chauvinistische Karte, um die weiße Arbeiterschicht zu mobilisieren. Er gibt sich als Gegner der Globalisierung, der sich auf die Erneuerung der maroden Infrastruktur der USA und die Schaffung von Arbeitsplätzen im eigenen Land konzentrieren will. Zu diesem Zweck hat er angeregt, die US-Militärpräsenz im Ausland zu reduzieren - zum Beispiel in Deutschland und Japan -, keine neuen Kriege mehr anzuzetteln, mit den Truppen Baschar Al Assads den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) zu führen, auf "nation building" in Übersee zu verzichten und eine Verständigung mit Rußland, China und sogar Nordkorea zu suchen.

Für die Verfechter einer uneingeschränkten internationalen Führungsrolle der USA ist Trumps Vision eines Amerika, das sich auf die eigenen Probleme besinnt und nicht in die Politik anderer Länder einmischt, ein rotes Tuch. So laufen die New York Times, die Washington Post und die mächtigen Neokonservativen, die stets die Interessen der US-Rüstungslobby im Blick haben, gegen Trumps Absage an Amerikas "mission civilisatrice" Sturm. Dieser Sturm wurde zu einem regelrechten Tornado, als Trump bei einem Interview mit der New York Times am 21. Juli erklärte, als Oberkommandierender der Streitkräfte würde er nicht unbedingt den baltischen NATO-Staaten Estland, Lettland und Litauen zu Hilfe kommen, sollten diese in einen Konflikt mit Rußland geraten. Alle Verträge, auch der NATO-Pakt, beruhten auf Gegenseitigkeit; Mitgliedstaaten, die ihren finanziellen oder personellen Beitrag nicht leisteten, könnten nicht davon ausgehen, daß Washington für sie die Kastanien aus dem Feuer hole, so Trump.

Am selben Tag zog der israelisch-amerikanische Journalist Jeffrey Goldberg folgendes drastische Fazit aus der Position Trumps: "Nun ist es offiziell: Hillary Clinton kandidiert gegen Wladimir Putin." Die Hysterie setzte Paul Krugman am 22. Juli in seiner wöchentlichen Kolumne bei der New York Times unter der Überschrift "Donald Trump, the Siberian Candidate" fort - eine bewußte Anspielung auf den Kalten-Krieg-Roman und gleichnamigen Kinofilm "The Manchurian Candidate". Unter Verweis auf Trumps erklärte Abneigung dagegen, den Konflikt in der Ukraine zu schüren, und seine angeblich "beträchtlichen, wenn auch trüben Verbindungen zu vermögenden Russen und russischen Konzernen", unterstellte der Wirtschaftsnobelpreisträger dem New Yorker Immobilienbesitzer, ein Handlanger des Kremls zu sein. Ob Krugman, wie erwartet, von Hillary Clinton für seine monatelange publizistische Zuarbeit mit einem Kabinettsposten belohnt wird, hängt vom Ausgang der Wahl im November ab.

Die Diskussion um eine angebliche Einflußnahme Rußlands auf den US-Präsidentschaftswahlkampf läßt jenen latenten McCarthyismus erkennen, der jedesmal sein Haupt erhebt, sobald das Establishment in Washington eine Bedrohung der eigenen Imperialpolitik wittert. Trump wird als Verräter an Demokratie und Menschenrechten diffamiert, nur weil er nicht gewillt ist, den bisherigen hochgefährlichen Konfrontationskurs gegenüber Rußland und China zu verfolgen. Bill Clintons Gattin dagegen ist eine absolute Garantin für das weitere Streben nach "Full Spectrum Dominance" ungeachtet aller Weltkriegsgefahr, weswegen ihre Kandidatur auch von den früheren Beratern und Bewunderern George W. Bushs unterstützt wird - siehe den erhellenden, am 25. Juli veröffentlichten Artikel "Robert Kagan and Other Neocons Are Backing Hillary Clinton" von The Intercept.

Währenddessen machen sich unabhängige Beobachter aus den Kreisen der alternativen Presse über den Internet-Hype um Trumps vermeintliche Kreml-Verbindung lustig. In einem Artikel, der am 20. Juli bei Alternet.org unter der Überschrift "U.S. Media Blames Putin Conspiracy for Homegrown Trump Phenomenon" erschien, schrieb der Medienanalyst Adam Johnson unter Verweis auf eine besonders hirnrissige Attacke Franklin Foers in der Zeitschrift Slate auf den Kreml, "die Prämisse" der ganzen Verschwörungstheorie fuße

auf der paranoiden Annahme, daß Putin "den Westen zerstören" will: "Wladimir Putin hat einen Plan, um den Westen zu zerstören - und dieser Plan sieht sehr stark nach Donald Trump aus." Wie bitte? Putin mag den Westen unterminieren wollen. Er mag die Erweiterung der NATO einschränken wollen, aber sie zerstören? Heißt er Magneto? Hier haben wir es mit jener Art der maßlosen, völlig überzogenen Sprache zu tun, die gar nicht in Frage gestellt wird, sobald es um eine Diskussion von Amerikas beliebtester Bedrohung aus dem Osten geht.

Inzwischen kursieren in den sozialen Medien Facebook und Twitter witzige Bilderkollagen, auf denen zum Beispiel ein russisches U-Boot für das Sinken der Titanic verantwortlich gemacht oder Putin als Urheber jenes Kometeneinschlags entlarvt wird, der vor 65 Millionen Jahren zum Aussterben der Dinosaurier beigetragen hat. Man könnte lachen, wäre das darin persiflierte Thema der Kriegstreiberei nicht so ernst.

26. Juli 2016


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